HSV-Handballer scheitern im Pokalhalbfinale mit 25:26 nach Verlängerung an Flensburg - und Torhüter Andersson

Hamburg. Am Tag danach fiel der Blick nach vorn immer noch schwer. "Es tut schon verdammt weh, solch ein Spiel verloren zu haben", klagte Martin Schwalb. Der HSV-Trainer hatte eine unruhige Nacht verbracht wie die gesamte Mannschaft. Die 25:26 (13:14, 23:23)-Niederlage nach Verlängerung in einem dramatischen Pokalhalbfinale in der heimischen O2 World gegen die SG Flensburg-Handewitt verfolgte die Hamburger bis in ihre Träume. Und erste Erinnerungen wurden wach an die fatale Serie der HSV-Fußballer vor vier Jahren gegen Werder Bremen. Auch diese Mannschaften standen sich innerhalb von drei Wochen viermal gegenüber, und am Ende hatten die Bremer den HSV jeweils im Halbfinale aus dem Pokal und dem Uefa-Pokal geworfen. Und das auch noch in Hamburg.

Die Parallelen sind also beängstigend, aber soweit muss es mit den HSV-Handballern nicht kommen. Dafür hat das Team zu viel Substanz und individuelle Klasse - die es nun abzurufen gilt. Die Duelle im Viertelfinale der Champions League, am 21. April (18.45 Uhr) in Flensburg und am 28. April (18.30 Uhr) in der O2 World, stehen jetzt jedoch unter dem Eindruck der jüngsten Leistung des Flensburger Torhüters Mattias Andersson, 35. "Das war Weltklasse, einzigartig. An eine bessere Vorstellung eines Torhüters kann ich mich nicht erinnern", sagte HSV-Präsident Matthias Rudolph. 24 von 48 Würfen hielt der Schwede, während sein Gegenüber Johannes Bitter, 30, der auch eine starke Leistung bot, bloß zehnmal einen Treffer bei 34 Würfen verhindern konnte. Zwischendurch durfte deshalb sogar Dan Beutler, 35, wieder zwischen die Pfosten, das wahrscheinlich letzte Mal für den HSV. Er will in dieser Woche nach Katar wechseln. Der Schwede rechnet sich Chancen aus, für die dortige Nationalmannschaft bei der WM 2015 in Katar auflaufen zu dürfen. Die meisten Jobs in der Handballwelt sind schlechter bezahlt.

Dass Andersson zum Trauma für die HSV-Angreifer wird, glaubt Schwalb nicht. Schließlich hätten es die Kieler im Finale vorgemacht, wie auch dieser Torhüter zu bezwingen sei. Psychologische Hilfe hält der Trainer für überflüssig. Sein Rat: "Wir werden das Thema nicht zum Problem hochreden. Jetzt sind Spieler gefragt, die den Arsch in der Hose haben, und die haben wir." Natürlich könne man einiges verbessern, das eigene Wurfbild variieren und auch mal vor dem Wurf schauen, welchen Winkel Andersson abzudecken gedenkt.

"Zum Glück", sagt Bitter, "haben wir am Mittwochabend das Bundesligaheimspiel gegen TuSEM Essen. Da können wir auf andere Gedanken kommen und uns neues Selbstvertrauen holen." Zudem, meint der HSV-Torhüter, müsse "uns die Tatsache Mut machen, dass Andersson zwar überragend gehalten hat und wir dennoch nur mit einem Tor Unterschied verloren haben, und dies nach Verlängerung. Das zeigt doch, wenn wir unsere Torchancen wenigstens halbwegs nutzen, können wir die Flensburger schlagen."

Dazu gehört allerdings ein funktionierender Rückraum. Den hat der HSV derzeit nicht. Marcin Lijewski ist als einziger Linkshänder im rechten Rückraum kräftemäßig überfordert, verwandelte gegen Flensburg nur zwei seiner elf Würfe. Auf der anderen Seite leiden Kapitän Pascal Hens und Blazenko Lackovic weiter unter ihren Verletzungen. Hens schmerzen seine chronisch lädierten Füße, während Lackovic' zweimal gebrochener Zeigefinger an seiner rechten Hand ihn immer noch daran hindert, seine Würfe zu platzieren. Beide trafen gegen Flensburg nicht. Dagegen bleibt im zentralen Rückraum auf Domagoj Duvnjak Verlass, und auch Michael Kraus überzeugte diesmal mit einem starken Auftritt. Er warf in kritischen Situationen vier wichtige Tore.

Ein intensives Handballspiel aber scheint heute kaum noch möglich, ohne anschließend eine Diskussion über die Schiedsrichter zu führen. Das Gespann Holger Fleisch und Jürgen Rieber hatte indes auch Anlass zur Kritik geboten. Es verweigerte dem HSV kurz vor der Halbzeit ein Tor zum möglichen 14:14, weil Stefan Schröders Wurf zuvor vom Kopf des herausstürzenden Andersson abgeprallt war; eine mögliche, aber ungewöhnliche Entscheidung. HSV-Trainer Schwalb: "In 30 Jahren Spitzenhandball habe ich es noch nie erlebt, dass in solch einer Situation ein Treffer aberkannt wird." Einen anderen übersahen die Schiedsrichter, was wohl belegt, dass sie nicht parteiisch, sondern nur schwach waren. 30 Sekunden vor Schluss der regulären Spielzeit hatte Holger Glandorf geworfen und Bitter den Ball erst hinter der Linie abgefangen. Es wäre das 24:23 für Flensburg gewesen. Im Gegenzug musste Andersson zwei Sekunden vor Abpfiff Lijewskis Geschoss aus dem Winkel fischen, um sein Team in die Verlängerung zu retten. Rechtsaußen Schröder hält daher von dieser Debatte nichts: "Wenn wir vorn die Dinger nicht machen, müssen wir uns an die eigene Nase fassen."

Diese Erkenntnis ist nicht neu. Bereits nach dem 23:23 am vergangenen Dienstag in der Bundesliga waren Sätze wie dieser zu hören. Die Konsequenz blieb im Pokal aus. Jetzt sollte sie in der Champions League folgen, damit die Saison nicht eine zum Vergessen wird.

Tore, Flensburg: Glandorf 6, Mogensen 4, Weinhold 4, Kaufmann 4, Svan Hansen 3, Eggert 3 (1 Siebenmeter), Knudsen 2; HSV: Duvnjak 6, Kraus 4, Schröder 3, Jansen 3, Petersen 3 (3), Vori 2, Lindberg 2, Lijewski 2. Schiedsrichter: Fleisch/Rieber (Nellingen/Nürtingen). Zuschauer: 13.052. Zeitstrafen: 3; 6. Siebenmeter: 2 (1 verwandelt); 5 (3).