Hamburg. Als Viktor Hallén zurück zum eigenen Kreis trabte, studierte Martin Schwalb sein Gesicht ganz genau. Was der Trainer der HSV-Handballer darin ablesen konnte, war eine Mischung aus Verwunderung und Verzweiflung: „Der konnte es nicht fassen, dass der Ball nicht ins Tor gegangen war.“ Hallén, der Linksaußen des schwedischen Meisters Halmstad, war im Champions-League-Spiel am Donnerstag allein aufs Hamburger Tor zugerannt, er hatte seinen Wurf präzise auf Kopfhöhe angesetzt – aber wie bei einem Klappmesser schnappte urplötzlich der Fuß von HSV-Torwart Marcus Cleverly hoch und wehrte den Ball ab.

18 Paraden und eine 49-prozentige Erfolgsquote waren für den dänischen Neuzugang notiert, als ihn Schwalb nach 41 Minuten vom Feld nahm. Und auch wenn nicht jede Aktion derart spektakulär war, gebührte Cleverly doch Schwalbs größtes Lob nach dem 39:30-Sieg: „Marcus hat unfassbare Bewegungen drauf, und er hat die Fähigkeit, sich in ein Spiel reinzudenken. Das gefällt mir ausgesprochen gut.“

Der Trainer hat somit ein Problem, um das ihn die meisten seiner Kollegen beneiden: Er muss sich zwischen zwei Topleuten im Tor entscheiden. Gegen GWD Minden, die einzige noch sieglose Mannschaft in der Bundesliga, könnte an diesem Sonnabend (19 Uhr, O2World) durchaus wieder Johannes Bitter zu Beginn den Vorzug erhalten. Von seiner Form hing das HSV-Spiel in den vergangenen beiden Jahren meist ab. Cleverlys Vorgänger Dan Beutler konnte nie den großartigen Ruf bestätigen, der ihm aus seiner vorherigen Station in Flensburg vorausgeeilt war.

Cleverly, 32, ist nie als Weltklassemann angepriesen worden. Fünf Jahre lang hat er sich durch die Zweite Bundesliga gekämpft, bevor er 2009 zu KS Kielce in die damals noch recht exotische polnische Ekstraklasa wechselte. „Dass daraus eine Topmannschaft geworden ist, dazu hat Marcus einiges beigetragen“, sagt Schwalb. Als Dänemark im vergangenen Jahr Europameister wurde, stand Cleverly im Kader, allerdings auch im Schatten des fast acht Jahre jüngeren Niklas Landin von den Rhein-Neckar Löwen.

Dass Cleverly von den Dänen auch zur Heim-EM im Januar berufen wird, daran hat Schwalb keinen Zweifel: „Als Spieler des Champions-League-Siegers drängt er sich umso mehr auf.“ Chancen, sich zu empfehlen, wird Cleverly genügend bekommen, schon weil man Bitters Knien zwei volle Spiele pro Woche nicht auf Dauer zumuten will.

Menschlich, so ist zu hören, ergänzen sich die beiden auch. „Wir sind keine Konkurrenten, sondern Partner“, sagt Bitter. Der einzige Verlierer dieser Partnerschaft könnte Max-Henri Herrmann sein. Der 19-jährige Nachwuchstorwart wird sich so bald wohl nicht bei den Profis durchsetzen.