Der neue HSV-Trainer ist von seinem Kader überzeugt. Zwei Talente erhalten Einjahresverträge. Nachwuchs- wird zusätzlich Athletikcoach. 16 Profis stehen unter Vertrag, zwei weitere könnten kommen.

Hamburg. Sollte sein fester Händedruck Entschlossenheit und Entscheidungsfreudigkeit widerspiegeln, Christian Gaudin wäre allein schon deswegen eine ausgesprochen gute Wahl, um die kriselnden HSV-Handballer neu zu erfinden. Genau dafür hat ihn der Club schließlich engagiert. Überhaupt überzeugt sein Auftreten, freundlich, dennoch bestimmt, höflich, aber nicht anbiedernd. Der 47 Jahre alte Franzose war einer der besten Torhüter der Welt, 1995 und 2001 Weltmeister, 2002 Champions-Lague-Sieger mit dem SC Magdeburg, und glaubt man seinen Weggefährten wie dem ehemaligen HSV-Kapitän Guillaume Gille, 38, gehört er auch als Trainer zu den Besten seines Fachs. Das habe er in Saint-Raphaël acht Jahre lang trotz eher bescheidener finanzieller Möglichkeiten bewiesen. Erst führte er den Club aus der Zweiten in die Erste Liga, später in den Europapokal.

Ende dieser Woche hat sich Gaudin für drei Tage in Hamburg vorgestellt, einen Einjahresvertrag beim HSV unterschrieben („Ich würde gern länger bleiben“), sich Trainings- und Spielbedingungen in den Arenen im Volkspark angesehen, sie als „beeindruckend, ausgezeichnet, einfach als formidabel“, empfunden und mit den ersten beiden Spielern seiner neuen Mannschaft, den Außen Stefan Schröder und Matthias Flohr, Kontakt aufgenommen. Andere sind derzeit nicht vor Ort.

Gaudin tritt die Nachfolge des Publikumslieblings Martin Schwalb, 51, an, und er weiß um die Schwere des Erbes, weil nach den Turbulenzen der vergangenen zwei Monate, nach vorübergehendem Lizenzentzug und finaler Lizenzerteilung im allerletzten Moment, beim HSV nichts mehr so ist, wie es unter Schwalb neun Jahre lang war. Mit den Spielmachern Domagoj Duvnjak und Joan Cañellas haben nicht nur zwei der besten Torschützen und Vorbereiter den Verein zum deutschen Meister THW Kiel verlassen, der HSV hat mit diesen beiden Weltklassespielern auch sein sportliches Rückgrat verloren. Prognosen, was die Mannschaft in dieser Saison erreichen könnte, verweigert Gaudin dann auch beharrlich: „Wir werden wahrscheinlich nicht Erster – und hoffentlich nicht Letzter.“

Er müsse jetzt erst einmal das Team im täglichen Umgang kennenlernen, ausführlich mit den Spielern sprechen, „erst danach werden wir gemeinsam unsere Ziele festlegen. Aber wir haben immer noch einen sehr guten Kader. Wenn alle gesund bleiben, scheint mir hier einiges möglich.“ Interimspräsident Frank Spillner, 47, hatte sich vor einer Woche da schon präziser festgelegt. Platz fünf solle wohl immer noch machbar sein. In der vergangenen Saison war der HSV am Ende Tabellenvierter geworden und hatte sich für den EHF-Europapokal qualifiziert.

Am liebsten würde Gaudin sofort mit seiner Arbeit loslegen. Am 23. August startet die neue Bundesligasaison. Er sei es gewohnt, seine Mannschaften bis zu acht Wochen auf eine neue Spielzeit vorzubereiten. Diesmal müsse nun alles viel schneller gehen. Der für den 21. Juli geplante Trainingsstart lasse sich nicht vorziehen, weil die meisten Spieler bis zum 20. Juli mit ihren Familien im Urlaub sind. Er selbst werde wieder am 18. Juli in Hamburg sein und diejenigen, die schon aus den Ferien zurückgekehrt sind, umgehend zum Training bitten. Gaudins Familie – Ehefrau Sophie, eine Lehrerin, die Handball spielenden Söhne Thomas, 20, Clement, 17, und Noah, 15 – bleibt vorerst in Saint-Raphaël an der Côte d’Azur.

Geht der HSV mit 18 Profis in die Saison?


16 Spieler stehen beim HSV für die neue Saison unter Vertrag, und es könnten noch ein, zwei mehr werden, sollte der Markt auf den unterbesetzten Rückraumpositionen ein Schnäppchen hergeben. Im stark reduzierten Etat, knapp sechs Millionen statt der zuletzt 9,6 Millionen Euro, scheint es offenbar noch kleine Spielräume zu geben. „Wir werden keinen Weltstar holen können. Diese Zeiten sind erst einmal vorbei. Wäre jedoch ein erfahrener Spieler zu günstigen Konditionen zu haben, würden wir wahrscheinlich aktiv“, sagt HSV-Sprecher Michael Freitag.

Auch wenn der Club dann mit 18 Profis erneut einen überaus üppigen Kader hätte, unterschiede der sich doch von dem Ensemble der Weltstars, das in der vergangenen Serie die hohen Erwartungen nicht erfüllte. Diesmal, und das ist die neue, glaubwürdige Strategie, soll der Nachwuchs wirklich eine Chance erhalten. Mit Junioren-Nationalspieler Alexander Feld, 21, vom Zweitligaclub SC DHfK Leipzig und Tim Stefan, 19, aus der eigenen U23 haben jetzt auch zwei Talente einen Einjahresvertrag unterschrieben. Stefan soll zudem beim Zweitliga-Aufsteiger SV Henstedt-Ulzburg Spielpraxis sammeln.

Um die Verzahnung zwischen Profis und denen, die es werden wollen, zu gewährleisten, rückt Nachwuchscoach Rosario Cassara, 36, näher ans Bundesligateam. Er wird künftig statt Oliver Voigt das Krafttraining leiten und die Mannschaft ins Vorbereitungsscamp ins österreichische Sölden (27. Juli bis 3. August) begleiten. Jens Häusler, 46, bleibt U23-Coach (Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein). Ob er wie unter Schwalb auch als Co-Trainer arbeiten soll, will Gaudin später entscheiden. Bislang traut der sich den Job allein zu.

Der Kader des HSV Hamburg für die Saison 2014/15: Tor: Johannes Bitter, 31, Max-Henri Herrmann, 20; Rechtsaußen: Hans Lindberg, 32, Stefan Schröder, 32, Kevin Herbst, 20; Rückraum rechts: Adrian Pfahl, 31; Rückraum Mitte: Kentin Mahé, 23, Alexander Feld, 21; Rückraum links: Pascal Hens, 34, Petar Djordjic (verletzt), 23, Tim Stefan, 19; Linksaußen: Torsten Jansen, 37, Matthias Flohr, 32; Kreisläufer: Henrik Toft Hansen, 27, Andreas Nilsson, 24, Davor Dominikovic, 36.