Katar wirbt auch in Deutschland um Handballfans für die WM 2015. Beim Super Globe fehlen sie bislang. Der HSV spielt heute um 17 Uhr gegen Afrikameister Etoile Sportive du Sahel.

Doha. Wenn José Javier Hombrados morgens den Wunsch verspürt, mit seinem ehemaligen Vereins- und Nationalmannschaftskollegen Arpad Sterbik einen Cappuccino zu trinken, lässt der Spanier vor dem Hotel Wyndham einen Wagen der gehobenen Mittelklasse vorfahren, setzt sich ans Steuer und fährt die 600 Meter zu Sterbiks nicht minder noblen Unterkunft.

„Bei Temperaturen von 40 Grad geht hier niemand auch nur einen Schritt zu viel zu Fuß, wenn er es vermeiden kann“, sagt Hombrados, 41, und macht sich nach einer halben Stunde auf den Rückweg. Die Torwartlegende hält beim Super Globe, der Handball-Club-WM in Katars Hauptstadt Doha, für Gastgeber Al-Sadd SC, Sterbik, 33, für den Turnierfavoriten FC Barcelona.

Bei Benzinpreisen von 25 Cent pro Liter bleibt Autofahren in Katar eine preiswerte Angelegenheit. Und dass der Fahrer des Mannschaftsbusses des Champions-League-Siegers HSV vor Sterbiks Hotel Millennium stundenlang den Motor für den Betrieb der Klimaanlage laufen lässt, damit die Hamburger Handballer wohltemperiert zu Training und Spiel kutschiert werden können, stört im Land mit dem weltweit größten Gasvorkommen und höchsten Pro-Kopf-Einkommen (73.000 Euro; zum Vergleich Hamburg: 53.000 Euro) bislang kaum jemanden.

Konzept der Handball-WM als Blaupause

Die Scheichs beginnen sich jedoch allmählich um ihre Umweltbilanz zu sorgen. Mit einem Pro-Kopf-Ausstoß von 44 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr (Deutschland: 9,6) sind die 1,9 Millionen Einwohner des kleinen Wüstenemirats ebenfalls Weltspitze.

Mit zwei Sportereignissen will der Mikrostaat am Arabischen Golf, in seiner Ausdehnung etwas kleiner als Schleswig-Holstein, seine Umkehr zu einer grünen Umweltpolitik dokumentieren: der Handball-WM im Januar 2015 und der Fußball-WM im Juni 2022. Das Konzept der Handball-Weltmeisterschaft gilt dabei als Blaupause.

Das oberste Gebot beider Veranstaltungen heißt Konzentration. Spielstätten und Hotels befinden sich in einem Umkreis von wenigen Kilometern. Stundenlange Reisen für Fans und Teams wie bei anderen Turnieren, zum Beispiel bei den Fußball-WMs in Brasilien (2014) und Russland (2018), entfallen. Das spart Kosten, erleichtert die Organisation, schafft Zeit zur Erholung und eröffnet die Möglichkeit, mehrere Spiele an einem Tag zu sehen; was Franz Beckenbauer 2006 in Deutschland nur per Hubschrauberflug gelang.

Drei neue Hallen werden derzeit für die WM gebaut

Weder Spieler noch Zuschauer, das ist der ambitionierte Plan, werden auf ihren Wegen großer Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit ausgesetzt. Die erneuerbare Energie für das Kühlen äußerer und innerer Spiel- und Besucherbereiche sollen Solarzellen liefern. An Sonnenstrahlung herrscht kein Mangel, selbst im Winter nicht, wenn die Temperaturen auf 22 Grad sinken. Gerade sechs bis acht Tage im Jahr regnet es in Katar. Technisch machbar erscheint inzwischen vieles, und deshalb überrascht es wohl keinen mehr, dass das benachbarte Emirat Dubai an eine Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2026 denkt. Das Argument der Energieverschwendung lassen die Araber nicht gelten. Die Deutschen, sagen sie, heizen, wir kühlen. Beides erfordere ähnlichen energetischen Aufwand.

Für die Handball-WM werden in Doha momentan drei Hallen mit maximal 15.000 Plätzen neu gebaut, die vierte steht schon. Die Al-Gharafa Sports Hall mit ihren 3000 Sitzen, dort findet der Super Globe statt, dient dann als Trainingsstätte. Die Arenen sollen später für weitere Weltmeisterschaften genutzt werden. Die Kandidatur für eine Basketball-WM läuft bereits.

Katars Handballverband startet Anfang nächsten Jahres in Europa seine WM-Kampagne und wird auch bei Bundesligaspielen seine Botschaft plakatieren. Mit einem Preis von rund 2600 Euro für Flug, Eintrittskarten und 17 Tagen Aufenthalt sollen ausländische Fans 2015 in die Wüste gelockt werden.

„Die packen kräftig zu und können jeden Spielfluss ersticken“

Beim Super Globe fehlen sie. Die Anweisungen von HSV-Trainer Martin Schwalb werden daher im Halbfinale am Donnerstag (17 Uhr MESZ, Livestream bei alkass.net) gegen Afrikameister Etoile Sportive du Sahel wieder gut zu verstehen sein. Hamburgs Kapitän Pascal Hens begegnet den Tunesiern mit Respekt: „Das ist eine Mannschaft, die eine unangenehme, aggressive Deckung spielt. Die packen kräftig zu und können jeden Spielfluss ersticken.“

Im letzten Vorrundenspiel gegen Barcelona (27:34) führte das Team aus Sousse mit drei Toren. „Wir haben uns hier von Spiel zu Spiel gesteigert, gegen die Tunesier müssen wir uns weiter verbessern“, sagt Hens. Dass dem HSV die jüngsten Strapazen anzumerken sind, dürfe jetzt keine Rolle spielen: „Natürlich sind wir platt, aber Müdigkeit kann man sich auch einreden. Wir haben Bock auf ein Finale gegen Barcelona, also werden wir alles dafür tun.“