Zum Auftakt ihrer Flensburg-Trilogie kämpfen die HSV-Handballer am Sonntagabend auch gegen Anfeindungen

Hamburg. Ein Handballspiel am Sonntag um 20.15 Uhr? Das hat sogar Martin Schwalb in seinen 50 Jahren noch nicht erlebt. Und wenn er ein bisschen darüber nachdenkt, dann kann er sich mit dem Gedanken sogar anfreunden: „Für den ‚Tatort‘ bin ich sowieso zu weich im Herzen. Wenn da Kindern etwas zustößt – das hält man ja gar nicht aus.“ Da wäre so ein Handballspiel doch eine prima Alternative: „Ich würde mich jedenfalls darüber freuen.“ Wenn da nur nicht dieser kleine Haken wäre: Trainer Schwalb und sein HSV Hamburg müssen bei der Premiere dieses Bundesligatermins nämlich selbst für die Fernsehunterhaltung sorgen, im Spitzenspiel bei der SG Flensburg-Handewitt, das Sport1 live überträgt.

Schwalbs Vorfreude ist davon unbenommen: „Solche Spiele sind besondere Herausforderungen und verlangen nach besonderen Leistungen. Ich könnte das jede Woche haben.“ Was die Spannung betrifft, sollte das Verfolgerduell des Tabellenzweiten Flensburg (19:5 Punkte) mit dem Dritten Hamburg (18:4) in jedem Fall mit dem ARD-Krimiklassiker konkurrieren können. Wobei es nur die erste Folge eines Dreiteilers ist: Am 16. November in Hamburg und am 21., dann wieder in der Flensburger „Hölle Nord“, treffen die beiden Nordrivalen erneut aufeinander, diesmal geht es um den Gruppensieg in der Champions League.

Flensburg, immer wieder Flensburg. Keiner Mannschaft ist der HSV in seiner gut elfjährigen Geschichte so oft begegnet. 34-mal hat es die Partie gegeben, siebenmal allein in der vergangenen Spielzeit. 14-mal gewann die SG, 15-mal der HSV, das Torverhältnis beträgt 995:990. Daraus lässt sich beim besten Willen keine Favoritenrolle ableiten.

Zieht man stattdessen die offiziellen Etatzahlen heran, schon eher. In dieser Wertung liegt der Champions-League-Gewinner mit 8,5:6,0 klar vorn. Deshalb legen sie in Flensburg auch Wert darauf, als Außenseiter zu gelten: „Hamburg ist extrem hochkarätig besetzt“, sagt SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke, „wir haben einen kleinen Kader mit vielen jungen Spielern und zudem mit langfristigen Verletzungen zu kämpfen.“ Man müsse nur sehen, wer bei seinem früheren Verein HSV alles auf oder gar hinter der Bank sitze!

Petar Djordjic beispielsweise. Der serbische Halblinke hat sich in Flensburg in den vergangenen vier Jahren zu einem der besten Rückraumschützen der Liga entwickelt. Dann wechselte er zum HSV, wie so viele Flensburger vor ihm: Blazenko Lackovic und Marcin Lijewski, Dan Beutler und Oscar Carlén sowie dessen Trainer-Vater Per.

Geräuschlos gingen die Transfers so gut wie nie vonstatten. Wer ging, ging im Ruf, dem Lockruf des Hamburger Geldes erlegen zu sein. Der Kroate Lackovic weiß, worauf sich der Serbe Djordjic gefasst machen muss: „Die in Flensburg sind jetzt ein bisschen böse, das ist normal. Zwischen den beiden Vereinen knallt es immer.“

Lackovic, 32, hatte sich 2008 den Zorn von Fans und Vereinsführung zugezogen, als er eineinhalb Jahre vor Vertragsende beim HSV unterschrieb. Djordjic, 23, würde sein letztes Halbjahr in Flensburg gern vergessen: „Ich wurde nach Bekanntgabe meines Wechsels von den eigenen Zuschauern ausgepfiffen und angefeindet.“

Was nichts daran ändere, dass es zuvor „dreieinhalb tolle Jahre“ gewesen seien und er nicht im Hass gegangen sei. Deshalb freue er sich auch ungemein auf die Rückkehr, schon der alten Kumpels wegen. Vielleicht auch, weil Djordjic ziemlich sicher sein kann, dass er diesmal nicht zu den drei gehören wird, denen Schwalb vor dem Spiel mitteilen muss, dass sie wegen des Überangebots an Spitzenpersonal nur Zuschauer sind.

Beim Pokal-Aus gegen Göppingen und den Bundesligasieg in Berlin Ende Oktober hatte es Djordjic getroffen. Im Verein haben einige darüber den Kopf geschüttelt, wo Djordjic doch nächste Saison Lackovic auf der sogenannten Königsposition im linken Rückraum beerben soll. Schwalb verweist darauf, dass sein Toptalent noch die Weisheitszahnoperation zu schaffen gemacht habe. Beim 32:24-Sieg gegen Magdeburg am vergangenen Mittwoch durfte sich Djordjic wieder beweisen, wenn auch erst in der Schlussphase.

Er selbst hat kein Problem mit dieser Rolle, zumindest hört es sich bei ihm so an: „Mir war von vornherein klar, welche Situation ich in Hamburg vorfinde.“ Der HSV mit seinem großen Kader und seinen vielen Möglichkeiten, das alles bürge letztlich doch nur für Qualität. Jeder Tag, jedes Training mit Weltstars sei eine Herausforderung. Sie sei es, die er bei seinem Wechsel gesucht habe.

Wenn es nach Dierk Schmäschke geht, hätte Djordjic das auch in Flensburg haben können: „Wir haben Petar die sportlichen Perspektiven aufgezeigt, er hätte sich bei uns weiterentwickeln können. Aber er hat sich anders entschieden.“

Den Anschluss an die Spitze hat Flensburg dennoch nicht verloren. In den vergangenen 19 Monaten hat die SG in der Flens-Arena nur einmal verloren – gegen den HSV. Djordjic wundert diese Serie nicht: „Ich war ja nur einer von zwei Abgängen. Und so weit ich weiß, möchte Flensburg auch gern deutscher Meister werden.“ Welche Mannschaft dieses Ziel weiterverfolgen darf, wird man am Sonntagabend wissen, am Ende dieses Handballkrimis.