Die HSV-Handballer treten beim Serienmeister THW Kiel an. Dort gibt es ein Wiedersehen mit ihren ehemaligen Spielmachern Cañellas und Duvnjak

Kiel. Zum Interview verabreden sich die Handballprofis des THW, auch Joan Cañellas und Domagoj Duvnjak, gern im Vapiano am Kieler Hafen. Das ist quasi die Kantine des deutschen Serienmeisters. An diesem Dienstag (19 Uhr) empfangen die zwei Rückraum-Superstars ihren Ex-Club HSV in der Sparkassen-Arena. Im Abendblatt-Gespräch reden sie über gute und schwere HSV-Zeiten und ihre Gegenwart.

Hamburger Abendblatt:

Hand aufs Herz, vermissen Sie beide Hamburg?

Joan Cañellas:

Ich habe meine Weihnachtsgeschenke in Hamburg gekauft. Da gibt es mehr Auswahl. Aber pssst!

Domagoj Duvnjak:

Ich habe fünf wunderschöne Jahre in Hamburg erlebt, und es war eine große Ehre für mich, Hamburgs Sportler des Jahres 2013 zu werden. Ich habe auch noch viele Kontakte, zum Beispiel zu Davor (Dominikovic), Pommes (Hens) und Hans Lindberg. Wir telefonieren ein- bis zweimal pro Woche. Diese fünf Jahre werde ich nie vergessen, ich kam mit 20 Jahren, ich bin da als Kind hingekommen.

Nun steht das Bundesligaspiel des HSV bei Ihrem neuen Verein an diesem Dienstag an, welche Gefühle spielen da mit?

Duvnjak:

Diese 60 Minuten sind wir keine Kumpels – danach unterhalten wir uns wieder. Wir haben ja schon am Saisonanfang in Hamburg gespielt, das war nicht leicht für mich in der O2 World.

Vergleichen Sie mal die Clubs THW/HSV und die Städte Hamburg und Kiel.

Duvnjak:

Es sind zwei große Vereine – auf jeden Fall – aber Kiel ist handballverrückt, so etwas habe ich noch nicht erlebt. Hamburg ist eine große Stadt, in der es noch Fußball, Eishockey und jetzt auch Basketball gibt.

Cañellas:

Hier denken alle Leute nur an Handball, Fußball ist hier nicht so wichtig. In Spanien sind wir Handballer nicht so bekannt, in Kiel sind wir wie Superstars. Es ist eine kleine Stadt, aber man hat alles. Und der Verein funktioniert super, es gibt kein Geldproblem, das ist sehr wichtig.

Das war ja beim HSV im Sommer anders, wie ist Ihnen diese Situation in Erinnerung geblieben?

Cañellas:

Das vergangene Jahr war eine Katastrophe. Für mich war das meine erste Erfahrung in einem fremden Land, deswegen war ich noch besorgter. Vorher ist mir fast dasselbe mit Ciudad Real und dann mit Atlético Madrid passiert. In den letzten drei Jahren war ich in drei neuen Teams und drei Städten. In Spanien kamen die Finanzprobleme immer im letzten Monat, da bekamen wir unser letztes Gehalt im Mai oder Juni nicht. Beim HSV ging es schon im Februar los. Viele Besprechungen, oft haben wir nicht trainiert, weil wir kein Geld bekamen. Das war nicht schön.

Duvnjak:

„Kanne“ hat alles gesagt. Für jeden Sportler ist so etwas schlimm.

Wie beurteilen Sie die Abhängigkeit von einem einzigen Geldgeber wie Andreas Rudolph beim HSV?

Wenn alles klappt, ist alles gut und schön. Wenn etwas nicht so gut läuft, kommen oft Probleme. Das ist auch bei Atlético passiert. Ein Club braucht Geld, aber wenn das Geld nur von einer Person kommt, muss man aufpassen. Andreas Rudolph hat sicherlich viele gute Sachen für den Handball getan, aber wenn er auf einmal nicht mehr da ist, was passiert dann? Im letzten Jahr war ich überrascht, als er vor dem Spiel in die Kabine kam, in der Halbzeitpause auch und nach dem Spiel, das war ein Schock für mich. Er hat sich vor den Trainer gestellt und geredet. Ich dachte, warum bist du hier?

Bei Ihrem neuen Verein THW schwärmen Sie nun von der Sicherheit ...

Cañellas:

... und wir haben auch die Sicherheit, um jeden Titel mitzukämpfen. Wenn jemand käme und sagen würde, unterschreib jetzt hier für die nächsten zehn Jahre, würde ich das sofort machen. Dieser Verein hat eine große Geschichte. Wir müssen immer gewinnen. Wir haben in diesem Jahr eine Supermannschaft, ich habe noch nie mit so vielen guten Spielern gespielt.

Duvnjak:

Wir wollen die Meisterschaft, und mein Wunsch ist es, bei den Final4-Turnieren dabei zu sein. In der Champions League in Köln und im DHB-Pokal – in Hamburg!

Wie ist die Arbeit mit THW-Meistertrainer Alfred Gislason?

Duvnjak:

Er ist ein Taktikfuchs, er hat Handball im kleinen Finger.

Cañellas:

Nach unserem ersten Scheißmonat war Alfred ganz schön nervös. Er hat viel Druck, alle haben gesagt, dass wir der Favorit sind und vielleicht kein einziges Spiel verlieren. Wir waren aber drei neue Spieler im Rückraum, und das ist immer schwerer, als wenn neue Außen oder ein neuer Torwart kommen. Und wir mussten alle erst das neue System lernen. Alfred lacht leider nicht so viel, aber das ist okay (lacht).

Sie beide gehören nach leichten Anlaufschwierigkeiten inzwischen zu den THW-Leistungsträgern. Finden Sie, dass Sie – obwohl Sie eigentlich zwei Spielmacher sind – gleichzeitig spielen sollten?

Duvnjak:

Wir spielen schon seit Monaten zusammen!

Cañellas:

Im letzten Jahr beim HSV haben wir nicht so viel zusammengespielt, das habe ich nicht verstanden.

Wie würden Sie sich gegenseitig beschreiben? Auf dem Parkett und privat?

Duvnjak:

„Kanne“ ist ein geiler Typ, ein überragender Spieler, ich kann nur schöne Wörter über ihn sagen.

Cañellas:

Vergangene Saison war ich beeindruckt von ihm beim HSV, ich hatte vorher fast nie Bundesliga gesehen. Du warst der König von Hamburg. Er gewann Spiele allein: Bim, Bam, Bum, zehn Tore, nach Hause, danke „Dule“.

Und wie ist er so als Mensch?

Cañellas:

Draußen sind wir gleich: zwei ruhige Typen. Wir brauchen es, Ruhe zu haben zu Hause mit unseren Freundinnen, zu lachen. Das Leben ist schön, wenn diese kleinen Details stimmen.

Bald geht es für Sie zur WM nach Katar (15. Januar bis 1. Februar). Mit welchen Zielen treten Sie dort an? Spanien ist immerhin Titelverteidiger ...

Cañellas:

Ach, schauen wir mal, unser Ziel ist, ins Halbfinale zu kommen.

Duvnjak:

Wir haben große Erwartungen – immer! Ich träume davon, endlich einen Titel mit Kroatien zu gewinnen.

Was sagen Sie zu der umstrittenen Wildcard-Vergabe an die deutsche Auswahl?

Cañellas:

Ich denke, was die meisten denken: dass alles etwas komisch wirkt. Wenn Deutschland es sich erspielt, bei der WM zu sein – perfekt. Wenn nicht, sollten sie nicht dabei ein. Ich habe keine Ahnung, was hintenrum passiert, und ich möchte es nicht wissen.

Duvnjak:

Auf der anderen Seite brauchen wir ein Land wie Deutschland, das die stärkste Liga der Welt hat.

Vor der WM steht noch Weihnachten an, wie feiern Sie beide?

Duvnjak:

Meine Freundin und ich bekommen Besuch von meiner Schwester und ihrem Freund. Ich mag Weihnachten ohne Ende.

Cañellas:

Ich wäre gern bei meiner Familie, aber das ist nicht möglich, Spanien ist zu weit weg. Wir haben einen freien Tag – am 24. Dezember – ich bleibe hier mit meiner Freundin, romantisches Essen – und fertig.