Abendblatt-Redakteur Jan-Eric Lindner über das Spiel seines Lebens: Ein kurzes Duell mit der deutschen Tennis-Nummer 1 am Rothenbaum.

Hamburg. Nein, dies ist kein Duell auf Augenhöhe: Dass ich schon Tennis gespielt habe, als dieser Jungspund, Philipp Eberhard Hermann Kohlschreiber, 28, noch nicht einmal geboren war, wird mir ebenso wenig zum Vorteil gereichen wie die Tatsache, dass ich ihn körperlich um fünf Zentimeter überrage. Der junge Mann auf der anderen Seite des Netzes lächelt. Frühes Mitleid? Auf einem Trainingsplatz am Rothenbaum stehe ich, Jungsenior, fast 44 und Hobby-Schlägerschwinger, Deutschlands aktuell bestem Tennisspieler gegenüber. Einer der Turniersponsoren der von Ex-Profi Michael Stich glänzend organisierten „German Tennis Championships“ oder „bet-at-home Open“ hat ein sogenanntes ProAm-Turnier organisiert. ProAm, das steht für „Profis gegen Amateure“ und verspricht für Letztere eine Tracht Prügel, von einem der weiß, wie es geht. In meinem Falle eben Philipp E. H. Kohlschreiber. Ein Erfahrungsbericht.

„Wie gut spielts’ denn“ fragt der gebürtige Augsburger vor seinem ersten Aufschlag. „Soll i’ gleich langsam machen oder erst mal hart servieren und denn nachlassen, bis’ passt?“ Nee, Kohli, zieh mal durch, höre ich mich sagen. Wie üblich, wenn die deutschen Stars sich am Rothenbaum zeigen, haben sich an den Zäunen des Trainingsplatzes M7 mehrere dutzend Zuschauer versammelt. Na prima. In einem Anflug von Optimismus hatte ich gehofft, die Watschn wenigstens unter Ausschluss der Öffentlichkeit verpasst zu bekommen.

Nun denn. Es serviert der Profi, ich beziehe gespannt Position hinter der Grundlinie. In die Knie, den Ball fixieren, keine lange Ausholbewegung, denke ich, dafür wird nicht die Zeit sein. Einfach blocken.Doch nach Sekundenbruchteilen kann ich den Gedankengang unterbrechen. Ein gelber Punkt rauscht auf mich zu. Philipp Kohlschreibers Aufschlag touchiert meinen Schläger mit einer Geschwindigkeit, von der ich dachte, ein Tennisball würde sie nie erreichen können. Vom Rahmen meines Rackets schießt der Ball in die Höhe. Nach hinten, über den Zaun und auf einen Parkplatz. 15:0. Mein leicht verlegenes Lächeln quittiert der Profi mit einem Schulterzucken. Okay, ich weiß, scheint er sagen zu wollen. Dann jetzt eben langsamer und – vielleicht – mit etwas mehr Schnitt. Aufschlag von links. Wieder runter in die Knie, den Ball fixieren, lieber mal gar keine Ausholbewegung, denke ich. Halte einfach den Schläger hin. Der Ball ist eh so schnell, dass er von allein zurückfliegt. Kohlschreiber serviert. Und es gibt keinen Punkt, an den ich den Schläger halten könnte. Die Filzkugel, so scheint es, segelt quer an mir vorbei. „Kohli“ hat mich nach Strich und Faden verkohlt. Der Ball hatte einen solchen Schnitt, dass er gefühlte fünf Meter neben mir in Richtung des seitlichen Zaunes entschwindet. „Stell Di halt weiter na draußen“, meint der Philipp – und lächelt schon wieder wie ein Lausbub. 30:0.

Noch immer leicht verwirrt ob der Flugkurve des vorigen Balles positionere ich mich erneut, um Kohlschreibers Service zu returnieren. Diesmal hat der 28-Jährige ein Einsehen. Mein Schläger trifft den Ball – oder umgekehrt – und die Kugel fliegt ins gegnerische Feld zurück. Ha! Da hast Du’s, Du Profi! Zwei, drei mal passiert der Ball das Netz. Ich peile Kohlschreibers Rückhand an. Er pariert mit einigen Cross-Schlägen. Dann plötzlich zischt der Ball geradeaus in die Ecke des Platzes, in der ich nun gerade nicht stehe. Rummms. 40:0.

In die Knie, Ball fixieren, bloß nicht ausholen. Kohlschreiber überrascht mich bei seinem vierten Aufschlag mit einem kurzen, knappen Antritt ans Netz. Der Ball springt vor mir so hoch ab, dass ich das Racket in die Luft reißen muss, um ihn noch zu erreichen. Irgendwie, eher schlecht als recht, flattert die Filzkugel zurück. Eine Aufgabe für den Profi? Mitnichten. Kohlschreiber volliert in Trainermanier. Und gibt mir Gelegenheit, einen Lob anzusetzen, der sogar ziemlich genau vor der Grundlinie landet. Nur: Der flinke Philipp ist schon lange da! Er schmettert einfach von der Grundlinie. Unerreichbar. Spiel. „Wenn Du magst, sag ich was zu Deinem Tennis“, bietet Kohlschreiber beim Handshake am Netz an. Und ob ich will: „Lass’den Ball beim Ballwurf später los“, sagt der Profi. „Nicht unter Schulterhöhe. Sonst wird’s ein Glücksspiel mit dem Ballwurf. Und: Mehr Streckung beim Aufschlag. Du verschenkst zu viel. Ansonsten sah es doch schon gut aus!“ Danke, Philipp. Aus so berufenem Munde hört man das gern. Das Lob tröstet über die Erkenntnis hinweg, dass Tennis nicht gleich Tennis ist, dass ich nach Jahrzehnten auf dem Platz noch nicht mal den Hauch einer Ahnung hatte, was mit dem gelben Ball alles möglich ist.