Ruder-Olympiasieger Wolfgang Maennig und Achter-Medaillenkandidat Eric Johannesen über Fortschritte im Training, die Ernährung von Sportlern und die richtige Ausbildung

Hamburg. Begegnet sind sich Eric Johannesen, 23, Goldhoffnung vom RC Bergedorf für den Deutschland-Achter, und Wolfgang Maennig, 52, Achter-Olympiasieger von 1988 und Wirtschaftsprofessor an der Universität Hamburg, zuvor noch nie. Aber Ruderer brauchen nicht viele Worte, um sich zu verstehen. Mit vereinten Kräften holen Johannesen und Maennig für unser Foto einen Vierer aus dem Bootshaus des Hamburger und Germania Ruder-Clubs. Wenig später hat man beim Mittagessen bereits das Gefühl, zwei alten Bekannten gegenüberzusitzen.

Hamburger Abendblatt: Guten Appetit! Dürfen Ruderer eigentlich alles essen?

Eric Johannesen: Man versucht sich schon gesund zu ernähren. Wobei ich nicht so darauf achten muss wie ein Leichtgewichtsruderer.

Wolfgang Maennig: Zu meiner Zeit gab es viel Völlerei: Sahnekuchen, Chips, Bier. Ich erinnere mich an ein Trainingslager in St. Moritz. Als es das zweite Mal Bratwurst im Schlafrock gab, habe ich mich beim Mannschaftsarzt beschwert: Wir wollen eine Medaille gewinnen und essen hier Bratwurst, das kann es doch nicht sein! Er sagte mir: Solange Sie 6000 bis 7000 Kalorien täglich zu sich nehmen, ist es egal, was Sie essen. Von allem wird genug dabei sein.

Johannesen: Es ist in der Tat für einige nicht einfach, das Gewicht zu halten. Wenn man dreimal am Tag hart trainiert, geht es schnell abwärts. Das ist auch fürs Immunsystem nicht ungefährlich. Deshalb spielen Nahrungsergänzungsmittel schon eine Rolle. Aber Alkohol ist weitgehend tabu.

Maennig: Ich kann mich an Kollegen erinnern, die abends im Fernsehraum der Ruderakademie jeder ein Sixpack leerten. Auf meine Beschwerde wurde der Konsum vom Trainer auf zwei Bier begrenzt. Die Ruderer waren stinksauer.

Wie hat sich das Training geändert?

Johannesen : Wir tun einiges, um die Feinmotorik und Stützmuskulatur zu schulen. Gerade die kommt beim Rudern ja meistens zu kurz und ist oft die Ursache, wenn es hinterher zu Rückenproblemen kommt. Wir machen Gymnastik mit Pezzibällen und Schlingen und haben eine Aerobictrainerin, die mit uns Choreografien einstudiert. Der Effekt ist in der Regeneration spürbar: Ein regelmäßig gedehnter Muskel erholt sich schneller als ein steifer.

Maennig: Das ist ein Fortschritt. Wenn Bundestrainer Ralf Holtmeyer uns zur Gymnastik geschickt hat, sind wir oft um die Ecke gelaufen und haben gar nichts gemacht. Gymnastik war was "für Mädchen", wir haben das gehasst. Irgendwann ist er dahintergekommen und hat es überwacht. Wir sind mit Mühe mit den Händen unter die Knie gekommen, so steif waren wir.

Wie haben Sie Ralf Holtmeyer erlebt?

Maennig : Als immer ruhigen und klaren, manchmal etwas schwer zugänglichen Menschen, der aber, wenn man ihn an der richtigen Stelle erwischt, engagiert diskutieren konnte.

Johannesen: Die Tage, an denen er verschlossener ist und man ihm die Antworten ein bisschen aus der Nase ziehen muss, gibt es immer noch. Aber wir haben einen ganz guten Weg in der Kommunikation gefunden. Ich kann mir vorstellen, dass er sich auch durch seine Kinder geöffnet hat.

Herr Maennig, Sie haben neben dem Leistungssport Ihre akademische Laufbahn vorangetrieben. Wie darf man sich das konkret vorstellen?

Maennig: Wir Ruderer hatten damals jeder eine schwere, große Sporttasche. Ich hatte noch eine zweite dabei, da war einer der ersten tragbaren Computer drin, mit integriertem Thermodrucker. Damit habe ich mein Programm geschrieben, bin rudern gegangen, und als ich zurückkam, war es zu Ende gerechnet. Vielleicht war ich ein bisschen überaktiv. Irgendwann hat mich der Mannschaftsarzt zur Ruhe gerufen, weil ich oft an der Tatstatur war, wenn andere Tischtennis oder Billard gespielt haben. Der Arzt hat mich ermahnt, dass geistige Arbeit sehr viel Kalorien verbrauche. Dabei war es für mich die beste Erholung von der körperlichen Arbeit. Ich habe deshalb heimlich weitergearbeitet.

Hätte der 88er-Achter gegen den heutigen eine Chance?

Johannesen: Die Bestzeiten haben sich kontinuierlich gesteigert - von 5:28 auf 5:19 Minuten.

Maennig : Eine normale, gesunde Entwicklung. Wenn die Rekordzeiten wie in einigen Leichtathletikdisziplinen stagnieren oder gar zurückgehen, ist dies ein Zeichen, dass dort früher systematisch gedopt wurde.

Wie sauber ist oder war der Rudersport?

Maennig: Hundertprozentig. Wir wurden in der Olympia-Vorbereitung im Rahmen eines Forschungsprojekts des Kölner Dopingfahnders Manfred Donike betreut, der die Wirkung von Magnesium in der Höhe erforschen wollte. Er hat damals all unsere Blut- und Urinproben bekommen - alle negativ. Aber ich lege nicht meine Hand ins Feuer, ob ich nicht der Versuchung hätte erliegen können: Wenn ich leicht an Dopingmittel rangekommen und es nicht gefährlich gewesen wäre ... Ich hatte aber das Glück, Ärzte um mich zu haben, die ihre berufliche Laufbahn nicht aufs Spiel setzen wollten. Die Dopingversuchung ist für jeden Athleten da. Wichtig ist das Umfeld. Und da bilden Rudervereine und -strukturen eine gute Absicherung.

Johannesen: Die Zahl der Dopingfälle ist jedenfalls sehr gering. 2007 sind bei der WM russische Athleten aufgeflogen. Sie hatten unerlaubterweise Infusionen gesetzt, die allerdings keine Dopingmittel enthielten. Man darf nicht vergessen, dass im Rudersport der Technikanteil so hoch ist, dass der reine Kraftprotz nicht so im Vorteil ist. Hinzu kommt, dass nicht das große Geld zu verdienen ist. Kein Sportverband wird vom Bundesinnenministerium so subventioniert wie unserer. Selbst der Deutschland-Achter, der einen Hauptsponsor hat, kann seinen Etat nicht allein tragen.

Fällt für die Athleten etwas ab?

Johannesen: Wir bekommen eine Leistungsprämie. Für den WM-Titel etwa gab es 10.000 Euro.

Maennig : Immerhin! Bei mir ist von den Sponsoren nicht ein Pfennig angekommen. Wenn für das Foto ein gesponserter Pulli angezogen werden sollte, durfte man ihn behalten - auf diesem Niveau bewegten wir uns. Der Deutsche Ruderverband wollte damals kein Marketing, um den Amateurstatus nicht zu verwässern. Das hat mich wahnsinnig geärgert. Irgendwann haben wir es selbst in die Hand genommen. Ein Bruder eines Ruderers, der BWL studierte, ist auf Akquise gegangen. Dann hat jeder von uns von Omega eine Uhr bekommen.

Worauf muss sich Eric Johannesen bei Olympia einstellen?

Maennig: Die Aufmerksamkeit bei Olympia ist eine ganz andere. Was bei diesem Boot erschwerend hinzukommt: Es ist die sicherste deutsche Bank für die Goldmedaille.

Johannesen: Wir empfinden das nicht als Last. Natürlich kann so eine Serie immer reißen, das ist jedem von uns bewusst. Aber wir haben uns im Vergleich zum vergangenen Jahr noch einmal deutlich verbessert.

34 Siege in Folge - wer soll Sie gefährden?

Johannesen: Die Engländer haben den stärksten Kader. Sie können professioneller trainieren als wir. Da wird gar nicht diskutiert, ob man sich ein Trainingslager in Südafrika leisten kann. Wer dort nebenbei studiert, erhält vom Verband gar nicht die volle finanzielle Förderung. Die wollen, dass man Vollprofi ist. Dafür ist einem hinterher der gewünschte Studienplatz garantiert. Möglich machen das die Hauptsponsoren. Allein Siemens zahlt einen Millionenbetrag im Jahr an den Verband.

Maennig : Ich weiß nicht, ob das so erstrebenswert ist. Ganz ehrlich, Eric: Deine vier letzten Jahre als Sportsoldat bei der Bundeswehr, ich gönne dir das, aber ich halte das für falsch. Sport und Ausbildung, das muss sich nicht behindern, sondern kann sich befruchten. Eine Sportkarriere kann ein Studium sogar beschleunigen, weil man sich disziplinieren muss. Es gibt zu viele Sportsoldaten, die insbesondere in nichtolympischen Saisons geistig "vergammeln" und dann auch sportlich nicht mehr erfolgreich sind.

Johannesen: Ich habe mir gesagt: Bis Olympia ziehe ich es durch. Die Pendelei nach Dortmund lässt mir wenig Zeit, vieles nebenbei zu machen. Und finanzieren können hätte ich sie auch nicht. Nach London hat das Studium Priorität.

Was würde ein Olympiasieg des Achters für den Rudersport bewirken?

Maennig: Das wäre ein herausragender Erfolg, der die Stellung des Ruderns im deutschen Sport stärken würde. Aber an einen Ansturm auf die Rudervereine glaube ich nicht.

Johannesen: Abitur in zwölf Jahren, Schule bis 16 Uhr, das alles macht es vielen schwer, nebenbei noch Leistungssport zu betreiben und international konkurrenzfähig zu bleiben.