HSV Hamburg muss Bundesliga Lizenzantrag erklären. Club wartet auf Rudolphs Vorschläge. 25:25 gegen Hannover

Hamburg. Was über das Spiel, jenes 25:25 (14:13) der HSV-Handballer gegen die TSV Hannover-Burgdorf, zu sagen war, fasste Stefan Schröder, der Rechtsaußen der Hamburger, am späten Abend treffend zusammen: „Wir wollten nach den vergangenen Tagen einfach mal wieder 60 Minuten Spaß haben. Für keinen Sportler der Welt ist es leicht, den Kopf auszuschalten, wenn im Umfeld dermaßen Unruhe herrscht. Das ist uns auch nur phasenweise gelungen. Aber über dieses Spiel wird am Montag sowieso niemand mehr reden.“

Es gibt in diesen Tagen wirklich wichtigere Themen beim deutschen Handballmeister von 2011 und Champions-League-Sieger von 2013 als nun irgendwelche Bundesligabegegnungen. Am Montagmittag muss Geschäftsführer Holger Liekefett nach Kiel zum Rapport, um dem Lizenzierungsausschuss der Handball-Bundesliga (HBL) den HSV-Etat für die nächste Saison und dessen finanzielle Deckung zu erklären.

„Es liegt jetzt am HSV, eine Lösung zu präsentieren“, sagte HBL-Geschäftsführer Holger Kaiser, der sich vor dem Spiel mit Liekefett getroffen hatte. Das Interesse der Liga an einem seiner bisherigen Vorzeigeclubs sei ungebrochen, betonte Kaiser. Es entstünde „ein Kollateralschaden für die gesamte Liga, wenn in dieser Stadt, in dieser Arena künftig kein Spitzenhandball mehr gespielt würde“. Die Vermarktung der HBL dürfte sich in diesem Fall als schwieriger als ohnehin schon erweisen.

An der von Kaiser geforderten Lösung wird derzeit in Hamburg gearbeitet – und auf Mallorca, wohin sich Geldgeber Andreas Rudolph nach seinem plötzlichen Rücktritt vom Amt des HSV-Präsidenten am Freitag zurückgezogen hat. Liekefett und Interimspräsident Frank Spillner halten telefonisch Kontakt zu ihm. „Die Chance, dass wir überleben, schätzen wir momentan auf 50 Prozent plus X ein“, sagt Spillner.

Die Schwierigkeiten des HSV lassen sich in zwei Bereiche unterteilen: erstens die Abwendung der Insolvenz der Spielbetriebs-GmbH & Co. KG – der Gang zum Amtsgericht bedeutet den Zwangsabstieg in die Dritte Liga –, zweitens die Lizenzerteilung für die nächste Spielzeit. Für das erste Problem sind die finanzielle Mitwirkung Rudolphs und das Einlösen seiner wiederholten Zusagen unerlässlich, für das zweite nicht. Würde das Budget für 2014/15 von den bislang kalkulierten 8,1 auf sechs oder weniger Millionen Euro gesenkt, ließe sich das Team auch ohne private Subventionen des langjährigen Mäzens bezahlen. Im laufenden Lizenzverfahren kann der HSV unter Ausschöpfung aller Instanzen bis Mitte Juni ein tragfähiges Konzept vorlegen.

Bedingung für den Neustart in die Zukunft wäre, dass Topverdiener wie Nationaltorwart Johannes Bitter, gegen Hannover erneut ein überragender Rückhalt, und Kapitän Pascal Hens Abstriche bei ihrer Entlohnung machten und der Kader von derzeit zehn Profis mit preiswerten Perspektivspielern ergänzt würde. Während Hens seine Karriere 2015 in Hamburg beenden will, könnte Bitter bei jedem Spitzenclub unterkommen. Der THW Kiel sucht einen Weltklassetorhüter. Bitter ist einer.

„In der nächsten Saison stünden zunächst mal die wirtschaftlichen über den sportlichen Zielen“, sagt Spillner, „aber die Rhein-Neckar Löwen zeigen ja gerade, dass nicht Geld, aber eine funktionierende Mannschaft alles ist.“ Die Mannheimer, die vor zwei Jahren ihren Hauptsponsor Jesper Nielsen verloren, stehen nach dem 42:19 bei Absteiger Eisenach, dem höchsten Auswärtssieg der Bundesliga-Geschichte, vor dem ersten nationalen Titelgewinn.

Bliebe Problem eins. Um alle ausstehenden Ansprüche bis zum Saisonende zu begleichen, was nach heutigem Stand nicht ohne Rudolph leistbar wäre, fehlen dem HSV 3,55 Millionen Euro. 850.000 Euro davon sind Darlehen Rudolphs, die er im Frühjahr gewährte. Ob und wann sie der Club zurückzahlen muss, ist offen. Weil mehrere Gläubiger wie Hallenbetreiber O2 World bereit sind, ihre Forderungen zu stunden, andere erwägen gar einen Verzicht, erwartet Spillner, dass von den restlichen 2,7 Millionen nur 1,5 Millionen Euro bis zum 30. Juni fällig werden. Die ließen sich weiter reduzieren, stimmten zum Beispiel die 17 Profis Gehaltskürzungen zu. Das Insolvenzgeld des Arbeitsamtes, maximal 5950 Euro drei Monate lang, fiele für fast alle niedriger aus.

„Bis zum 24. Mai, unserem letzten Saisonspiel gegen Emsdetten, wollen wir alle Probleme gelöst haben“, sagt Spillner. Mit oder ohne Rudolph, beides sei möglich. Die Fans, die das Team bis zum Ende anfeuerten und hinterher feierten, glauben daran. „Wer jetzt als Sponsor zu uns hält, ist supersexy und supergeil“, stand auf einem Transparent. Nur einer sang: „Ohne Rudolph wär hier gar nichts los.“

Tore, HSV: Cañellas 6 (1 Siebenmeter), Schröder 3, Flohr 3, Toft Hansen 3, Mahé 3, Pfahl 2, Markovic 2, Bitter 1, Duvnjak 1, Jansen 1; Hannover: Johannsen 10 (5), Andreu 4, Patrail 4, Lehnhoff 3 (1), Hykkerud 3, Sevaljevic 1. Zuschauer: 8734. Zeitstrafen: 4; 3.