Nach dem Rücktritt von Präsident Rudolph muss bis 22. Mai der Lizenzantrag nachgebessert werden. Und die Insolvenz droht weiter

Hamburg. Als der Handball-Sport-Verein, kurz: HSV Hamburg am 18. November in Frankfurt am Main den neuen Lizenzierungsrichtlinien der Bundesliga zustimmte, konnte niemand ahnen, dass dies ein halbes Jahr später zur Existenzfrage werden würde. An diesem Donnerstag findet das neue Verfahren erstmals Anwendung, und aufgrund der bislang vorliegenden Unterlagen würde der noch amtierende Champions-League-Sieger keine Lizenz für die neue Saison erhalten.

Die Bundesliga mag eine Ahnung davon gehabt haben, als sie bereits vor zwei Wochen nach Hamburg zu einer Informationsveranstaltung lud, auf der Geschäftsführer Holger Kaiser am Dienstag das von ihm entwickelte Verfahren ausführlich erläuterte: warum man jetzt ganzjährig Einblick in die wirtschaftliche Entwicklung der Clubs habe, für mehr Gerechtigkeit im Wettbewerb sorge, neue Steuerungsmöglichkeiten beim Finanzgebaren an die Hand bekomme und deutlich weniger Zeit für eine Entscheidung brauche.

Vergleichsweise unbedeutend erscheint da die Neuerung, dass Patronatserklärungen künftig keine Anerkennung mehr finden. Andreas Rudolph hatte eine solche in den vergangenen neun Jahren stets den Unterlagen des HSV beigefügt und dem Club, den er als Präsident und Mäzen mit Millionenbeträgen stopfte, so die Lizenz gesichert. Künftig müsste schon eine Bankbürgschaft oder eine Bankgarantie eingereicht werden, um das zu erwartende Minus abzusichern.

Dass der HSV ein solches Dokument noch am Mittwoch vorlegen kann, scheint ausgeschlossen. Rudolph hatte bei seinem Rücktritt am vergangenen Donnerstag erklärt, künftig über sein Sponsoring-Engagement mit der Medizintechnik-Firma GHD hinaus keine Sonderzahlungen mehr an die Handballer zu leisten. Seine offizielle Begründung jedoch, die Berichterstattung und „auch die Reaktion innerhalb des HSV“ hätten ihn „verletzt“ und ihm „keine andere Wahl gelassen“, könnte nur die halbe Wahrheit sein.

Beim HSV wird spekuliert, ob Rudolph selbst einen Liquiditätsengpass hat

Im Verein wird bereits seit einiger Zeit spekuliert, ob der schwerreiche Unternehmer selbst in einem Liquiditätsengpass steckt. Entsprechende Andeutungen soll Rudolph gegenüber Vereinsvertretern gemacht haben. Es würde zumindest erklären, warum Anfang April erstmals seit Rudolphs Einstieg 2004 die Gehaltszahlungen zunächst ausgeblieben waren. Allerdings hätte man in diesem Fall sicherlich einen Weg finden können, um die Schwierigkeiten zu überbrücken. Zumal Rudolph derzeit angeblich über einen Firmenverkauf verhandelt, der ihm einen dreistelligen Millionenbetrag einbrächte.

Offenbar ist ihm also wirklich die Lust am Handball vergangen. Auch eine Mannschaftsdelegation mit Kapitän Pascal Hens, Torwart Johannes Bitter und den altgedienten Flügelspielern Matthias Flohr und Stefan Schröder hatte Rudolph bei einem Besuch an seinem Zweitwohnsitz auf Mallorca am Montag nicht umstimmen können.

Bliebe die Möglichkeit, den Lizenzantrag aufgrund neuer Kalkulationen nachzubessern. Auch das wäre prinzipiell noch am Mittwoch möglich, doch für den HSV ist dies in der Kürze der Zeit kaum zu schaffen. Schatzmeister Jens Lingthaler und Buchhalter Sven Fahrenkrug hatten ihren Vortrag vor der Lizenzierungskommission am Montag in Kiel auch auf die bereits bekannten Zahlen gestützt.

Einen Plan B – ohne Mäzen – wird der HSV wohl erst in zweiter Instanz vorlegen können. Er setzt Gespräche mit Spielern und Dienstleistern über Leistungskürzungen voraus. Laut den neuen Lizenzstatuten bliebe dem Verein dafür auf dem Weg der Beschwerde nur bis zum 22. Mai Zeit. Beim HSV hofft man allerdings auf Aufschub.

Was die drohende Insolvenz angeht, dürfte die Frist für Geschäftsführer Holger Liekefett weniger dehnbar sein. Will er nicht riskieren, persönlich haftbar gemacht zu werden, muss er spätestens am 26. Mai ein Verfahren beantragen – drei Wochen nach Ausbleiben der Aprilgehälter.