HSV Hamburg gewinnt vor 12.039 Zuschauern 29:26 gegen Flensburg und darf auf die Champions League hoffen

Hamburg. Schon elf Minuten vor Schluss hielt es die Zuschauer in der erstmals in dieser Handballsaison ausverkauften O2 World nicht mehr auf ihren Sitzen. Der Spanier Joan Cañellas hatte gerade das 25:21 für den HSV erzielt, als das Publikum, 300 Flensburger einmal ausgenommen, in einen kollektiven Rausch verfiel. „Hammer, Hammer, Hammer! Was war das für eine unglaubliche Stimmung. Dass sich unsere Fans so früh erheben, um uns bis zum Spielende derart enthusiastisch anzufeuern, das habe ich hier noch nie erlebt“, staunte der erneut überragende Nationaltorhüter Johannes Bitter.

Die ungewöhnlich lang anhaltende Begeisterung hatte ihren Grund. Die Hamburger boten beim 29:26 (14:16)-Erfolg über den deutschen Vizemeister SG Flensburg-Handewitt vor allem in der zweiten Halbzeit, als sie von 20:21 (41. Minute) auf 28:21 (54.) davonzogen, eine ihrer besten Saisonleistungen, versöhnten nach vielen Aufs und Abs in den vergangenen Wochen und Monaten ihre Anhänger, machten Werbung für den Mitte nächster Woche startenden Dauerkartenverkauf und dürfen nun wieder hoffen, sich wenigstens als Tabellendritter über den Umweg eines Qualifikationsturniers zum achten Mal in Folge für die Champions League zu qualifizieren. Doch Bitter warnt: „Die Champions League ist noch weit weg. Wir müssen jetzt die restlichen vier Bundesligaspiele gewinnen, nur dann haben wir noch eine Chance.“

Das nächste Spiel ist gleich das schwerste. Am Sonntagabend (20.15 Uhr, Sport1) bei Tabellenführer Rhein-Neckar Löwen, der in der Mannheimer SAP-Arena alle seine bisherigen 15 Heimspiele in dieser Saison gewann, steht für den HSV wieder ein Tag der Schwerstarbeit an. Die Vorbereitung begann Trainer Martin Schwalb noch in der Kabine: „Wir haben das Flensburg-Spiel kurz analysiert, angesprochen, was wir besser machen müssen, und uns geschworen, weiter alles zu geben, damit wir unser Ziel erreichen.“

Gegen Flensburg zeigte sich der HSV von der 25:33-Pleite in Magdeburg gut erholt; wobei das wörtlich zu nehmen war, konnte sich die Mannschaft schließlich 15 Tage lang auf dieses Spiel vorbereiten, während die Flensburger in dieser Zeit drei Begegnungen absolvieren mussten, zwei davon im (erfolgreichen) Viertelfinale der Champions League gegen HSV-Bezwinger Vardar Skopje. „Wir waren ein bisschen müde, das hat man von der 40. Minute an gemerkt“, meinte dann auch Flensburgs Trainer Ljubomir Vranjes.

Den neuen Elan hatte beim HSV der quirlige Kentin Mahé, 22, ausgelöst, den Schwalb das erste Mal von Beginn an auf der zentralen Position des Spielmachers walten ließ. Im linken Rückraum entfaltete der eigentliche Regisseur Cañellas seine Wurfkraft (später auch Duvnjak), rechts Adrian Pfahl, am Kreis Andreas Nilsson. So oder ähnlich dürfte der HSV nach dem Wechsel Domagoj Duvnjaks im Sommer zum THW Kiel in der nächsten Saison auftreten; was nach den ersten Eindrücken eine Formation mit Zukunft werden könnte.

Jedenfalls schwärmte HSV-Geschäftsführer Holger Liekefett, der das Spiel auf Kreta live im Fernsehen verfolgte („Ich habe alle um mich herum verrückt gemacht“), aus der Ferne schon vom „HSV 2014/2015“. Er sei tierisch stolz auf diese Leistung, simste er. „Das war Herz, Leidenschaft und Können.“ Auch Andreas Rudolph, diesmal geschäftlich verhindert, dürfte die Vorstellung gefallen haben. Genau diese Einstellung und Einsatzbereitschaft hatte der Präsident, Hauptsponsor und Mäzen immer wieder von der Mannschaft gefordert. Dass sie jetzt geliefert hat, mag ihm das Gefühl geben, zuletzt die richtigen Worte gewählt und die nötigen Maßnahmen ergriffen zu haben.

Der Mann des Spiels gab sich derweil bescheiden: „Das war eine großartige zweite Hälfte von uns allen“, meinte Mahé, der fünf seiner sechs Würfe verwandelte und mit seiner Schnellig- und Wendigkeit die Flensburger Deckung aufriss, damit Platz für seine Nebenleute schuf, besonders für Kreisläufer Nilsson (vier Tore bei vier Würfen, zwei Siebenmeter herausgeholt). Von seinem Starteinsatz hatte der Franzose erst am Spieltag erfahren. Den hatte er sich in den vergangenen zwei Wochen aber „im Training redlich verdient“, meinte Co-Trainer Jens Häusler.

„Kenni hat die letzten zwei Wochen richtig Gas gegeben und gezeigt, was er gegen eine aggressive Deckung draufhat. Das wussten wir ja, jetzt hat er das auch in einem wichtigen Spiel bewiesen.“ Der nächste Schritt, sagt Häusler, wäre nun, „dass er sich weiter so reinhängt und diese Leistung bestätigt“. Am besten schon am Sonntag in Mannheim.

Tore, HSV Hamburg: Mahé 5, Pfahl 5, Cañellas 5 (2 Siebenmeter), Nilsson 4, Duvnjak 4, Lackovic 2, Jansen 2, Lindberg 2; SG Flensburg: Weinhold 8, Eggert 7 (4), Glandorf 4, Svan Hansen 3, Mogensen 2, Gottfridsson 1, Knudsen 1. Schiedsrichter: Geipel/Helbig (Steuden/Landsberg). Zuschauer: 12.039 (ausverkauft). Zeitstrafen: 3; 3. Siebenmeter: 4 (2 verwandelt); 6 (4). Torhüter: Bitter (HSV) 13 Paraden/37 Würfe (35 Prozent); Andersson 9/25 (36), Rasmussen (beide Flensburg) 9/22 (41).