Uwe Schwenker, früherer Erfolgsmanager des THW, über Kiels Dominanz, seinen Manipulationsprozess und das Topspiel am zweiten Weihnachtstag zwischen dem Deutschen Meister und dem Champions-League-Sieger HSV Hamburg.

Hamburg. Uwe Schwenker, 54, wirkt entspannt, als er am Montagmittag im Delta-Bistro am Schlachthof eintrifft. Nichts ist mehr zu spüren und zu sehen von dem Stress der vergangenen vier Jahre, als sich der erfolgreichste deutsche Handballmanager, der den THW Kiel zum Abonnementsmeister machte, gegen den Vorwurf der Untreue und der Schiedsrichterbestechung vor Gericht hatte wehren müssen. Am 10. April wurde Schwenker von allen Anklagepunkten freigesprochen.

Die HSV-Idole Uwe Seeler und Harry Bähre kommen an seinen Tisch, wünschen schöne Festtage – man kennt und schätzt sich. Und natürlich ist das Spitzenspiel der Handball-Bundesliga zwischen Meister Kiel und Champions-League-Sieger HSV Hamburg am Donnerstag (17.15 Uhr/Sport1) ein Thema.

Hamburger Abendblatt: Herr Schwenker, werden Sie am zweiten Weihnachtsfeiertag in der Sparkassen-Arena sein?

Uwe Schwenker: Das weiß ich noch nicht. Ich war in dieser Saison noch gar nicht dort. Ich muss mich jetzt zu jedem Spiel, das ich besuchen will, anmelden, um einen Platz zu bekommen. Der THW hatte ja zuletzt auch ein paar wirtschaftliche Probleme, deshalb wurden alle Ehrendauerkarten, auch meine, gestrichen. Dafür fehlt mir als einer von vier Ehrenspielführern des Vereins ein wenig das Verständnis. Ich könnte zwar zu einzelnen Spielen Karten anfordern, aber das mache ich nicht.

Ein rechtskräftiger Freispruch gilt in Kiel offenbar nichts.

Schwenker: Nur eine Stunde nach dem Urteil hat der Aufsichtsratsvorsitzende öffentlich verkündet, dass man mit mir nichts mehr zu tun haben wolle. In dieser Affäre gab es viele Merkwürdigkeiten. Auch beim HSV. Da hat Präsident Andreas Rudolph in Hamburg eine große Pressekonferenz abgehalten, wo er angeblich von mir getätigte Aussagen, die mich belasteten, zitiert hat (Schwenker soll gesagt haben, ohne Bestechung von Schiedsrichtern könne man die Champions League nicht gewinnen, die Red.). Der Staatsanwaltschaft hat er dann gesagt, er wisse nichts von diesen Aussagen. Da haben sich damals drei Clubs zusammengetan, die dem THW sportlich nie das Wasser reichen konnten und ihn und mich nun kaputt machen wollten: Flensburg, Hamburg und die Rhein-Neckar Löwen. Auch in der Sache sind die Vorwürfe lächerlich. Das Hinspiel in Flensburg …

… Sie sprechen vom Champions-League-Finale 2007…

Schwenker: … endete 28:28, im Rückspiel stand es 28:27 für uns, dann haben wir eine Rote Karte für Christian Zeitz und zwei Minuten gegen Dominik Klein bekommen. Wir haben vier gegen sechs gespielt. Wäre der Ausgleich gefallen, hätte es sofort ein unkalkulierbares Siebenmeterwerfen gegeben. Leider wurde das damals nie hinterfragt.

Fühlen Sie sich voll rehabilitiert?

Schwenker: Wie will man das erreichen? Man muss nur mit genügend Dreck werfen, dann bleibt schon etwas hängen. Die Unschuldsvermutung wird leider nicht gelebt, auch von den Medien nicht. Es stand ja fest: Der hat Schiedsrichter bestochen. Dabei wurde im Prozess nicht eine meiner Aussagen widerlegt. Der Vorwurf der Untreue war ohnehin absurd. Alle in diesem Fall strittigen finanziellen Transaktionen sind von mir mit Kenntnis der Gesellschafter des THW vorgenommen worden. Letztlich gab es in dieser Geschichte nur Verlierer. Die Ankläger haben sich auch nicht bewusst gemacht, dass sie dem Ansehen des Handballs in Deutschland massiv geschadet haben.

Hatten Sie eine Option, nach dem Prozess zum THW zurückzukehren?

Schwenker: Ja, das war ein einstimmiger Beschluss des Gesellschafter- und Wirtschaftsbeirats. Ich hatte ja gar keinen Grund, überhaupt zurückzutreten. Man riet mir dazu, um den Mediendruck herauszunehmen, und bot mir an, im Fall eines Freispruchs zurückzukehren. Letztlich haben sich aber in der langen Zeit die Kräfteverhältnisse im Aufsichtsrat grundlegend gewandelt.

HSV-Spielmacher Domagoj Duvnjak, der zur Wahl als Welthandballer des Jahres steht, wechselt im Sommer nach Kiel. Ihn wollten Sie vor fünf Jahren schon zum THW holen.

Schwenker: Wir hatten damals Duvnjaks Vertrag in Zagreb – übrigens dank des Kontakts zu Nenad Volarevic, der von uns eine Provision bekommen hat, woraus man mir im Prozess einen Strick drehen wollte. Demnach durfte Duvnjak für eine festgeschriebene Ablösesumme von 100.000 Euro wechseln. Der HSV kannte diesen Passus nicht – und hat Zagreb 1,1 Millionen Euro bezahlt. Duvnjak zu holen war das Letzte, was ich für den THW noch tun wollte.

Er selbst hat sich damals für Hamburg entschieden.

Schwenker: Ich gehe fest davon aus, dass ihm der HSV ein Angebot für eine baldige Rückkehr macht. Wer Andreas Rudolph kennt, weiß, dass er so arbeitet.

Ist der THW finanziell so unter Druck, dass er darüber nachdenken muss?

Schwenker: Nein. Kiel hat zwar deutlich beim Etat abgebaut, ist aber immer noch das Maß aller Dinge. In den vergangenen Jahren hat der THW allerdings weit über seine Verhältnisse gelebt. Da wurden die Gehälter nur so mit der Suppenkelle verteilt. Allein Spielmacher Daniel Narcisse hat inklusive Ablöse eine Million Euro pro Jahr gekostet. Das hat den THW fast umgebracht. Ich wollte damals ohnehin lieber Duvnjak kaufen.

Was mag ihn jetzt zum Wechsel nach Kiel bewogen haben?

Schwenker: Ich behaupte, dass der HSV daran selbst schuld ist. Im Februar wurde propagiert, dass unklar ist, wie es nächste Saison weitergeht. In dieser Situation ist der THW reingegrätscht. Unter Trainer Alfred Gislason wird sich Duvnjak in Kiel sicher noch weiterentwickeln. Mein Eindruck ist, dass Gislason noch etwas akribischer arbeitet als Martin Schwalb beim HSV. Das mag auch etwas mit der Veranlagung als Spieler zu tun haben: Der eine musste sich alles hart erarbeiten, dem anderen fiel vieles zu. Was nicht heißt, dass Schwalb nicht absoluten Handballverstand hat. Das hat man bei der Champions-League-Endrunde im Juni gesehen, als die Mannschaft körperlich und taktisch top vorbereitet war. Aber über die gesamte Saison verliert der HSV zu oft unnötig Punkte. Ich kann mir aber vorstellen, dass Duvnjak beim THW überfordert sein könnte, weil der Kader nicht mehr die Breite hat wie früher.

Es fehlt auch der überragende Torhüter.

Schwenker: So schlecht, wie sie gemacht wurden, sind Johan Sjöstrand und Andreas Palicka nicht. Die können herausragende Leistungen bringen, wenn auch nicht in der Konstanz. Der THW ist sicher an Niklas Landin von den Rhein-Neckar Löwen dran. Vielleicht auch an Johannes Bitter vom HSV. Ihn kennt Gislason ja noch aus Magdeburg.

Sie wurden nach Ihrem Freispruch als HSV-Manager gehandelt.

Schwenker: Es gab im April ein Gespräch mit dem damaligen Präsidenten Matthias Rudolph. Aber es war immer klar, dass am Ende sein Bruder Andreas alles aus dem Hintergrund entscheidet. Mit ihm zusammenzuarbeiten stelle ich mir sehr schwer vor. Aufgrund unserer Vergangenheit war ein Engagement eigentlich ausgeschlossen. Trotzdem habe ich mit Matthias Rudolph geredet, weil für mich immer klar war, dass der HSV der einzige Club ist, der den THW gefährden kann. Das sind die beiden Giganten des deutschen Handballs. Wobei beim HSV manchmal nicht alles dem sportlichen Erfolg untergeordnet wird. Dass das Team 2011 nach dem Gewinn der Meisterschaft zum Feiern nach Mallorca geflogen ist, obwohl noch die Champions-League-Endrunde zu spielen war, das hätte es in Kiel nie gegeben.

Schadet die THW-Dominanz der Liga?

Schwenker: Ja. Konkurrenz ist fürs Geschäft immer gut. Dafür zu sorgen ist jedoch Aufgabe der anderen Clubs. Mein Eindruck ist, dass der HSV aus seinem wirtschaftlichen Potenzial nicht adäquat sportliches Kapital geschlagen hat. Da stehen Aufwand und Ertrag in einem Missverhältnis – trotz der Meisterschaft 2011 und des Champions-League-Sieges 2013. Man war finanziell mit dem THW stets auf Augenhöhe, konnte aber nur einmal dessen Meisterserie durchbrechen. Und wenn der HSV am zweiten Weihnachtstag in Kiel nicht gewinnt, ist auch diese Meisterschaft wieder für den THW gelaufen. Insofern spielt der HSV dort nicht nur für sich, sondern für die gesamte Bundesliga.

In welcher Funktion werden wir Sie künftig erleben?

Schwenker: Ich führe seit 25 Jahren eine Versicherungsagentur in Kiel mit zwölf Mitarbeitern. So etwas gibt man nicht einfach auf. Den Kontakt zum Handball halte ich über eine kleine Agentur, mit der ich für Rostock beratend tätig bin. Ich muss nicht um jeden Preis im operativen Geschäft tätig sein.