Hamburg/Flensburg. Auch am Tag danach fehlten Dani Baijens noch die Worte. „Was soll ich dazu sagen..“, schrieb der niederländische Spielmacher des HSV Hamburg (HSVH) auf Instagram zu einem Video, das die meistdiskutierte Szene der 32:37-Niederlage bei der SG Flensburg-Handewitt am Vorabend zeigte.
SG-Starzugang Simon Pytlick war Mitte der ersten Halbzeit bei einer schnellen Kreuzbewegung in Baijens reingelaufen, schlug sich am Kopf des Hamburgers die Nase blutig. Das Berliner Schiedsrichtergespann Nils Blümel/Jörg Loppaschewski zeigte Baijens Rot – eine klare Fehlentscheidung.
Handball: Baijens stand unglücklich im Weg
„Ich hatte mich gut auf diesen Spielzug vorbereitet. Mal spielt Pytlick den Pass, mal geht er selbst durch. Ich stehe einfach da, wir laufen Gesicht gegen Gesicht. Die Rote Karte ist eine Frechheit“, sagte Baijens, als er am späten Donnerstagabend in der Flensburger Campushalle stand. „Die Schiedsrichter wollten entweder auf Stürmerfoul oder Rote Karte entscheiden. Sie waren sich selbst nicht sicher, haben dann diese Entscheidung getroffen. Ich habe da keine Worte für.“
Besonders bitter: Der Videobeweis, der zum Saisonstart eigentlich seine Premiere in der Handball-Bundesliga feiern sollten, stand nicht zur Verfügung. Die technischen Probleme wurden zum PR-Desaster für die Liga-Verantwortlichen, die Szene der Roten Karte hatte maßgeblichen Einfluss auf den Spielverlauf.
Scharfe Kritik von Trainer Jansen
„Dani ist mit Leif Tissier der Dreh- und Angelpunkt auf dem Feld. Die hätten sich gut ergänzen können“, sagte HSVH-Keeper Johannes BItter. Auch Trainer Torsten Jansen zürnte: „Wenn der Videobeweis nicht zur Verfügung steht und ich es nicht genau gesehen habe, überlege ich mir zweimal, ob ich einem Spieler eine Rote Karte gebe.“
Bereits in der vergangenen Saison war auffällig, dass in etlichen Partien die Schiedsrichter im Mittelpunkt standen. Selbst SG-Trainer Nicolej Krickau räumte nach dem Spiel ein, dass die Rote Karte zu hart war. „Das war nie Rot“, sagte Krickau, die Entscheidung sei eine „Katastrophe“ gewesen.
Spiel ist in den vergangenen Jahren schneller geworden
Aber woher kommen die vielen Fehlentscheidungen? Ist das Spiel mit den schnellen Angriffen und Gegenstößen zu unübersichtlich geworden? „Das Spiel ist natürlich wahnsinnig schnell. Dass da Fehler passieren, wird es immer geben“, sagte Jansen. „Aber so eine Entscheidung zu treffen, kann ich mir aber nicht erklären.“
Baijens stellte nach der Partie die Einführung des Videobeweises gar komplett infrage. „Hier in der Arena gibt es 6000 Handys. Zehn Sekunden nach der Roten Karte habe ich die Szene neben dem Feld gesehen. Wieso gucken sich die Schiedsrichter das nicht an?“, fragte der 25-Jährige. „Wenn es heute nicht funktioniert, kann man das Ganze auch einfach lassen. Dann kann man den Videobeweis eigentlich auch direkt wieder abschaffen.“
HSVH brach nach der Pause ein
Wenn die Fehlentscheidung eine positive Sache für Baijens hatte, dann war es der Umstand, kurz nach der Halbzeitpause noch in der Umkleide zu sein. Es war die schwächste Phase des HSVH, der bis dahin gut beim Meisterschaftsfavoriten mitgehalten hatte, dann aber in wenigen Minuten das Spiel abgab. „Als ich vom Duschen wiedergekommen bin, lagen wir plötzlich mit sechs Toren zurück. Dann war das Spiel gelaufen“, sagte Baijens.
Überragende 19 Paraden des Flensburger Torhüters Kevin Møller, begünstigt von einer überschaubaren Abschlussqualität, entschieden das Spiel zugunsten der Gastgeber, die gnadenlos konterten. „Ich kann meinen Jungs nur den Vorwurf machen, dass sie Anfang der zweiten Halbzeit etwas fahrlässig waren. Die Moral war dann aber überragend, wir haben uns nicht abschießen lassen“, sagte Jansen.
Jansen fordert mehr Konstanz
Das Grundproblem einer zu inkonstanten Leistung über 60 Minuten allerdings bleibt. Bereits in der vergangenen Saison hatte der HSVH mehrere Spitzenclubs an den Rand einer Niederlage gebracht, ehe eine kurze Schwächephase den Favoriten dennoch entscheidend davonziehen ließ. „Das ist Jammern auf hohem Niveau, aber wenn wir uns weiterentwickeln wollen, müssen wir diese Konstanz, die wir häufig haben, über das gesamte Spiel konservieren“, sagte Jansen.
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Defensiv müssen die Hamburger vor allem an der Abstimmung im Deckungszentrum arbeiten. Zehn Kreisläufergegentore kassierte das Jansen-Team am Donnerstagabend, was insbesondere Keeper Bitter ärgerte. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass der Mittelblock mit Azat Valiullin, der früh zwei Zweiminutenstrafen kassiert hatte, und Dominik Axmann, der erst vor wenigen Tagen wieder ins Training eingestiegen war, personell nicht optimal aufgestellt war.
„Ich habe erst vier Trainingseinheiten mitgemacht, da hat das Gefühl für die Abstimmung noch ein bisschen gefehlt“, sagte Axmann. Bis zum Auswärtsspiel bei der MT Melsungen (7. September) hat der HSVH nun genug Zeit. Die Abstimmung sollte dann besser – und die Verstimmung vorüber sein.
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