Der Rücktritt von Präsident Matthias Rudolph wird bei den HSV-Handballern wenig ändern, glauben Insider

Hamburg. Am Tag nach der Bekanntgabe des Rücktritts von Präsident Matthias Rudolph, 55, herrschte auf der Geschäftsstelle in der Volksbank-Arena Betriebsamkeit. Die Suche nach einem Nachfolger des Bochumer Apothekers bestimmte den Tagesablauf von Christoph Wendt, 39, auch wenn der Geschäftsführer der HSV Handball Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG sich und seinen Mitarbeitern Gelassenheit verordnet hatte. Martin Schwalb, 50, der Trainer des Champions-League-Sieger, trug diese Botschaft nach außen: „Den beiden Rudolphs, Andreas und Matthias, gehört der Verein. Sie können und werden weiter alles entscheiden. Insofern hat sich nichts geändert.“

Matthias Rudolph hatte seinen Schritt mit persönlicher Überlastung begründet: „Ich sehe mich nicht mehr in der Lage, mein ganzes Berufs- und Privatleben nach diesem Verein auszurichten. Dafür fehlt mir momentan die Energie.“ Dass der Verein den Rudolphs weiter am Herzen liege, „daran halten wir aber fest“. Matthias Rudolph bleibt mit einer Einlage von 200.000 Euro neben dem HSV Hamburg (Einlage: 251 Euro), HSV-Vizepräsident Frank Spillner (50.000 Euro), -Präsidiumsmitglied Sven Hielscher (150.000 Euro) und Finanzunternehmer Detlef Dinsel (50.000 Euro) einer von bisher fünf Kommanditisten der Betriebsgesellschaft.

Der neue Präsident soll am nächsten Mittwoch vom Aufsichtsrat ernannt werden. Die von den Mitgliedern gewählten Kontrolleure, Vorsitzender ist Uwe Wolf, bestimmen den Präsidenten. So will es die Satzung. Vor dem Bundesligaspiel des HSV gegen den SC Magdeburg (19 Uhr, O2 World) tagen von 16 Uhr an die Gremien des Vereins, Präsidium, Aufsichts- und Ehrenrat.

Der erste Kandidat winkte bereits ab. „Dass ich einmal Präsident werde, war nie geplant. Es macht mir großen Spaß, beim HSV mitzuwirken. Aber um einen solchen Topverein zu führen, fehlt mir nicht nur die Zeit, sondern auch der fachliche Hintergrund“, sagte der Hotelier und Gastronom Christoph Strenger dem Abendblatt. Strenger, 52, war wegen seiner persönlichen Nähe zu Andreas Rudolph, 58, ins Gespräch gebracht worden. Der Ahrensburger Medizindienstleister, als Sponsor und Mäzen seit Dezember 2004 der wichtigste Finanzier des Clubs, ist oft zu Gast in Strengers East-Hotel in der Simon-von-Utrecht-Straße auf St. Pauli.

Spillner und Schatzmeister Jens Lingthaler, die den Verein jetzt vorübergehend führen, drängen bei den herrschenden Strukturen ebenfalls nicht ins Präsidentenamt. Auch Hielscher und Aufsichtsrat Fritz Bahrdt, in den 1960er-Jahren Kapitän der deutschen Handball-Nationalmannschaft, werden keine Ambitionen nachgesagt.

Rechtsanwalt Claus Runge, Vorsitzender des Ehrenrats, sieht deshalb nur zwei Lösungen: „Andreas Rudolph wird wieder Präsident (Das war er bis Juli 2011, die Red.). Das wäre die sauberste und wünschenswerte Variante, weil er ohnehin im Verein das Sagen hat, ihn alle schätzen und respektieren, und er das nötige Know-how besitzt.“ Die zweite Möglichkeit sei, dass Rudolph einen Schnitt mache, Ehrenpräsident würde, alle Forderungen an den Club glattstelle, loslasse, und den Weg für einen operativen Neuanfang ohne ihn freigebe. Das könnte die Chance eröffnen, neue Geldgeber zu gewinnen, die wegen der Machtfülle der Rudolphs bislang vor einem Engagement zurückschreckten.

Die Handballer schulden ihrem ehemaligen Präsidenten, der in den vergangenen neun Jahren dem Verein diverse Darlehen gewährte, zig Millionen. Würde Rudolph das Geld zurückfordern, wäre der HSV Hamburg pleite.

Beide Modelle sollen Rudolph jetzt von einem alten Vertrauten aus dem Club angedient werden. Zuletzt hatte der Unternehmer unterschiedliche Signale ausgesandt. Nach dem Champions-League-Sieg am 2. Juni in Köln ließ er ausrichten, „ich bin wieder voll dabei“. Ein paar Wochen später blockte er alle Kontaktversuche ab: „Ich habe mit dem HSV Handball nichts mehr zu tun“, lautete dann seine Antwort, mündlich, per Mail oder SMS – oft verbunden mit harscher Kritik an der Geschäftsführung, dem Präsidium und dem Trainer.

Im Verein hat man sich an diese Launen gewöhnt, mit ihnen umzugehen, fällt vielen immer noch schwer. Andererseits hat Andreas Rudolph bisher jede seiner Verpflichtungen erfüllt, sich stets seiner Verantwortung gestellt. Niemand im HSV fürchtet, „dass er sein Baby im Stich lässt“. Dennoch: Bei acht am Saisonende auslaufenden Spielerverträgen ist spätestens zum Jahreswechsel eine gewisse Planungssicherheit gefragt. Die gab es in der Ära Rudolph indes selten. Seine überlebenswichtigen finanziellen Zusagen gab der Patron meist im letzten Moment.

Martin Schwalb hat am Dienstag seine Spieler über den Rücktritt von Matthias Rudolph informiert. „Es ist nie förderlich, wenn an der Führungsspitze Unruhe herrscht. Die Mannschaft wird sich davon jedoch nicht beeindrucken lassen“, glaubt der Trainer.