Der HSV meldet sich mit einem 34:26-Sieg bei der TSV Hannover-Burgdorf eindrucksvoll im Titelkampf zurück

Hannover. Kurz vor dem Ende musste Johannes Bitter mit seinen Vorderleuten noch einmal schimpfen. Sie hatten Timo Kastening am Kreis einfach entwischen lassen und so noch ein vermeidbares Gegentor nicht vermieden. Sei’s drum, es konnte ja nicht alles klappen an diesem fast perfekten Abend für die HSV-Handballer, den das Ergebnis von 34:26 (19:11) gegen die gastgebende TSV Hannover-Burgdorf nur unzureichend ausdrücken kann. Eher schon Bitters Worte: „Wir haben die richtige Antwort gegeben auf die Kritik der vergangenen Tage“, sagte der Hamburger Torwart. „Mit einer solchen Leistung darf man auch von Titeln träumen.“

Handball kann ja so ein einfaches Spiel sein, wenn man es denn beherrscht wie der HSV. Dann reicht es, in der Abwehr die Konzentration zu bewahren, und früher oder später wird der Ball in den eigenen Händen landen oder aber an denen von Bitter abprallen. Und dann sind es nur ein, zwei Pässe, und schon steht man frei vor dem gegnerischen Tor und braucht nur noch einzuwerfen. Ja, so einfach war es am Mittwoch wirklich, und man fragte sich, wie dieser HSV bloß vier Tage zuvor in eigener Halle einen Punkt gegen Lemgo hatte abgeben können.

Allein die erste Halbzeit: 26-mal warf der HSV aufs Tor, 19-mal mit Erfolg. Mit einer derart überragenden Quote hatte der Champions-League-Sieger seine Anhänger lange nicht mehr verwöhnt. In Hannover aber brachte er sie sehr früh zum Singen: von den schönen Titelfeiern auf dem Rathausmarkt und dass man das bald einmal wieder erleben wolle. In dieser Form – warum eigentlich nicht?

Einzig Domagoj Duvnjak trübte durch seine sechs Fehlversuche die glänzende Bilanz ein wenig. Doch der designierte Welthandballer des Jahres glich seine Quote mit Einsatz aus, etwa als er einen Abpraller mit einem langen Sprint und anschließendem Hechtsprung sicherte (15.). Wenig später tat es ihm Matthias Flohr gleich. Vergleichbare Szenen hatte man am Sonnabend nicht zu sehen bekommen. War es wirklich die Kabinenpredigt, die Präsident Andreas Rudolph anschließend gehalten hatte, die zum Mentalitätswandel geführt hatte? Oder war es das Wissen darum, dass es keine weitere Chance zur Wiedergutmachung geben würde? Von beidem wohl ein bisschen.

Allerdings machten die Hannoveraner den Hamburgern das Favoritensein an diesem Abend auch leicht. Noch am Wochenende waren sie triumphal in die Gruppenphase des Europapokals eingezogen. Daran aber, dass es im elften Anlauf zum ersten Sieg gegen den Nordrivalen reichen könnte, schien niemand so recht zu glauben. Die Fehlerquote im Aufbauspiel war haarsträubend. Und warum Trainer Christopher Nordmeyer trotz der allgemeinen Verunsicherung in Unterzahl den Torhüter durch einen Feldspieler ersetzte und Bitter so sein zweites Saisontor ermöglichte, blieb sein Geheimnis.

Gewiss, erst am Montag war TSV-Abwehrspezialist Gustav Rydergard (Daumenanbruch) längerfristig krankgeschrieben worden. Zuvor waren bereits die Ausfälle von Rechtsaußen Torge Johannsen sowie der Halbrechten Tamas Mocsai (beide Knieverletzung) und Jan Fiete Buschmann (Ellenbogen) zu beklagen gewesen. Das allein aber erklärt die trostlose Vorstellung nicht.

Gänzlich beschwerdefrei ist im Übrigen auch der HSV nicht mehr. Adrian Pfahl war nur als Fan mit nach Hannover gereist. Dem Nationalspieler macht der Anfang der Saison operierte Ellbogen seines linken Wurfarms wieder zu schaffen. Ein Gelenkkörper „von der Größe einer Kidneybohne“ (Assistenztrainer Jens Häusler) hat sich dort selbstständig gemacht und lässt viele Bewegungen nur unter Schmerzen zu. Ein weiterer chirurgischer Eingriff dürfte unausweichlich sein. Ob es sich lohnt, ihn bis zur Spielbetriebspause im Januar aufzuschieben, wäre in den kommenden Tagen noch zu klären.

Zarko Markovic jedenfalls vermag die Lücke im rechten Rückraum derzeit nicht vollständig zu schließen. Trainer Martin Schwalb wechselte den Montenegriner nach 15 Minuten, einem Fehlwurf und einem Ballverlust aus – und erst spät wieder ein. Das Spiel am Sonnabend beim Aufsteiger TV Emsdetten sollte Markovic Gelegenheit geben, sein angekratztes Selbstvertrauen aufzupolieren. Für alle anderen HSVer gilt der kahnsche Lehrsatz: Weitermachen, immer weitermachen!

Tore, Hannover-Burgdorf: Karason 4, Lehnhoff 4 (1 Siebenmeter), Machovsek 3, Sevaljevic 3, Hinz 3 (1), Andreu 2, Kykkerud 2, Kastening 2, Patrail 1, Szücs 1, Pollex 1; HSV: Lindberg 8 (1), Duvnjak 7, Jansen 5, Nilsson 5, Cañellas 4, Hens 3, Lackovic 1, Bitter 1. Schiedsrichter:Fleisch/Rieber (Ostfildern/Nürtingen). Zuschauer: 3770. Zeitstrafen: 2; 1.