Hamburg. Als Tabellenzehnter nach der Hinrunde der Handball-Bundesliga hat sich Aufsteiger HSV Hamburg (HSVH) in eine gute Position für den Kampf um den Klassenerhalt geworfen. Nach der 26:34 (13:17)-Niederlage am Donnerstagabend bei Tabellenführer SC Magdeburg beträgt der Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz 17, den derzeit die HBW Balingen-Weilstetten belegt, noch acht Punkte.
Vor dem Rückrundenstart gegen den Tabellenelften Bergischen HC an diesem Montag (19.05 Uhr/Sky) in der Sporthalle Hamburg vor behördlich zugelassenen 2500 Zuschauenden (2G und Maskenpflicht) zieht Präsident Marc Evermann (50) im Gespräch mit dem Abendblatt die Bilanz eines für den Club außergewöhnlichen Jahres.
Hamburger Abendblatt: Herr Evermann, vor zwei Jahren haben Sie im Abendblatt gesagt, das Ziel des HSV Hamburg sei es, 2021 in die Bundesliga aufzusteigen, wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen stimmten. Nun sind wir gespannt auf Ihre Ansagen für die nächsten Jahre.
Marc Evermann: In unkalkulierbaren Zeiten wie diesen ist es noch schwieriger, irgendwelche mutigen Voraussagen zu machen, die Sie wahrscheinlich hören möchten. Wir wollen uns in der Liga etablieren, alles andere hängt davon ab, wie wir uns wirtschaftlich weiterentwickeln können. Da sehe ich allerdings Potenzial, wir haben zuletzt etliche Sponsoren, die wir am Anfang der Pandemie verloren hatten, zurückgewinnen können, und die Akquise läuft erfolgreich weiter. Im Gegensatz zur Dritten oder Zweiten Liga scheint Bundesliga-Handball in Hamburg vermarktbar zu sein.
Wie steht es denn um die Vereinsfinanzen?
Evermann: Wir hoffen, dass am Ende dieser Saison beim Verein und bei der Spielbetriebsgesellschaft wie schon im vergangenen Geschäftsjahr eine schwarze Null steht, vielleicht können wir sogar einen kleinen Gewinn erwirtschaften. Maßgeblich dafür sind die Zuschauerzahlen. Die Eintrittsgelder machen rund 40 Prozent unseres Etats aus. Kommt es hier zu weiteren Einschränkungen, wird es schwierig, unsere Ziele zu erreichen.
Die Bundeshilfen für entgangene Zuschauereinnahmen werden aber noch mal bis zum Saisonende verlängert.
Evermann: Der Referenzzeitraum bleibt das Jahr 2019, da haben wir in der Zweiten Liga gespielt. Das ist bei erheblich gestiegenen Kosten keine auskömmliche Kompensation. Sollte es zu weiteren Besucherausschlüssen kommen, müssen wir erneut mit der Hamburger Politik über weitere mögliche Hilfen reden. Das größte Problem sehe ich im ständigen Wechsel zwischen Vollgas und Vollbremsung. Hier müssen wir einen verlässlichen Umgang mit der Pandemie finden, der uns vernünftig und nachhaltig planen lässt, auf den Zuschauer, Sponsoren und Partner vertrauen können.
Schließen Sie deshalb Neuverpflichtungen während der EM-Pause im Januar aus?
Evermann: Der Kader für diese Saison steht, da wird es keine Nachbesserungen mehr geben, mehr geben können. Das Team genießt unser volles Vertrauen, die Ergebnisse in der Hinrunde lagen über unseren Erwartungen. Wir sind überzeugt, dass die Mannschaft ihr Potenzial nicht ausgeschöpft hat, weiter lernt und hoffentlich den Abstiegskampf bis zum Schluss aus der Ferne betrachten kann. Wir werden in der Spielpause den bisherigen Saisonverlauf kritisch aufarbeiten, unsere Schlüsse daraus ziehen. Unsere Planungen für die nächste Spielzeit laufen bereits, wir werden die Mannschaft verstärken, auch Abgänge wie den unseres Kreisläufers Manuel Späth, der seine Karriere beendet, ersetzen müssen.
Auf welchen Positionen sehen Sie vor allem Handlungsbedarf?
Evermann: Wir müssen die Durchschlagskraft des Rückraums erhöhen, das ist aber auch wie alles andere eine wirtschaftliche Frage. Leistungssteigerung kostet halt immer auch Geld.
Auffällig ist: Im Gegensatz zur Konkurrenz in der zweiten Tabellenhälfte verliert der HSVH relativ deutlich gegen die Spitzenteams, anderseits hat die Mannschaft die Mehrzahl der direkten Duelle gegen potenzielle Abstiegskandidaten gewonnen. Ist das Team noch nicht in der Lage, an jedem Spieltag sein Potenzial abzurufen?
Evermann:Wir haben eine junge Mannschaft, die sich erst in der Bundesliga zurechtfinden, Routinen lernen muss. Möglicherweise ist da noch zu viel Respekt vor Teams wie Kiel, Flensburg oder Magdeburg vorhanden, da mag dann auch eine gewisse Nervosität, vielleicht noch fehlendes Selbstvertrauen mitspielen. Wir sind nun mal auf diesem sportlichen Niveau ein Newcomer, wenn auch, wie ich finde, ein sehr erfolgreicher. Wir haben zum Beispiel häufiger noch Probleme im Angriff, wenn der Gegner aggressiv, offensiv verteidigt. Daran arbeitet Torsten Jansen mit seinem Trainerteam. Das sind Prozesse, die Zeit brauchen.
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Größte Baustelle bleibt die Hallenfrage. Wie sehen hier Ihre Planungen aus?
Evermann: Wenn wir sportlich die nächsten Schritte machen, uns nicht nur in der Bundesliga etablieren, sondern im ersten Tabellendrittel mitspielen wollen, brauchen wir im Schnitt 6000 bis 7000 Zuschauer. Eine Halle dieser Größenordnung, die uns zugleich nicht kostenmäßig überfordert, gibt es in Hamburg nicht und ist bisher nicht in Planung. Für den von den Hamburg Towers geplanten Elbdome ist bis heute die Standortfrage ungeklärt. Ob die Messehallen eine Zwischenlösung sein können, müssen wir abwarten. Klar ist: Ohne eine neue Halle sind unserem Wachstum sportlich und wirtschaftlich enge Grenzen gesetzt.
Gegen den Bergischen HC kehrt Rückraumshooter Finn Wullenweber in den 16-Mann-Kader zurück. Weil etliche Dauerkarteninhaber und Sponsoren ankündigten, nicht zu erscheinen, mussten keine Karten wegen des auf 2500 Zuschauer reduzierten Kontingents storniert werden.
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