Die HSV-Handballer bevorzugen einen Neustart in der Dritten Liga – ohne die Rudolph-Brüder

Hamburg. Die Sorgen seines Alltags bei den HSV-Handballern konnte Holger Liekefett am Sonntag für 90 Minuten vergessen. Beim Benefizspiel „Kicken mit Herz“ trat der Geschäftsführer mit einer Prominentenauswahl gegen ein Ärzteteam an. Der Erlös kommt der Kinder-Herz-Station des UKE zugute. „Eine ganz wichtige Sache“, sagte Liekefett, „die zeigt, wie zweitrangig bestimmte Dinge sind.“

Fürwahr, um Leben und Tod geht es an diesem Mittwoch im Mindener Hotel Holiday Inn nicht. Auf dem Spiel steht lediglich die Zukunft eines Vereins, der noch vor einem Jahr der beste Europas war. Von 13 Uhr an verhandelt das Schiedsgericht der Handball-Bundesliga (HBL) in dritter und letzter Instanz über den Einspruch des HSV gegen den Lizenzentzug. Kippen der Vorsitzende Frank Lau (Stade) und die Beisitzer Rainer Cherkeh (Hannover) und Jürgen Punke (Kiel) die einstimmige Entscheidung des Gutachterausschusses und der Lizenzierungskommission, würden die Hamburger eine Lizenz unter Bedingungen bekommen. Andernfalls wären Insolvenz und Zwangsabstieg des letztjährigen Champions-League-Siegers in die Dritte Liga besiegelt.

Vielen im Verein scheint ein radikaler Neuanfang mittlerweile das kleinere Übel zu sein. Denn bei einem erfolgreichen Einspruch droht der Schrecken weiterzugehen, der mit dem Rückzug des Mäzens und Präsidenten Andreas Rudolph am 8. Mai seinen Anfang genommen hatte. Die Unwägbarkeiten, die der HSV als Bürde in die 13. Bundesligasaison der Vereinsgeschichte mitnähme, wären gewaltig. Aktuell belaufen sich die Verbindlichkeiten ohne die Darlehen von Andreas Rudolph auf 2,75 Millionen Euro, die Insolvenz und damit der Zwangsabstieg stehen im Raum.

Ob der Ahrensburger Hauptsponsor GHD sein Engagement fortsetzt, ist fraglich – die Mehrheitsanteile wurden gerade an einen schwedischen Investor verkauft. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssten dringend Spieler verpflichtet werden. Vor allem aber bliebe die Abhängigkeit von den mittlerweile in Ungnade gefallenen Rudolphs bestehen. Andreas, 59, hat den Verein über Millionendarlehen im Griff. Matthias, 56, ist Hauptgesellschafter der Spielbetriebs-GmbH & Co. KG. Er soll inzwischen aber bereit sein, seine Geschäftsanteile von 200.000 Euro abzugeben. Neue, Rudolph-unabhängige Investoren wären wohl nur zu finden, wenn der einstige Mäzen auf seine Forderungen verzichtet – oder der Spielbetrieb auf eine neue Gesellschaft übergeht. Zwei konkrete Interessenten gibt es bereits: Jürgen Hunke, 71, Unternehmer, Verleger und Theaterbetreiber, würde sich gern über seine Mitgliedschaft im Kuratorium hinaus beim HSV engagieren: „Nur im Verein, auch in der Dritten Liga, jedoch nicht in einer GmbH. Mein Anliegen ist vor allem die Jugendarbeit.“ Auch Sportmäzen Alexander Otto, 46, soll Bereitschaft signalisiert haben, dem Verein auf die Beine zu helfen.

Ein Scheitern vor dem Schiedsgericht könnte den Erneuerungsprozess also beschleunigen. HSV-Anwalt Thomas Summerer sieht allerdings gute Argumente für sein Anliegen: „Der HBL ist ein Kapitalfehler unterlaufen. Wenn einem Verein Geld fehlt, erfolgt die Lizenzerteilung unter Auflagen oder Bedingungen. Eine Lizenzverweigerung kann nur das letzte Mittel sein.“ Ein Sportverband habe auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den Clubs und müsse ihnen Lösungswege aufzeigen. Dies habe die Liga versäumt. Dem hält HBL-Geschäftsführer Holger Kaiser entgegen, dass man den HSV mehrmals auf die Anforderungen der neuen Lizenzierungsrichtlinien hingewiesen habe. Fehle es einem Club an Liquidität und sei das Vermögen negativ, werde die Lizenz nicht erteilt.