HSV-Handballer holen bei Medwedi Tschechow in der Champions League sechs Tore Rückstand zum 29:29 auf

Hamburg/Tschechow. Wie unterschiedlich so ein Unentschieden doch wahrgenommen werden kann! Am 4. Oktober stand den HSV-Handballern das Entsetzen im Gesicht, nachdem ihnen beim 27:27 gegen Medwedi Tschechow eine Führung mit vier Toren Unterschied aus der Hand geglitten war. Am Donnerstag nun, nach dem Rückrundenspiel beim russischen Meister, fielen sich die Hamburger Spieler freudestrahlend in die Arme. 29:29 (13:17) - das fühlte sich nach der Verzweiflung von bis zu sechs Toren Rückstand zu Beginn der zweiten Halbzeit (15:21) wie ein Sieg an. Und es erhält die Chance, die Gruppe A der Champions League auf einem Spitzenplatz abzuschließen. Auch der Gruppensieg ist weiterhin möglich, wenn der HSV seine letzten beiden Spiele in Belgrad und zu Hause gegen Montpellier deutlich gewinnt. Die beiden derzeit besser platzierten Russen und die SG Flensburg-Handewitt treffen am 21. Februar in Tschechow noch aufeinander.

"In der ersten Hälfte haben wir viele Fehler gemacht und die Russen immer wieder zu Tempogegenstößen eingeladen. In den letzten zehn Minuten haben wir dann sehr gut in der Abwehr gestanden und uns den Punkt verdient", sagte HSV-Trainer Martin Schwalb. Sogar ein Sieg war am Ende möglich, als Linksaußen Fredrik Petersen den HSV in der 52. Minute mit zwei Treffern zum 28:26 das erste Mal im Spiel in Führung warf. Erneute Unaufmerksamkeiten verhinderten aber das perfekte Comeback. In der Schlussminute musste Torhüter Johannes Bitter noch eine letzte seiner 14 Paraden zeigen, um wenigstens das Unentschieden zu retten. Pascal Hens mit sechs Treffern, Domagoj Duvnjak und Hans Lindberg, der vier von sechs Siebenmetern verwandelte, mit jeweils fünf Toren waren die besten Schützen der Hamburger.

Eine Spitzenplatzierung am Ende der Gruppenphase ist jedoch keine Garantie fürs Weiterkommen danach. Das musste der HSV im Vorjahr erfahren, als er die Vorrunde zwar als Tabellenerster abschloss, im Achtelfinale aber an den in ihrer Gruppe viertplatzierten Füchsen Berlin scheiterte. Ein ähnlich schweres Los droht diesmal nicht. Die aktuellen Tabellenvierten Bjerringbro-Silkeborg (Dänemark), Celje (Slowenien) und Szeged (Ungarn) sollten die Hamburger Ende März/Anfang April nicht am Einzug ins Viertelfinale hindern können. Der wäre umso wertvoller, weil der HSV in der Bundesliga als Tabellensechster seine ehrgeizigsten Saisonziele früh abschreiben musste.

"Die Champions League ist sowohl fürs Prestige als auch in finanzieller Hinsicht wichtig", sagt Geschäftsführer Christoph Wendt. Es sei allerdings nicht immer einfach, diese Bedeutung auch dem Publikum zu vermitteln. Nicht nur der HSV wünscht sich einen Wettbewerb mit weniger, dafür höherklassigen Spielen. Bei der Vermarktung der Vorrunde mit ihren zehn Partien tun sich Wendt und seine Mitarbeiter schon seit Jahren schwer: "Dass es am Ende auf jeden Punkt ankommen kann, ist gerade in der frühen Phase der Saison nur schwer zu vermitteln."

Für das letzte Heimspiel gegen Montpellier am 23. Februar sind bereits 5500 Karten verkauft. Der Mut, das Spiel in der O2 World und nicht in der weit kleineren Sporthalle Hamburg auszutragen, scheint sich auszuzahlen. Da der Oberrang verschlossen bleibt und somit nur noch 1500 Plätze verfügbar sind, könnte Hamburg zum ersten Mal ein ausverkauftes Champions-League-Spiel erleben. Die größte Kulisse hatte es vor vier Jahren im Viertelfinale gegen Flensburg gegeben (12.297).

Volle Hallen gäben dem HSV bei der Suche nach Werbepartnern ein gutes Argument an die Hand. Sie braucht der Verein, will er sich an der europäischen Spitze halten. Mäzen und Sponsor Andreas Rudolph könnte sein finanzielles Engagement - immer noch rund 2,5 Millionen Euro pro Jahr - in der kommenden Saison weiter zurückfahren. Seine Anteile an der Spielbetriebsgesellschaft von 74,9 Prozent hatte er im Dezember an den Verein zurückgegeben. Aus der Not soll nun eine Tugend werden: 47,9 Prozent der Anteile stehen nach der Umwandlung der GmbH in eine GmbH & Co. KG wie berichtet jetzt für Investoren offen.

Ähnlich wie bei Marktführer THW Kiel könnten die Kommanditisten künftig ein Machtzentrum im Verein bilden. Ihnen soll gegen eine Mindesteinlage von 50.000 Euro ein Sitz im Beirat und damit Mitsprache im Verein eingeräumt werden. Dass Andreas Rudolph bislang wichtige Entscheidungen im Alleingang zu fällen pflegte, hat in den vergangenen Jahren immer wieder mögliche Sponsoren abgeschreckt. Insofern könnte das neue Jahr auch für eine neue Phase der Transparenz beim deutschen Meister von 2011 stehen.