Andreas Rudolph tritt erneut als Präsident der HSV-Handballer an. Seine Lust aber scheint diesmal begrenzt

Hamburg. Als Andreas Rudolph im Dezember 2004 als Präsident des Handball-Sport-Vereins Hamburg antrat, hatte er ein klares Ziel: „Wir müssen versuchen, den HSV auf eine breitere Basis zu stellen und Voraussetzungen schaffen, um ihn dauerhaft in Hamburg zu etablieren.“ Fast neun Jahre später verbreitete der HSV am Freitag eine Erklärung, in der Rudolph seine Rückkehr ins Amt so begründete: „Ich möchte helfen, den Verein auf breitere Beine zu stellen und noch stärker in Hamburg zu etablieren.“

Manchmal soll sich ja Geschichte wiederholen. Aber wenn Rudolph, 58, an diesem Sonnabend anlässlich des Champions-League-Heimspiels gegen die SG Flensburg-Handewitt (14.45 Uhr, O2 World/Eurosport) den Fans offiziell vorgestellt wird, dann sind die Voraussetzungen ganz andere. Damals stand die Spielbetriebsgesellschaft vor der Zahlungsunfähigkeit und der Verein damit vor dem Lizenzverlust. Beides konnte Rudolph abwenden, unter Aufwendung eines Millionenbetrags aus seinem Privat- und Firmenvermögen.

Diesmal muss der Verein nicht unbedingt gerettet werden. Er bedarf lediglich einer wirtschaftlichen Perspektive. Und, mindestens ebenso dringend, einer Führungsfigur, nachdem sowohl Rudolphs Bruder Matthias, 55, als Präsident als auch Geschäftsführer Frank Rost ihre Ämter schon zu Saisonbeginn aufgegeben haben. In den Vereinsgremien – oder dem, was davon nach vielen Ausfällen und Abgängen übrig geblieben ist – setzte sich in den vergangenen Wochen die Einsicht durch, dass diese Führungsfigur nur Andreas Rudolph heißen konnte. Der Aufsichtsrat hat ihn nun satzungsgemäß bis zum 30. Juni 2015 zum Präsidenten bestellt.

Im Grunde war Rudolph nie weg gewesen, auch nach dem Ende seiner ersten Amtszeit 2011 nicht. Seine Mehrheitsanteile an der Betriebsgesellschaft hat der schwer reiche Medizinunternehmer mittlerweile an seinen Bruder veräußert. Aber Andreas Rudolph hat die Geschicke des Vereins weiterhin gelenkt, nur eben aus dem Hintergrund und nicht in offizieller Funktion. Es gab keine wichtige Entscheidung, in die er nicht einbezogen gewesen wäre, und oft genug war er es, der sie letztlich fällte.

Schließlich blieb es zum größten Teil sein Geld, das auf dem Spiel stand. Rudolphs GHD-Gruppe ist der wichtigste Sponsor des Klubs, darüber hinaus steht er privat stets für jede nicht etatmäßige Ausgabe finanziell gerade. 25 Millionen Euro, so wird geschätzt, hat Rudolph in den HSV investiert. Möglicherweise noch viel mehr.

Er ist dafür reich entlohnt worden. Der Verein, den Rudolph vorfindet, ist nicht der von vor neun Jahren. Der HSV ist deutscher Meister geworden, zweimal Pokalsieger und im vergangenen Juni sogar Gewinner der Champions League. Damit sind sämtliche sportlichen Ziele erreicht, die Rudolph bei seinem ersten Amtsantritt in einer Art Agenda 2010 festschreiben ließ. Das mag den zunehmenden Missmut erklären, den Rudolph gegenüber seinem Handballbaby zuletzt zur Schau stellte. Erst vergangene Woche hatte Rudolph wissen lassen, er fühle sich „nicht besonders geschmeichelt, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wieder gebraucht zu werden“. Es war eine der wenigen überlieferten Äußerungen. Interviewwünsche hat Rudolph ansonsten standhaft ausgeschlagen, in den Hallen hat er sich rar gemacht. Erst am Sonnabend will er sein öffentliches Schweigen brechen und sich zusammen mit Geschäftsführer Christoph Wendt den Fragen der Medienvertreter stellen.

Rudolph wird dann zu erklären haben, wie er den Verein in eine Zukunft zu führen gedenkt, in der nicht mehr er selbst die einzige wirtschaftliche Perspektive ist. Die Gremien haben diesen Weg bereits vorgezeichnet: Rudolph ordnet die Finanzen des HSV und verzichtet auf die Rückzahlung seiner großzügigen Darlehen. 2015 würde er sein Amt dann an den früheren Aufsichtsrat Wolfgang Fauter, 61, abtreten. Maximilian Huber, 66, auch er einst Mitglied des Kontrollgremiums, würde Fauter zur Seite stehen.

Ob Rudolph sich an diesen Plan gebunden fühlt, vermag beim HSV niemand zu sagen. Seine eingangs zitierte Motivation lässt das zumindest hoffen. Zu tun gibt es genug. Vieles aus Rudolphs einstiger Agenda ist längst noch nicht erreicht. In dem Papier war eine ausverkaufte Halle bei mehr als 80 Prozent der Spiele als Ziel formuliert. Stattdessen hat der HSV mit einem spürbaren Zuschauerrückgang zu kämpfen. Auch bei den Sponsoren hat der Champions-League-Sieg bisher erstaunlich wenig bewegen können. Der letzte große Vertrag, mit der AOK Rheinland/Hamburg, ist bald zwei Jahre alt.

Will Rudolph den Verein 2015 tatsächlich in die Unabhängigkeit entlassen, wird er nicht umhinkommen, die Kosten zu senken. Derzeit leistet sich der HSV einen Luxuskader mit 17 erlesenen Profis. Von dem einstigen Ansatz, die Mannschaft um einen Kern von etablierten Spielern mit Nachwuchstalenten aufzubauen, ist man weiter entfernt denn je.

Ende dieser Saison könnte Erfolgstrainer Martin Schwalb deshalb den nächsten Umbruch zu verkraften haben. Der Abgang von Spielmacher Domagoj Duvnjak zum THW Kiel ist bereits schmerzliche Tatsache. Weitere sieben Verträge laufen aus. In den Gremien herrscht Einigkeit darüber, dass die Mannschaft verjüngt werden muss.

Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass Rudolph Verträge eigenmächtig verlängert. Künftig aber dürfte die Wachsamkeit im Verein größer sein als in der Vergangenheit. Kaum jemand scheint ein Interesse daran zu haben, die Abhängigkeit vom Mäzen noch einmal auf Jahre hinaus festzuschreiben. Rudolph selbst offenbar auch nicht.