Nachdem in der Nacht in der Londoner Uniklinik eine MRT-Untersuchung durchgeführt worden war, befand sich Steiner am Mittwochmorgen auf dem Weg zu weiteren Kontrollen.

London. Als die 196 Kilogramm schwere Hantel Matthias Steiner auf den Nacken und die rechte Schulter krachte, lag der stärkste Mann der Welt wie ein Häufchen Elend auf der Gewichtheberbühne. Vier Jahre nach seinem bewegenden Olympiasieg in Peking musste der Superschwergewichtler die bitterste Niederlage seiner Karriere einstecken und den Wettkampf in London nach dem Reißen aufgeben. Steiner verletzte sich bei seinem missglückten zweiten Versuch: An eine Wiederholung des Gold-Märchens war nicht zu denken – Steiners Olympiatag endete in einer Londoner Klinik statt auf dem Podium.

+++ Steiners Albtraum nach dem Märchen von 2008 +++

„Matthias klagt über Schmerzen im Rückenbereich und wird zur näheren Untersuchung in die Poliklinik gefahren“, sagte der deutsche Chefarzt Bernd Wohlfahrt und erklärte: „Wir haben Matthias aus dem Wettkampf genommen, um schlimmere Verletzungen zu verhindern.“ Der deutsche Chef de Mission Michael Vesper sprach von „riesiger Enttäuschung bei Matthias. Er hatte das Zeug, um eine Medaille zu kämpfen.“

Das Ausmaß der Verletzung ist auch am Mittwoch weiter unklar. Nachdem in der Nacht in der Londoner Uniklinik eine MRT-Untersuchung durchgeführt worden war, befand sich Steiner am Mittwochmorgen auf dem Weg zu weiteren Kontrollen.

Bundestrainer Frank Mantek zeigte sich geschockt über den Unfall. „Im ersten Moment dachte ich, es sei ein Genickbruch“, sagte er. „Aber nach drei Sekunden und Augenkontakt wusste ich, dass es doch nicht so schlimm war.“ Steiner befinde sich noch im Krankenhaus, er werde mit einer MRT untersucht. „Es ist wohl nichts gebrochen“, sagte Mantek.

Mit einem Gewicht von 445 Kilogramm, also 16 Kilo unter seiner Bestleistung von Peking, hatte Steiner gemeldet. Ein Risiko, wie Mantek im Vorfeld eingeräumt hatte, zumal Steiner in der Vorbereitung mit gleich drei Infekten zu kämpfen hatte. Das letzte Trainingslager in Österreich hatte Hoffnungen geweckt.

Doch die 196 Kilo im Reißen, ohnehin nicht seine Paradedisziplin, waren zu viel für den Koloss aus Chemnitz. Bäuchlings lag Steiner unter der Hantel auf der Bühne, Trainer Frank Mantek eilte ihm zu Hilfe. „Es war ein technischer Fehler“, erklärte der Coach, als Steiner schon auf dem Weg in die Klinik war. Allerdings sei der Ehrgeiz seines Athleten „so groß gewesen, dass er die Hantel festhalten wollte.“

Den zahlreichen deutschen Fans stockte der Atem, als die freiwilligen Helfer auch noch einen Sichtschutz aufbauten. Nach einer kurzen Behandlung stand Steiner zwar wieder auf den Beinen. Zu seinem dritten Versuch im Reißen trat er allerdings nicht mehr an und gab anschließend auf.

„Ich dachte, es ist noch viel mehr passiert“, gab der zweite deutsche Starter Almir Velagic (Speyer) zu. Steiner hatte Velagic nach seinem Aus noch Mut zu gesprochen: „Er kam zu mir und hat gesagt: Du hälst jetzt die Fahne hoch.“ Immerhin verbesserte der 30-Jährige tatsächlich seine persönliche Bestleistung um ein Kilogramm auf 426 (192/234) und kam auf Rang acht. Der Sieg ging wie erwartet an den iranischen Weltmeister Behdad Salimikordasiabi (208/247) vor seinem Landsmann und Vize-Weltmeister Sajjad Anoushiravani Hamlabad (204/245). Bronze holte Ruslan Albegow aus Russland (208/240).

Steiner wird es nicht unbedingt getröstet haben, das sein Nachfolger Salimikordasiabi insgesamt sechs Kilogramm weniger in die Höhe stemmte als er selbst bei seinem Überraschungs-Coup von Peking. Vor vier Jahren hatte Steiner Millionen Menschen in der ganzen Welt gerührt. Mit Tränen in den Augen hatte der stärkste Mann der Welt immer wieder das Bild seiner Ehefrau Susann in die Kameras gehalten, die wenige Monate vor seinem Olympiasieg bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Steiner wurde zum Medienstar. Die vielen Auftritte, bei denen er seine Geschichte erzählte, waren für ihn auch Therapie.

Ein Jahr später renkte sich für Steiner privat wieder alles ein. Der gebürtige Österreicher heiratete die TV-Moderatorin Inge Posmyk, im März 2010 kam Sohn Felix zur Welt. Allerdings streikte der Körper. Er verzichtete auf die WM 2009, ihm fehlte die Form nach einem Leistenbruch.

Auch die Olympiavorbereitung begann nicht vielversprechend. Im Herbst des vergangenen Jahres musste sich Steiner eine Knie-OP unterziehen und dachte bereits an das Ende seiner Karriere. Doch er kämpfte sich zurück. Im Januar begann der 29-Jährige mit dem Training für die Olympischen Spiele. Drei Monate später gewann er die Silbermedaille bei der EM in Antalya und löste mit 424 Kilogramm im Zweikampf das Ticket für die seine dritten Olympischen Spiele.

Mit Material von sid und dapd