Hamburg. Äthiopier Mekonnen und Portugiesin Jessica Augusto siegen in Hamburg. Mekonnen: “Unter solchen Bedingungen noch nie gelaufen“.

Am späten Nachmittag, als die Sonne endlich über einen längeren Zeitraum schien, war Frank Thaleiser wieder zu Scherzen aufgelegt. „Wenigstens hat heute niemand einen Hitzekollaps erlitten“, meinte der Chef-Organisator des Haspa-Mara­thons.

Vieles an diesem Sonntag konnte man in der Tat bloß mit Humor ertragen, das Wetter hatte vielen Athleten, vor allem den Spitzenläufern das Rennen regelrecht verhagelt. Die möglichen Streckenrekorde fielen Temperaturen um die sieben Grad Celsius, böigem Wind und dem einen oder anderen Regenguss zum Opfer. „Unter solchen Bedingungen bin noch nie einen Marathon gelaufen“, klagte Tsegaye Mekonnen, der dennoch strahlende Sieger.

Hohe Ausfallquote

Zum Start um neun Uhr ging ein heftiger Hagelschauer über die Karolinenstraße am Fernsehturm nieder, der rote Teppich glänzte weiß, und Thaleiser fürchtete schon, ein Großteil der Läufer würde umgehend in die Messehallen abbiegen. Dem war natürlich nicht so, schließlich starten beim Marathon ohnehin nur die Harten, aber 485 der 12.417 Losgelaufenen kehrten dann doch nicht zum Ziel zurück.

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Die Ausfallquote war damit um ein Drittel höher als im vergangenen Jahr, als nur 330 unterwegs aufgaben. Dafür musste nur ein Läufer mit Kreislaufbeschwerden ins Krankenhaus gefahren werden.

Viola Kibiwot aus Kenia wurde Dritte bei den Frauen. Sie konnte am Ende nicht mehr laufen, musste per Rollstuhl ins Hotel gefahren werden
Viola Kibiwot aus Kenia wurde Dritte bei den Frauen. Sie konnte am Ende nicht mehr laufen, musste per Rollstuhl ins Hotel gefahren werden © dpa

Mekonnen, der 21 Jahre alte Äthiopier, kam mit den widrigen Bedingungen noch am besten zurecht. Mit dem kenianischen Tempomacher Jacob Kendagor (33) an seiner Seite kontrollierte er den Lauf über fast die gesamten 42.195 Meter.

Stephen Kiprotich, Olympiasieger von 2012 und Weltmeister von 2013, der als taktisch bester Marathonläufer der Welt gilt, hatte zwar in Eppendorf bei Kilometer 36 zu ihm aufgeschlossen, einen zwischenzeitlichen Rückstand von rund einer halben Minute wettgemacht, als aber die finale Entscheidung auf der Karolinenstraße anstand, hatte der 28-Jährige keine Spurtchance mehr. Mekonnen zog an und sofort davon, war in 2:07:26 Stunden am Ende um fünf Sekunden schneller als sein Konkurrent aus Uganda. Schrittmacher Kendagor, der bis Kilometer 38 das Tempo hochgehalten hatte, schaffte es nach 2:08:50 Stunden immerhin als Dritter ins Ziel.

Hagel, Regen, Gegenwind

„Das war ein richtig schweres Rennen“, meinte Mekonnen, „aber die Zuschauer haben uns fantastisch unterstützt. Das hat mir sehr geholfen.“ Weil seine Zeit langsamer als 2:06:30 Stunden war, standen ihm nur die 25.000 Euro Siegprämie zu, von der er noch 15,825 Prozent an den deutschen Fiskus abführen muss. Kiprotich erhielt brutto 15.000, Kendagor 10.000 Euro.

„Das Wetter war brutal. Die Jungs waren in Topform, unter normalen Umständen hätten sie Zeiten um 2:05 Stunden laufen können“, sagte Jurrie van der Velden, der niederländische Athletenmanager des Haspa-Mara­thons und ließ anklingen, dass eventuell ein Teil der 30.000 Euro an ausgesetzten Zeitprämien trotzdem zur Auszahlung kommen dürfte: „In Hamburg wird das nicht so strikt gehandelt wie anderswo.“

Auch Thaleiser könnte sich wohl damit arrangieren: „Wir wollen bei den Athleten kein Geld sparen, nur weil das Wetter schlecht ist.“ Neben Hagel und Regen zu Beginn des Rennens stoppte die Läufer/ Innen auf den letzten acht Kilometern auch noch Gegenwind.

Per Rollstuhl ins Hotel

Die Portugiesen Jessica Augusto (35), mehrmalige EM-Dritte über verschiedene längere Distanzen, brauchte deshalb 2:25:30 Stunden, eine halbe Minute zu viel, um in den Genuss der vollen Siegprämie zu gelangen. Laut Ausschreibung standen ihr jetzt nur 12.500 Euro zu. Es ist aber in der Szene bekannt, dass van der Velden und Thaleiser beim Begriff Kulanz nicht erst im Fremdwörterbuch nachschlagen müssen. Zweite bei den Frauen wurde mit Abstand Megertu Ifa (Äthiopien) vor Viola Kibiwot.

Die 33 Jahre alte Kenianerin konnte bei ihrem Marathondebüt ihr hohes Anfangstempo nicht halten, hatte auf den letzten Metern derartige Schmerzen an beiden Achillessehnen, dass sie nach der Siegerehrung im Rollstuhl ins Hotel gefahren werden musste. Abends konnte sie schon wieder ohne Fortbewegungshilfen humpeln.

Bester Deutscher wurde als Zwölfter der Leipziger Marcus Schöfisch, der zugleich den Titel des deutschen Polizeimeisters gewann. „Das war genau mein Wetter“, meinte der 30-Jährige.

Beim London Marathon siegte bei gutem Wetter der Kenianer Daniel Wanjiru in 2:05:48 Stunden vor Favorit Kenenisa Bekele (Äthiopien; 2:05:57). Mary Jepkosgei Keitany (Kenia) stellte in 2:17:01 Stunden einen Weltrekord in einem reinen Frauenrennen auf.