Sowohl der zweifache Medaillengewinner Levy als auch Bundestrainer Uibel sehen sich von Verband, DOSB und Medien im Stich gelassen.

London. Nach dem Abschluss der olympischen Bahn-Wettbewerbe in London hat Silbermedailengewinner Maximilian Levy den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) und dessen Präsidenten Rudolf Scharping kritisiert. "Glückwünsche von der Verbandspitze sind bisher ausgeblieben. Ich glaube, da kommt per Post in den nächsten Tagen eine Urkunde mit 'Herzlichen Glückwunsch und so weiter' - ist ja klar, wo die dann landet“, sagte Levy am Mittwoch im Deutschen Haus in den Docklands.

BDR-Präsident und Ex-Verteidigungsminister Scharping, am Anfang der Spiele kurz in London, hätte der Cottbuser nicht "einmal gesehen oder gesprochen“, sagte der Bronzemedaillengewinner im Teamsprint und Olympia-Zweite im Keirin.

Der BDR ließ daraufhin eine Mitteilung verschicken, wonach es die Glückwünsche sehr wohl gegeben habe, sie aber "in der Hektik“ nicht bei Levy angekommen seien. Noch während der Siegerehrung habe Scharping mit BDR-Sportdirektor Patrick Moster telefoniert und Glückwünsche an Athleten und Trainer übermittelt

"Wir sind es gewohnt, dass wir Bahnradsportler vielleicht mal bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen kurz im Fokus stehen. Erfolge werden nich entsprechend gewürdigt“, sagte der 25-jährige Levy, der sportlich eine gute Bilanz nach den fünf Tagen im Velodrom ziehen konnte.

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Der BDR übertraf seine magere Ausbeute von Peking mit je einmal Silber und Bronze. In London standen je eine Gold-, Silber- und Bronzemedaille zu Buche. Den Olympiasieg am ersten Tag hatten Miriam Welte und Kristina Vogel perfekt gemacht.

Am Vorabend hatte auch Bundestrainer Detlef Uibel Kritik geäußert und vor dem Hintergrund der erfolgreichen Briten in Deutschland zentrale Strukturen in der Leistungssteuerung gefordert. Levy rechnete vor: "Die Briten hatten in den letzten vier Jahren 34 Millionen Euro zur Verfügung - der BDR nur einen kleinen Bruchteil davon.“

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Im ganzen deutschen Sportsystem müsse sich etwas grundlegend ändern, erklärte Levy, der damit seinem Bundestrainer Detlef Uibel zur Seite sprang: "Die Frage ist doch: Will die Gesellschaft sportlichen Erfolg - oder will die Gesellschaft nur Fußball und Formel 1 gucken?“

Der Cottbuser nahm dabei auch die Medien ins Visier. "Bei uns ist Bahnradsport nicht bekannt. Wenn ich nach Hause komme, muss ich den Leuten erklären, was Keirin ist“, sagte Levy: "Hinter dem Fußball purzelt doch alles andere herunter. Wir sind diejenigen, die hart arbeiten. Die Fußballer haben genug Zeit, hier und da für einen Skandal zu sorgen.“

Auch BDR-Trainer Uibel schlägt Alarm

Bereits am Dienstag hatte BDR-Bundestrainer Uibel nach der britischen Festwoche im Velodrome Alarm geschlagen. "Es müssen strukturelle Änderungen her und das schnell. Unser System muss effektiver werden, das betrifft nicht nur den Bahnradsport, sondern den gesamten Sport“, sagte Uibel und ergänzte: "Ich plädiere schon seit Jahren für eine Zentralisierung und Konzentration. Die Franzosen haben es, die Australier und erst recht die Briten.“

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Zentralisierung heißt in Großbritannien tatsächlich das Zauberwort. Alle Fäden laufen am großen Bahnrad-Stützpunkt in Manchester zusammen. David Brailsford hat seit seinem Amtsantritt 1998 als Technischer Direktor ein straffes und auf Erfolg getrimmtes System installiert. Die Ausbeute ist überwältigend. Wie schon in Peking vor vier Jahren gewannen die Briten sieben von zehn Wettbewerben auf der Bahn.

Ewige Diskussion um die Landesverbände

Damals hatte es die gleichen Diskussionen gegeben, passiert ist aber nichts. Dabei ärgern Uibel die "Eifersüchteleien“, insbesondere die Landesverbände wollen von ihrer Macht nichts abtreten. "Wir haben das über Lehrgänge geregelt, waren fast das gesamte Jahr unterwegs. Das ist nicht gut für die Familien der Fahrer“, erklärt Uibel. Es wird wohl ein frommer Wunsch des Bundestrainers bleiben.

Denn auch die Fahrer wird er zu einem derartigen Weg kaum bewegen können. "Die Erwachsenen würden sich kaum mehr in ein Internat stecken lassen. Wir haben gezeigt, dass wir mit unserem Weg erfolgreich sein können. Wir waren auch speziell im Teamsprint nicht so weit weg“, sagte Levy zu dapd, hält aber grundlegend die Denkweise seines Chefs für richtig: "Wenn ein System aufgebaut wird, dann sollte das mit jungen Fahrern geschehen.“

Briten stecken 34 Millionen Euro jährlich in den Radsport

Doch das britische System ist nicht ganz billig. Rund 34 Millionen beträgt das Budget des Teams GB und liegt damit zehn Mal so hoch im Vergleich zum BDR. "Philip Hindes musste nicht einmal zur Schule gehen“, ergänzte Uibel mit Blick auf den 19-jährigen Krefelder, der die Seiten in Richtung des Heimatlandes seines Vaters gewechselt hat und nun Olympiasieger ist.

Doch es bringe nichts, Geld umzuschichten, ergänzt Uibel. Wenn der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) eine Strukturbewertung mache, solle auch die Meinung der Trainer gehört werden. Der Weg zurück an die Weltspitze sei nicht so weit, bereits in Rio könne sich der Erfolg wieder einstellen.

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Dann will auch Levy wieder am Start stehen. "Ich habe alles auf London ausgerichtet, aber ein paar Jahre kann ich noch fahren.“ Seine eigene Bilanz kann sich sehen lassen. Mit Silber und Bronze im Teamsprint ist er beim „Best of the rest“ ganz weit vorne. Und bis Brasilien will der überragende britische Sprinter Sir Chris Hoy längst im Ruhestand sein.

Mit Material von dpa, sid und dapd