Petar Djordjics Kreuzbandriss erhöht den Druck auf die HSV-Handballer, ihren Kader für die nächste Saison zu planen

Mannheim/Hamburg. Als Petar Djordjic am späten Sonntagabend hinaus in die Dunkelheit humpelte, eine Eispackung um das rechte Knie gewickelt, erwartete ihn dort ein wenig Aufmunterung. Einige Fans der HSV-Handballer hatten vor der Mannheimer SAP-Arena ausgeharrt, sie feierten ihre Lieblinge dafür, dass sie den Rhein-Neckar Löwen den Sieg (32:31; Halbzeit 12:15) so schwer und glücklich gemacht hatten wie kein anderer Gegner in dieser Saison. Djordjic hatte einen Punkt vielleicht in der Hand gehabt, doch als er kurz vor Schluss zum Ausgleichsversuch angesetzt hatte, war er unvermittelt zusammengesackt.

Die böse Ahnung von Mannschaftsarzt Oliver Dierk wurde am Montagmittag auf den Bildern der Kernspintomografie Gewissheit: Das vordere Kreuzband ist gerissen, an der gleichen Stelle wie schon vor nicht einmal zwei Jahren. Djordjic, 23, soll am Donnerstag kommender Woche in Straubing operiert werden, ein früherer Termin ist wegen der Schwellung nicht möglich. Er fällt voraussichtlich neun Monate aus.

Verglichen damit war der sportliche Rückschlag fast schon zu vernachlässigen. Dass die Champions League nach sieben Jahren wohl erstmals wieder ohne Hamburger Beteiligung bleibt, ist für Trainer Martin Schwalb kein Grund zur Scham: „Bei derart starker Konkurrenz wie in der Bundesliga ist es keineswegs selbstverständlich, sich zu qualifizieren.“ Im Übrigen habe man den Kampf um die Champions League noch nicht aufgegeben. Man muss allerdings schon eine ganze Reihe Konjunktive bemühen, um noch daran zu glauben. Zwei Punkte und 78 Tore beträgt der Rückstand auf die SG Flensburg-Handewitt auf dem dritten Tabellenplatz. Und auch dieser berechtigt nicht automatisch zur Teilnahme an Europas Eliteklasse. Die Entscheidung liegt beim Europaverband EHF. Der garantiert der Bundesliga zwei Champions-League-Startplätze. Um einen dritten kann sich Deutschland mit guten Aussichten bewerben, vielleicht reicht es aber nur zu einem Platz in einem Qualifikationsturnier.

Die Flensburger sind klar im Vorteil. Sie können sich dank des Torvorsprungs noch eine Niederlage erlauben, zum Beispiel am Sonntag in Kiel. Aber selbst wenn der HSV die Flensburger noch abfängt, könnte er Zuschauer bleiben – dann nämlich, wenn die SG am 1. Juni beim Finalturnier in Köln die Champions League gewinnt. In diesem Fall wäre ihr eine Wildcard für ein Qualifikationsturnier sicher, und der Bundesligadritte ginge leer aus. Diese Regelung hat sich der HSV gleichsam selbst eingebrockt, als er im Vorjahr in Köln triumphierte, als Tabellenfünfter aber seine Zugehörigkeit zur Champions League eigentlich verwirkt hatte.

Besser also, die Hamburger freunden sich schon mal mit dem EHF-Pokal an. In diesem Wettbewerb ist die Bundesliga seit zehn Jahren auf den Sieg abonniert und mit drei bis vier Clubs am stärksten vertreten. Trotzdem gilt er unter den Spitzenmannschaften als unbeliebt, weil er frühestens vom Halbfinale an eine sportliche Herausforderung darstellt und vorher keine Prämien zu verdienen sind. Man kann sich das Ganze aber auch schönmalen. Der EHF-Pokal würde die Hamburger Trophäensammlung vervollständigen. Er wäre verhältnismäßig leicht zu gewinnen. Und er würde die Belastung der Spieler verringern. Weil der HSV erst in der dritten Runde einsteigen würde, wären es nur zwölf Partien bis zum Titel. In der Champions League käme man einschließlich der Qualifikation auf 18.

Ein Argument mehr also, den Kader von derzeit 17 Topspielern zu verkleinern. Das will der HSV ohnehin. Konkreter allerdings hat sich Präsident Andreas Rudolph bisher nicht geäußert. Schwalb mahnte am Sonntagabend noch einmal zur Eile: „Wir sind schon spät dran. Es gibt gewisse Vakanzen im Kader, die geschlossen werden müssen.“ Nach bisherigem Stand startet er mit zehn Profis in die nächste Saison.

Djordjic muss man von dieser Liste nun wohl noch streichen. Ohne ihn aber kann der HSV auf der sogenannten Königsposition im linken Rückraum nur noch Kapitän Pascal Hens aufbieten, und der verträgt mit seinen 34 Jahren die Bundesliga nur noch wohldosiert. Wie schon gegen Flensburg musste er in Mannheim aufgrund von Oberschenkelproblemen zuschauen. Weil man Blazenko Lackovic zu Vardar Skopje ziehen ließ, ist eine Neuverpflichtung jetzt unumgänglich geworden.

Auf anderen Positionen liegt das Gute so nahe. Stefan Schröder bewies in Mannheim als Vertreter des unter Rückenbeschwerden leidenden Hans Lindberg erneut, dass er zu den besseren Rechtsaußen der Liga gehört. Auf dem anderen Flügel reichte Matthias Flohr eine 60-minütige Bewerbung für eine Vertragsverlängerung ein. Sein offensiv vielleicht bestes Spiel in zehn HSV-Jahren blieb unbelohnt, weil sein spektakulärer Ausgleichstreffer in der Schlusssekunde aberkannt wurde.

Auch Torsten Jansen wäre trotz seiner 37 Jahre eine weitere Saison auf Linksaußen vorstellbar. Der frühere Nationalspieler gewährte im Interview mit dem TV-Sender Sky einen Einblick in die Gemütslage der Mannschaft. Dass Gehälter ausblieben und der Club vor der Insolvenz stand, habe ihn schon beschäftigt: „Wenn eine Hiobsbotschaft der nächsten folgt, lässt einen das nicht kalt. Es geht ja um die Existenz.“

In drei Wochen ist die Handballsaison zu Ende. Für die nächste hat Geschäftsführer Holger Liekefett ein Konzept vorgelegt. Ob es umgesetzt wird, liegt im Ermessen Rudolphs. Jansen sehnt sich nach Klarheit: „Es wäre schön zu wissen, wie es weitergeht.“

Im Rechtsstreit zwischen dem fristlos entlassenen Geschäftsführer Christoph Wendt und dem HSV kam es beim Gütetermin vor dem Arbeitsgericht zu keiner Einigung. Der Club bestritt die Zuständigkeit des Gerichts und will den Prozess am Landgericht führen.