Neuer Trainer, neue Spieler, weniger Geld – Die Hamburger stehen vor der schwersten Bundesligasaison ihrer bisherigen Vereinsgeschichte.

Hamburg. Am Montagnachmittag wurde Christian Gaudin einmal mehr in Hamburg vor große Herausforderungen gestellt. Er sollte erkunden, wem der Brunnen im Innenhof des Rathauses gewidmet ist. Anne Zerfass, seine Deutschlehrerin, hatte dem 47 Jahre alten Franzosen gleich beim ersten Treffen diese Aufgabe gestellt. Die Lösung hatte Gaudin schnell parat: Hygieia, die griechische Göttin der Gesundheit, sorgt seit mehr als 100 Jahren am Regierungssitz der Stadt für die nötige Luftfeuchtigkeit und damit für ein gutes Klima in den Amtsstuben.

Das scheint auch beim Handball-Sport-Verein Hamburg wieder eingekehrt zu sein. Seit der Club am 1. Juli in dritter und letzter Instanz die Spielgenehmigung für die anstehende Bundesliga-Spielzeit erhielt, verbessert sich die Stimmung auf der Geschäftsstelle in der Volksbank-Arena von Tag zu Tag. Die Hoffnung ist mit jedem wiedergewonnenen Sponsor ein Stück mehr zurückgekehrt, den erzwungenen Neustart in die Zukunft einigermaßen heil überstehen zu können. Einer der Hoffnungsträger ist ebendieser Christian Gaudin, der neue Trainer, der nicht nur beim Deutschlernen äußerst zielstrebig vorgeht. „Seit ich in Hamburg bin, schaue ich nur deutsches Fernsehen“, sagt der Handball-Weltmeister von 1995 und 2001. Sechs Jahre lang spielte der Weltklassetorhüter in Hameln und Magdeburg von 1997 bis 2003 in der Bundesliga, und Anne Zerfass ist sich nach den Vorgesprächen sicher, „dass Christian bald gut Deutsch sprechen wird, weil er alles dafür Nötige tut“.

Wie akribisch und gewissenhaft Gaudin täglich seiner Arbeit nachgeht, hat die Mannschaft in den vergangenen vier Wochen erfahren dürfen. Immer wieder griff der Trainer korrigierend in die Übungseinheiten ein, wenn die Abläufe nicht seinen Vorstellungen entsprachen. Fünf Tage vor dem Saisonstart am Sonntag (15 Uhr) beim VfL Gummersbach glaubt Gaudin nun, dass sein Team trotz der für ihn „viel zu kurzen Vorbereitung” – fünf statt gewöhnlich sieben Wochen – und den personellen Veränderungen – sechs Profis gingen, vier kamen bisher – gewappnet ist für die wahrscheinlich schwierigste Saison der bisherigen Vereinsgeschichte.

Mit dem Rumänen Alexandru Viorel Simicu, 25, wie dem Schweden Richard Hanisch, 24, scheint er aber vor dem ersten Wurf noch jene Spieler für den zuvor unterbesetzten Rückraum gefunden zu haben, die dem 18-Mann-Aufgebot die nötige Qualität und Tiefe geben. Die Verhandlungen mit Hanisch, dessen Berater Ake Unger und Hanischs Verein Hammerby IF waren am Montag jedoch nicht abgeschlossen.

„Mit diesen beiden Neuzugängen würde die Struktur des Teams stimmen“, sagt Gaudin, „mit diesem Kader können wir in die Saison gehen.“ Sollte er weitere Korrekturen für nötig befinden, hofft der Coach, Ende des Jahres noch reagieren zu können. Der von zuletzt 9,6 Millionen auf sechs Millionen Euro reduzierte Etat begrenzt allerdings allzu üppig sprießende Fantasien.

Die Saison beginnt für den HSV mit den Begegnungen in Gummersbach, zu Hause gegen Hannover und Kiel und im Frankfurter Fußballstadion am „Tag des Handballs“ gegen Vizemeister Rhein-Neckar Löwen nicht nur mit sportlich hohen Hürden, auch wirtschaftlich spielt die Terminplanung der Bundesliga den Hamburgern nicht in die Hände.

Dass der HSV am ersten Doppelspieltag gleich zwei Heimspiele austragen muss – Freitag, 29. August (19.45 Uhr), gegen Hannover-Burgdorf, Sonntag, 31. August (17.15 Uhr), gegen Kiel –, ist, vorsichtig ausgedrückt, für den Verein eine kapitale Herausforderung. Die Werbekampagnen konnten erst in den Hamburger Schulferien gestartet werden, der Dauerkartenverkauf musste während der Turbulenzen um die Lizenzerteilung im Mai und Juni zwischenzeitlich sogar gestoppt werden.

Hinzu kommt: Die ersten Saisonspiele im Spätsommer, wenn es abends noch hell ist, lassen sich traditionell schwer verkaufen. Schon im vergangenen Jahr war die O2 World am zweiten Bundesligaspieltag beim Gipfeltreffen des damaligen Champions-League-Siegers gegen den deutschen Rekordmeister Kiel das erste Mal seit sieben Jahren nicht ausverkauft. Kämen diesmal gegen die mit Abstand beste Bundesligamannschaft – mit den ehemaligen HSVern Domagoj Duvnjak und Joan Cañellas – wenigstens diese 11.569 Zuschauer, wären alle beim HSV hochzufrieden. Der Vorverkauf lässt allerdings einen weit geringeren Zuspruch erahnen. Nicht einmal 7000 Tickets wurden bislang geordert, die etwa 4000 Dauerkartenkunden bereits eingerechnet. Für das Freitagsspiel gegen Hannover liegt die Nachfrage noch erheblich darunter. Wer indes hinter dieser Ansetzung einen Racheakt der Handball-Bundesliga (HBL) wegen der finalen Niederlage vor dem Schiedsgericht vermutet, hat seine Rechnung ohne den Computer gemacht. Bei der Erstellung des Spielplans wurden den 19 Clubs Nummern zugelost. Der HSV zog die zwei. Im Verein wäre man wahrscheinlich froh, wenn am Ende der Saison der Tabellenplatz ebenfalls einstellig wäre.

„Im November hätten wir für beide Spiele vermutlich 30 bis 40 Prozent mehr Karten absetzen können“, sagt der neue Geschäftsführer Christian Fitzek, „aber jammern hilft nicht, nur hart arbeiten. Und das tun wir, Mannschaft und Geschäftsstelle. In dieser Saison, das ist unsere Hauptaufgabe, wollen wir uns konsolidieren, neue Pfade erschließen, personell wie wirtschaftlich.“ Erst danach könne man die Planungen für die nächsten Jahre angehen. Wie weit der ehemalige Präsident Andreas Rudolph, 59, dann noch mitspielt, hängt wahrscheinlich vom Erfolg dieser Saison ab. „Wir wollen eine schwarze Null schreiben“, sagt Fitzek. Das ist vielleicht das ehrgeizigste Ziel seit Jahren.