Nach der Lizenzerteilung haben die HSV-Handballer noch fünf Tage Zeit, um fünf Millionen Euro aufzubringen

Hamburg. Die krachende Niederlage des Vorabends war auch am Donnerstagmorgen noch nicht überwunden. „Wir halten die Nichterteilung der Lizenz aufgrund der fehlenden Liquidität für richtig. Zu dieser Entscheidung stehen wir nach wie vor“, ließ die Handball-Bundesliga (HBL) in einer Stellungnahme wissen. Acht Stunden hatte sie in Minden vergeblich für ihren Standpunkt gekämpft. Doch am Ende hatte das eigene Schiedsgericht dem Einspruch des HSV Hamburg in allen Punkten recht gegeben und die Liga in letzter Instanz verurteilt, dem Verein die zweimal verweigerte Lizenz unter Bedingungen zuzusprechen.

Dass sich die HBL zu einer Rechtfertigung genötigt fühlte, ist verständlich. Ihr neues Lizenzierungsverfahren ist bei der ersten Belastungsprobe in sich zusammengebrochen und hinterlässt eine ganze Reihe von Verlierern. HBW Balingen-Weilstetten und die HG Saarlouis müssen durch das Urteil in die Zweite und Dritte Liga absteigen. Ihren Zorn bekam die Liga am Donnerstag zu spüren. HBW-Geschäftsführer Bernd Karrer sprach im „Schwarzwälder Boten“ von einem „Schlag ins Gesicht für alle Clubs, die wirtschaftlich vernünftig arbeiten“. Der MT Melsungen, das den sicher geglaubten Europapokalplatz nun doch wieder an den HSV zurückgeben muss, erwägt sogar zivilrechtliche Schritte.

Leidtragende sind aber auch die Hamburger selbst. Ihnen bleibt zwar der Absturz in die Dritte Liga vorerst erspart. Allerdings sind dem letztjährigen Champions-League-Sieger viel Prestige und wertvolle Wochen bei der Planung der Zukunft verloren gegangen. „Die Liga hätte uns schon in zweiter Instanz die Chance geben müssen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nachzuweisen und damit die Lizenzfähigkeit herzustellen, das hat das Schiedsgericht eindeutig festgestellt“, sagt HSV-Vizepräsident Frank Spillner. „So ist uns erheblicher Schaden entstanden.“

Die Galgenfrist, die das Schiedsgericht dem HSV gesetzt hat, ist knapp bemessen. Bis Dienstag, 17 Uhr, müssen etwa fünf Millionen Euro liquide Mittel oder entsprechende Sponsorenverträge nachgewiesen werden. Davon dürfte etwa die Hälfte für die Deckung offener Kosten der abgelaufenen Saison zu verwenden sein. Die andere Hälfte entfiele auf die Sicherung des Spielbetriebs in der kommenden Serie.

Wie der Betrag aufgebracht wird, dazu werden beim HSV grundsätzlich zwei Möglichkeiten geprüft. Die eine ist, mithilfe von Investoren und Sponsoren, durch Sparmaßnahmen und Stundungen ans Ziel zu kommen. Ansätze gibt es bereits. So soll Alexander Otto bereit sein, mit etwa 500.000 Euro einzusteigen. Der Unternehmer (ECE) und Sportmäzen hatte die Handballer schon einmal mit 200.000 Euro unterstützt. Einen namhaften sechsstelligen Betrag würde wohl auch Jürgen Hunke, sportaffiner Verleger und Theaterbetreiber, einbringen.

Hinzu kommen klassische Sponsoring-Einnahmen. Etwa 500.000 Euro bringt dem Vernehmen nach das Engagement des „Diamant-Partners“ AOK Rheinland/Hamburg. Weitere rund 600.000 Euro soll der frühere Lufthansa-Vorstandschef Jürgen Weber eingeworben haben. Er hatte dem HSV schon in der Vergangenheit mehrere namhafte Großunternehmen (Germanwings, Deutsche Post, Deutsche Bahn) als Partner vermittelt.

Zu einem solchen Rettungspaket müssten aber auch Kostensenkungen gehören. Der Verzicht der Spieler auf einen der beiden weiter ausstehenden Monatsgehälter für April und Mai (jeweils rund 500.000 Euro) war von der Liga als nicht werthaltig erachtet worden, weil er unter dem Vorbehalt einer Lizenz ohne Auflagen gestanden haben soll. Hier ließe sich wohl nachbessern. Zu erwägen wäre darüber hinaus, weitere Spieler zu verkaufen. Kreisläufer Andreas Nilsson hat angeblich bereits einen Vorvertrag beim ungarischen Spitzenclub MKB Veszprém unterschrieben, der HSV aber noch keine Freigabe erteilt. Möglicherweise sind außerdem Gläubiger zum Verzicht bereit. Allein bei der O2 World soll der HSV mit rund 100.000 Euro in der Kreide stehen, Außenstände gibt es auch bei weiteren Dienstleistern des Clubs.

Der größte Vereinsgläubiger ist Andreas Rudolph. Der einstige Präsident und Mäzen gewährte dem HSV über sein großzügiges privates und unternehmerisches Millionenengagement hinaus Darlehen in Höhe von mindestens zwei Millionen Euro. Solange die Forderungen offenbleiben und Rudolphs Bruder Matthias den Hauptanteil an der Spielbetriebsgesellschaft hält, werden sich neue Investoren kaum zu einem Engagement bewegen lassen.

Viel wahrscheinlicher ist deshalb – auch in Anbetracht der Kürze der Frist –, dass Andreas Rudolph selbst für den Betrag geradesteht. „Ohne ihn kann es eine Lösung meines Erachtens nicht geben“, sagt Frank Spillner, der das Präsidentenamt seit Rudolphs Rücktritt am 8. Mai kommissarisch bekleidet. Er gehe davon aus, dass der Medizintechnikunternehmer (GHD GesundHeits GmbH Deutschland) sich weiter beim HSV engagiere, auch längerfristig.

Zweifel sind angebracht. Rudolph ließ im Interview mit dem Radiosender NDR 90,3 wenig Lust auf ein Comeback erkennen: „Ich bekleide kein Amt mehr und lehne es ab, immer die Verantwortung zu haben. Der HSV hat es nun selbst in der Hand.“ Ob GHD nach dem Verkauf der Mehrheitsanteile an eine Private-Equity-Gesellschaft weiter mit bis zu zwei Millionen Euro für den HSV als Hauptsponsor einsteht, ist ebenfalls ungewiss. Und zu den Lizenzauflagen gehört auch, dass der HSV nächstes Jahr weitere Sponsorengelder einwirbt. Dies wird aber im Verein als unkritisch betrachtet. Eine Patronatserklärung oder Bankgarantie Rudolphs, das soll sein Bruder Matthias Mittwochabend seinen HSV-Kollegen klargemacht haben, werde es ohnehin nur unter einer Bedingung geben: Dann müsse binnen einer Woche die „öffentliche Reinwaschung“ seines Bruders erfolgen. Andreas Rudolph hatte seinen Rücktritt damit begründet, dass in „teilweise respektloser und vollkommen unrichtiger Weise“ über ihn berichtet worden sei.

Das geringste Problem scheint da der Kader für die neue Bundesligasaison. Acht Profis stehen derzeit noch unter Vertrag, weitere drei oder vier erstklassige zu finden, glaubt Trainer Martin Schwalb, sei angesichts der Marktlage schwierig, aber nicht unmöglich.