Die zog 26-Jährige nach Hamburg, um dem Team nahe zu sein. Ihr Stammplatz in der Halle ist in der ersten Reihe hinter „Jogi“ Bitters Tor. Jetzt bangt sie um ihre große Liebe.

Hamburg. Steffi Poloczek hat in letzter Zeit viel geweint. „Ich möchte gar nicht erst von den schlaflosen Nächten erzählen“, sagt die 26-Jährige. Poloczek ist HSV-Handball-Fan. Und wohl der verrückteste. Nur wegen des HSV zog einst extra von Spremberg aus der Nähe von Cottbus nach Hamburg. „Ich bin gar kein Großstadtmensch, aber für meine Jungs mache ich alles.“ Neulich nahm sie sogar Geschäftsführer Liekefett ins Gebet: „Du, Holger, wenn ein Banküberfall geplant ist, bin ich die Erste, die mitmacht.“

Steffi Poloczek kann lachen, wenn sie solche Anekdoten erzählt, aber: „Im Moment leide ich viel. Ein Leben ohne den HSV Handball, wie soll das funktionieren?“ Ihre kleine Dachgeschosswohnung in Alsterdorf ist ein kleines HSV-Handball-Museum. Die Hardcore-Anhängerin besitzt allein 17 Trikots, elf Vereinsschals, sie laminiert jedes Poster, hat zig Autogrammkarten, Tassen, sogar ein selbst gefertigtes HSV-Handball-Frühstücksbrettchen. Ihre zweite Leidenschaft ist das Malen und Zeichnen. Hinter ihrer Staffelei hängen Porträts aller HSV-Handballer und spezielle Mangas von Domagoj Duvnjak, gleich daneben etwa fünf gemeinsam mit Duvnjak geschossenen Selfies.

„,Dule‘ ist ein sehr herzlicher Mensch, sehr aufmerksam und sehr sensibel“, sagt sie. Ihm hat sie kürzlich zum Geburtstag ein Ölporträt von ihm geschenkt. Bei anderer Gelegenheit gab’s schon mal ein Seidenmalerei-Kissen. Sie vergisst nie einen Geburtstag ihrer Lieblinge. Besonders hat es ihr die Kroaten-Connection angetan, „Dule“, Davor Dominikovic, Blazenko Lackovic. Über ihrer Schlafcouch stehen kroatische Fähnchen im Regal. Sie lernt die Sprache an der Volkshochschule.

Ihr erster Lieblingsspieler war aber Torsten Jansen. „Toto fand ich bei der WM 2007 total sympathisch.“ So wurde die Brandenburgerin HSV-Handball-Fan. Zunächst nur vor dem Fernseher. 2011 nach dem deutschen Meistertitel war klar: Sie will das Team unbedingt live erleben. Kurzerhand zog sie nach Hamburg. Ein Job fand sich auch: in einem Viersternehotel, damals war sie noch Restaurantfachfrau. Inzwischen studiert Polaczek an einer privaten Hochschule Sozialpädagogik. Die BAföG-Empfängerin investiert all ihr Erspartes in Auswärtsfahrten und Fanartikel. Sie sagt: „Für den HSV Handball lebe ich über meine Verhältnisse.“

Ihr Stammplatz in der Halle ist in der ersten Reihe hinter „Jogi“ Bitters Tor. Sie hat seit 2011 kein Heimspiel verpasst. „Dafür müssen auch mal Geburtstage bei den Eltern ausfallen.“ Mitglied in einem der vier Fanclubs ist sie nicht, sie macht lieber ihr eigenes Ding. Seit etwa drei Monaten darf Poloczek zudem eine der drei vereinseigenen Trommeln schlagen.

Steffi Poloczek wird sehr ernst beim Gedanken daran, dass ihr HSV Handball insolvent gehen und keine Lizenz für die nächste Bundesligasaison kriegen könnte. Sie hofft so sehr, dass es bald eine Lösung geben wird, dass alle, die sich jetzt so erbittert streiten, noch einmal zueinanderfinden. Und sie weiß, dass ihre Jungs genauso bangen und für den Verein leben wie sie.

„Das sind Menschen, die man auch so mögen würden, auch wenn sie keine Handballer wären.“ Sie verzeiht sogar Duvnjak den Wechsel im Sommer zum THW Kiel. Obwohl die Nachricht sie vor einem Jahr „jede Menge Tränen“ kostete. Dass es den HSV Hamburg in der kommenden Saison nicht mehr geben könnte, will Steffi Poloczek nicht einmal in Betracht ziehen. „Stell dir vor: Das, wofür du überhaupt existierst, das, wonach du dein Leben ausrichtest, das, wofür du morgens deinen Wecker stellst, soll auf einmal weg sein. Ich wüsste nicht weiter.“