HSV-Handballern gelingt mit 31:30 gegen MT Melsungen der erste Heimsieg der Saison. Simicu erneut bester Werfer

Hamburg. Zu dem neuen Einlaufsong „Zuhause“ von Adel Tawil streikte diesmal einer der zwei Flammenwerfer, durch die die HSV-Handballer Spalier laufen. Ganz so, als hätte es Lady Gaga am Vorabend in der O2 World mit ihrer Pyrotechnik übertrieben. Zum Glück reckte sich schnell ein pfiffiger junger Mann, der das Gas wie an einem Campingkocher andrehte. Die Show konnte beginnen. Ein schlechtes Omen war die Panne nicht. Vielmehr brannte das wahre Feuerwerk in den 60 Spielminuten auf dem Parkett ab: Dieser 31:30 (18:15)-Erfolg gegen die unangenehm zu spielende MT Melsungen war nicht nur der ersehnte erste Heimsieg im vierten Anlauf, die Partie bot Drama, Brutalität, einen Alexandru Simicu „on fire“ und einen ausgebufften „Jogi“ Bitter am Rande der Sportlichkeit.

Letzteres kam so: Der HSV führte 32 Sekunden vor Schluss 31:30, vertändelte vorne den Ball, sodass sich Keeper Bitter (insgesamt 15 Paraden) einem letzten Melsungener Angriff ausgesetzt sah. Der 32-Jährige warf aber nach einer Unterbrechung gewieft den Ball weg, provozierte mit dem Zeitspiel eine Zwei-Minuten-Strafe. Derweil war die Hallenuhr auf 59:59 Minuten getickt. Den Nordhessen verblieb in einer Schlussphase zum Nägelknabbern ein einziger Freiwurf; U23-Keeper Justin Rundt kam so zu einem einsekündigen Einsatz. Eine Zuschauerin mit Schnappatmung kreischte die HSV-Mauer an: „Hände hoooooch!“ Doch Melsungens Felix Danner jagte den Freiwurf weit übers Tor. Kollege Johannes Sellin war so erhitzt, dass er vor den Schiedsrichtern eine Geldschein-Geste mit reibenden Fingern machte. Dabei sollte doch bekannt sein, dass die Portokasse der Hamburger leer ist.

Der HSV jedenfalls ließ sich davon seine Freude über den ersten Heim-Zweier nicht nehmen. Trainer Christian Gaudin nannte Bitters Aktion „eine Anekdote“. Ähnlich poetisch sagte sein Landsmann Kentin Mahé über die jüngsten zwei Siege in Folge: „Im Französischen sagt man: Der Wind hat sich gedreht.“ Der Schlüsselsatz aus Gaudins Analyse lautete: „Wir haben nicht den Kopf verloren!“ Wie beim 34:28 in Lübbecke lagen die HSV-Profis stets in Front, meisterten jede brenzlige Situation, ohne einzubrechen. In den sechs sieglosen Spielen zuvor hatten sie zwar vielversprechende Phasen gezeigt, aber eben am Ende den Kopf verloren.

Und es scheint sich noch ein weiterer Satz zu bewahrheiten, den Gaudin mantraartig sagt: „Wir brauchen einfach Zeit.“ Gaudin ist erst zwei Monate mit seinem ziemlich neu zusammengewürfelten Team zusammen, nach der zweiwöchigen Pause und weiteren akribischen Trainingseinheiten zweimal täglich, die die Profis so nicht gewohnt waren, sind die Verbesserungen offensichtlich. Gaudin hat inzwischen die Stammformation seines Vertrauens.

Die Spielweise scheint ein Kompromiss zwischen dem mehr auf taktische Schemata setzenden Angriffsspiel unter Vorgänger Martin Schwalb und dem eher intuitiveren französischen Ansatz. „Wir sind eingespielter, wir zeigen Kreuzungen, verlassen unsere Räume. Und wir haben heute Lücken gerissen, in die ‚Pommes‘ reinfliegen konnte“, sagte Bitter. Kapitän Pascal Hens, dessen Körper man sein Handballerleben ansieht, war bei seiner Teilzeitarbeit in Hälfte zwei mit fünf Toren einer der Erfolgsgaranten. Der 34-Jährige sagte über die Teamleistung: „Man sieht gute Fortschritte. Der Ball fließt besser.“

Hens ist der Back-up für den Rückraum-Neuzugang Alexandru Simicu, der auch ein „Bombenspiel“ machte, wie es Hens ausdrückte. Der Rumäne war mit seinen allesamt in der ersten Hälfte erzielten sieben Toren erfolgreichster HSV-Werfer. Und es hätten noch mehr sein können, hätten sich die gefürchteten Müller-Zwillinge Philipp und Michael ihn im zweiten Spielabschnitt nicht vorgeknöpft. „Ich habe einen Schnitt im Mund bekommen, meine Finger und Beine schmerzen“, zählte Simicu später seine Verletzungen auf. „Aber das ist mein Job.“ Mittwoch in Magdeburg, an seinem 26. Geburtstag, ist er „auf jeden Fall“ wieder dabei.

Tore, HSV: Simicu 7, Lindberg 6 (3), Mahé 5, Hens 5, Pfahl 5, Flohr 2, Toft Hansen 2, Schmidt 1; Melsungen: Danner 7, Allendorf 5 (1), Fahlgren 4, Vukovic 4, Sellin 3 (2), P. Müller 3, Schröder 2, Boomhouwer 1, M. Müller 1. SR: Fleisch/Rieber (Ostfildern/Nürtingen). Z.: 5345. Zeitstrafen: 3; 2.