Der Kapitän des HSV galt als Teilzeitkraft. Doch jetzt greift er wieder an – auch im Heimspiel gegen den Bergischen HC

Hamburg. Nach dem Karriereende will Pascal Hens seinen Irokesenschnitt abschnippeln, das sickerte kürzlich durch. Dieser Billy-Idol-Gedächtnis-Look ist ja so was von 2007. Als bekanntestes Handballgesicht Deutschlands kann man während der aktiven Zeit aber nicht mal eben Tschüs zu seinem haarigen Kapital sagen. Als Mittdreißiger mit der getrimmten „Iro“-Variante ist Hens die Frisurenfragen leid. Auch andere Fragen irritieren ihn. Wie etwa die nach seinem sportlichen zweiten Frühling: „Kaum steht in der Zeitung, dass man ein paar Tore gemacht hat, ist man wieder in aller Munde.“

Aber es ist doch auffällig, wie stark sich der von vielen schon abgeschriebene HSV-Kapitän in dieser Saison bisher präsentiert. Zum Beispiel in den jüngsten zwei Partien: Im EHF-Pokalqualifikationshinspiel im schwedischen Kristianstad (29:27) vor einer Woche spielte er in Abwesenheit des angeschlagenen Neuzugangs Alexandru Simicu 60 Minuten durch, warf sieben Tore. Selbst bei der 30:36-Pleite am Sonntag in Minden gehörte der fast 35-Jährige mit seinen fünf Treffern zu den wenigen besseren HSV-Akteuren. Und auch an diesem Mittwochabend gegen den Bergischen HC (20.15 Uhr) können die Fans in der O2 World bestimmt wieder zu Hens’ Torsong „Monsta“ von Culcha Candela mitgrölen.

„Vielleicht muss ich jetzt noch mehr Verantwortung übernehmen, um die Jungen zu führen. Und das auch auf der Platte“, rückt Hens dann doch mit einer Erklärung raus. Womöglich profitiert der einstige deutsche Vorzeigehandballer, der bis auf Olympia-Gold alles in seiner Karriere gewann, aber auch schlicht von den großen wirtschaftlichen Turbulenzen rund um seinen Verein. Denn wäre der einstige Luxuskader noch da, könnte sich Hens wohl hinter Domagoj Duvnjak, Joan Cañellas (beide THW Kiel) und Blazenko Lackovic (Vardar Skopje) als Teilzeitkraft ausruhen und würde nicht aussichtsreich um die Verlängerung seines auslaufenden Vertrags werfen.

Hens sagt noch etwas: „Ich bin gesund.“ Das ist bemerkenswert für einen, den die „FAZ“ schon im Handball-Weltmeisterjahr 2007 als den „Schmerzensmann“ betitelte. Der 2,03-Meter-Schlaks, der bei seiner Größe mit den vielen Sprüngen auf seiner Rückraumposition einem besonderen Verschleiß ausgesetzt ist, war „schon tausendmal verletzt. Es gibt nicht mehr viele Dinge, die bei mir kaputtgehen können.“ Auch in der Vorsaison zwickten Rücken und Füße. Über sein Training sagt er: „Ich bin nicht mehr wie ein junges Reh bei allem dabei.“ Zugute kommt seinem Körper auch, dass sein Club in dieser Saison sich nicht für die Champions League qualifiziert hat und im DHB-Pokal früh ausgeschieden ist.

Hens kann sich Vertragsverlängerung vorstellen


Auch die Impulse des neuen HSV-Coaches Christian Gaudin scheinen Hens zu helfen. „Pascal ist ein sehr wichtiger Spieler für mich, das habe ich schon vor der Saison gesagt“, erklärt der Franzose. „Er ist der Kapitän und hilft uns mit seiner Erfahrung. Wenn er ins Spiel kommt, übernimmt er sofort Verantwortung und macht Druck. Er hat eine hohe Präsenz.“ Gaudin fordert Hens auch mit Experimenten. Gegen die Füchse Berlin (33:25) stellte er ihn zeitweise als Spielmacher auf. Und Hens überzeugte mit seinem Spielverständnis. Wobei ein ganz Vollendeter wird der 199-fache Nationalspieler nicht mehr: „In der Abwehr war ich immer eine Wurst“, sagt Hens.

Er ist die große Integrationsfigur beim HSV. Wenn die HSV-Profis auf Kinopromotour im Cinemaxx sind, dann wird Hens zum Entertainer, begrüßt die Zuschauer mit einem grölenden „Halloohoo, wir sind’s“. In seinem Sommerurlaub 2014 in der Türkei telefonierte er fast im Stundentakt in die Heimat, um als Vermittler den Finanz-K.-o. des HSV abzuwenden. Er hat einen Draht zu allen im Club, gilt als einer von Andreas Rudolphs Lieblingen. Der Mäzen („Pommes, du sollst deine Karriere bei uns beenden!“) hatte einst den Fünfjahresvertrag des Topverdieners verfügt.

Und die Zukunft? „Es gab bislang keine Gespräche über einen neuen Vertrag. Aber ich fühle mich noch in der Lage, Handball zu spielen und weiß natürlich, dass ich nicht mehr dasselbe Geld erhalten würde. Und ich biete mich nicht in der ganzen Welt an. Ich bin seit elf Jahren beim HSV, und wir haben unser Häuschen in Niendorf“, sagt der zweifache Familienvater. Seine Tochter Mila Juliane wurde im Oktober geboren. Sicher ist: Einer wie er würde dem HSV fehlen. „Pommes“, wie er einst wegen seiner dünnen Arme getauft wurde, ist längst eine Marke. Wer auf seine Homepage klickt, hört den Slogan: „Willkommen in meiner Pommesbude.“

Der Mann hat Humor, keine Frage. Als ihm jüngst im Cinemaxx seine 0,75-Liter-Cola geklaut wurde, versah er den nachbestellten Pappbecher per Edding mit: „POMMES! HERPES!!!“

Für das Spiel gegen den Bergischen HC fallen die Kreisläufer Henrik Toft Hansen (Siebbeinbruch unter dem linken Auge) und Tim-Oliver Brauer (Außenbandanrisse am linken Knöchel) sowie Rechtsaußen Stefan Schröder (Einbruch im Knochen des linken kleinen Fingers) aus. Toft Hansen wird am Mittwoch operiert und muss drei Tage im Krankenhaus bleiben.