HSV Hamburg verliert gegen HSG Wetzlar mit 28:31 sein viertes Bundesligaspiel in Folge

Hamburg. Von den HSV-Handballern gab es an diesem Sonnabend viel Positives zu berichten. Die A-Jugend siegte zum Auftakt der Bundesliga Nord beim TSV Anderten mit 35:22, die U23 gewann in der Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein in Hürup 33:25. Allein die Bundesliga-Mannschaft trübte einmal mehr die Stimmung im Verein, und das gehörig. Mit 28:31 (15:14) verlor der Champions-League-Sieger von 2013 gegen die HSG Wetzlar, das erste Mal in heimischer Halle nach fast zehn Jahren. Es war für die Hamburger die vierte Niederlage und das sechste sieglose Spiel in Folge. Eine längere Serie Misserfolge musste der HSV in jetzt 13 Jahren Erstklassigkeit noch nicht beklagen. Und es klang schon ein wenig nach Durchhalteparole, als Geschäftsführer Christian Fitzek hinterher Geduld forderte und Gelassenheit predigte: „Wir brauchen jetzt Zeit und Ruhe. Ich bin sicher, dass die Mannschaft dann den Bock auch umstoßen wird.“

Zeit bekommt das Team. Bis zum nächsten Pflichtspiel am 27. September beim TuS N-Lübbecke bleiben noch zwölf Tage, weil die Bundesliga wegen Länderspielen der Nationalmannschaft am nächsten Wochenende Pause macht. Auch Ruhe scheint möglich, weil es beim HSV keine Trainerdiskussion geben wird. „Christian Gaudin leistet gute Arbeit“, sagte Aufsichtsrat und Mehrheitsgesellschafter Matthias Rudolph. Sein Bruder, Hauptsponsor Andreas Rudolph, ist zu hören, denke ähnlich.

Nun haben Vertrauensbekundungen im Profisport meist ein kurzes Haltbarkeitsdatum, doch Zweifel am Coach sind bisher selbst hinter vorgehaltener Hand nicht zu hören. Kompetenz und Engagement sind beim Franzosen über jeden Zweifel erhaben. Auch neue Spieler wird es nicht geben. Fitzek schloss weitere Einkäufe „definitiv“ aus, was verständlich ist, weil schlicht das Geld für Verstärkungen fehlt. Zunächst muss die strukturelle Deckungslücke im Budget, rund 1,6 Millionen Euro inklusive etwa einer Million Euro Altschulden, geschlossen werden. Und vom drohenden Abstiegskampf will der Manager im Moment sowieso nichts wissen. „Abstiegskampf beginnt in der Rückrunde, vorher nicht“, entschied er.

Die Schuld an der Niederlage suchten viele beim HSV ohnehin woanders. Wie die Mehrzahl der Zuschauer sahen sie in den Schiedsrichtern Robert Schulze und Tobias Tönnies die Verantwortlichen. Von Ordnern und Regenschirmen geschützt, mussten sie nach Spielschluss in die Kabine eskortiert werden, zu groß und ungehalten war der Unmut des Publikums über die Pfiffe des Duos. „Ich muss in Deutschland noch viel lernen, vor allem die Sprache, auch einige andere Sachen“, sagte Gaudin und fügte süffisant hinzu, „ich hätte aber nicht gedacht, dass ich auch noch die Handballregeln neu lernen muss. Dieses Spiel habe ich nicht verstanden.“

Damit war er nicht der Einzige. Schulze und Tönnies wendeten oft zweierlei Maß an, tendenziell zum Nachteil der Hamburger. Grotesk war geradezu ihre Begründung, warum sie Mitte der zweiten Halbzeit ein Stürmerfoul an HSV-Rechtsaußen Hans Lindberg an der Mittellinie nicht ahndeten. „Der Gegenspieler hat dich nicht gesehen. Das war keine Absicht“, erklärten sie dem verdutzten Lindberg ihre eigenwillige Regelauslegung.

Die sei wirklich ein Problem, sagt der ehemalige Erstliga-Schiedsrichter und spätere -Obmann Franz Schuldt (Wandsbek 72), 73, ein regelmäßiger Besucher der HSV-Heimspiele: „Die Handballregeln sind nicht immer eindeutig. Es bleibt oft ein Interpretationsspielraum, zum Beispiel beim sogenannten passiven Spiel, wofür viele noch den Begriff Zeitspiel benutzen. Das erschwert die Aufgabe der Unparteiischen und fördert nicht gerade das Verständnis des Publikums.“ Dass sich der HSV in dieser Saison bereits mehrmals über die Schiedsrichter beklagt habe, könne er indes verstehen: „Da waren einige merkwürdige Pfiffe dabei.“

Später am Abend waren dann vermehrt selbstkritische Töne vom HSV zu hören. „Wir sind nicht so gut, wie wir sein sollten“, sagte Matthias Rudolph. In der 43. Minute führten die Hamburger 23:20, als die Wetzlarer anfingen, aggressiver und offensiver zu decken. Damit hatten die Hamburger bereits zu besseren Zeiten Probleme, jetzt erst recht. „Da müssen wir uns mehr einfallen lassen“, gab der Halbrechte Adrian Pfahl zu. Die beste Idee wäre es wohl gewesen, in den letzten 17 Minuten die klaren Torchancen zu nutzen und technische Fehler zu vermeiden. Das hätte mutmaßlich zum ersten Saisonsieg gereicht. „Es ist nicht zu verstehen, dass wir nicht in der Lage sind zu gewinnen“, klagte Torhüter Johannes Bitter.

„Wir werden in der Länderspielpause hoffentlich weitere Fortschritte machen können“, sagte Fitzek, der erneut um Verständnis für das Ausbleiben der erhofften Ergebnisse warb: „Wir hatten jahrelang eine S-Klasse. Die ist im Sommer zum Totalschaden gefahren worden. Nachdem wir danach die Hälfte der Ersatzteile weggeschmissen haben, bauen wir jetzt ein neues Auto. Es ist klar, dass wir damit nicht sofort auf Maximalgeschwindigkeit kommen.“

Tore, HSV: Simicu 7, Pfahl 7, Lindberg 6 (2) , Mahé 4, Toft Hansen 2, Flohr 1, Schmidt 1; Wetzlar: Tönnesen 9 (3), Rompf 4, Bliznac 4, Balic 4, Weber 3, Hahn 3, Laudt 2, Harmandic 1, Klesniks 1. SR: Schulze/Tönnies (Magdeburg/Dodendorf). Z.: 5768. 7-Meter: 4 (2 verwandelt); 4 (1). Zeitstrafen: 5; 5.