Der Meistertrainer der HSV-Handballer steht am Sonntag im Bundesligaspiel beim TBV Lemgo unter Erfolgszwang.

Hamburg. Wenigstens in Ostwestfalen sind die HSV-Handballer noch eine große Nummer. Der TBV Lemgo hat sein Heimspiel gegen die Hamburger an diesem Sonntag (15 Uhr/Sport1.de) wieder ins Gerry-Weber-Stadion verlegt. 6000 der gut 10.000 Sitzplätze waren am Freitag bereits verkauft, immerhin 1000 mehr, als in der heimischen Lipperlandhalle zur Verfügung stünden. Nur dem THW Kiel, dem deutschen Meister, Pokal- und Champions-League-Sieger, bereiten die Lemgoer sonst noch die große Bühne im knapp 50 Kilometer entfernten Halle.

Hätten sie beim TBV den Verlauf dieser Saison geahnt, dann hätten sie auf den Aufwand womöglich verzichtet. In der Bundesligatabelle ist ihr Gegner mit 18:12 Punkten als Achter nur noch gehobenes Mittelmaß. Die Spitze hat der deutsche Meister von 2011 bereits zwei Spieltage vor Ende der Hinrunde aus den Augen verloren. Selbst die Qualifikation für die Champions League, für die es nur drei garantierte deutsche Startplätze gibt, ist in Gefahr geraten.

Und im DHB-Pokal wendeten die Hamburger am Mittwoch erst in den Schlussminuten das Aus im Achtelfinale beim Zweitligisten TV Emsdetten ab nach einer Leistung, die nur kämpferisch akzeptabel war.

Lange lagen Anspruch und Wirklichkeit beim HSV nicht mehr so weit auseinander. Das letzte Mal muss zu Beginn der Saison 2005/06 gewesen sein. Erst ein neuer Trainer sorgte damals für die Wende zum Besseren: Martin Schwalb. Sieben Jahre, eine Meisterschaft, zwei Pokal- und einen Europapokalsieg später ist der einstige Erfolgsgarant selbst in die Defensive geraten. Und die Angriffe werden mit jedem Rückschlag härter.

Nach der 27:37-Niederlage in Berlin vergangene Woche legte Präsident Matthias Rudolph seinem Trainer mehr oder weniger unverblümt den Rücktritt nahe. Er forderte "Opferbereitschaft" von der gesamten Mannschaft ein und bezog, bei aller Wertschätzung, Schwalb ausdrücklich ein. In der germanischen Mythologie, so führte Rudolph aus, stürzten sich gescheiterte Fürsten selbst ins Schwert, um Jüngeren Platz zu machen. In einem "Bild"-Interview antwortete er auf die Trainerfrage so: "Es kann nicht sein, dass alle im Verein nur auf meine Entscheidung warten." Die Interpretation, wie die ausfallen würde, überließ Rudolph den Lesern.

Offensichtlich steckt der HSV in einem Dilemma. Ein Jahr nach der Trennung von Per Carlén kann sich der Klub einen weiteren Trainerwechsel buchstäblich kaum leisten - jedenfalls keinen erzwungenen. Carlén hat noch weitere eineinhalb Jahre Anspruch auf sein Gehalt, wie das Hamburger Landgericht erst im Sommer bestätigte. Für einen neuen Trainer ist in der HSV-Kasse kein Geld, erst recht, nachdem Präsident Rudolph einen Sparkurs ausgerufen hat.

Schon jetzt ist unklar, wie die kommende Saison finanziert werden soll, ohne dass Rudolphs Bruder Andreas, der Haupteigner der Spielbetriebsgesellschaft, erneut einen Millionenbetrag zuschießt. Die Personalkosten werden nach jetzigem Stand eher steigen. Allein in der vergangenen Woche hat der HSV zwei neue Spieler verpflichtet, den dänischen Kreisläufer Henrik Toft Hansen und den deutsch-serbischen Halblinken Petar Djordjic. Bislang gibt es keinen Abgang, der sich mit den Investitionen verrechnen ließe. Zudem ist der Kartenverkauf rückläufig. Und auch beim Sponsoring scheint sich ein Umsatzrückgang abzuzeichnen. Der Vertrag mit "Diamant-Partner" Sharp läuft am Saisonende aus, ein Nachfolger wurde bislang nicht präsentiert.

Ihn zu finden, sollte Schwalbs Aufgabe werden, als er nach dem Titelgewinn 2011 zum Präsidenten und Geschäftsführer aufstieg. Es blieb ein Zwischenspiel. Nach nur neun Monaten ließ sich Schwalb erweichen und übernahm wieder die sportliche Führung. An seine einstigen Erfolge konnte er allerdings nicht mehr anknüpfen.

Umso mehr fehlte er nun als Sympathieträger an der Vereinsspitze. Matthias Rudolph wohnt in Bochum und ist beruflich zu stark eingebunden, um den HSV im Tagesgeschäft zu repräsentieren. Auch der frühere Vizepräsident Dierk Schmäschke wurde bislang nicht gleichwertig ersetzt. Er hatte den Klub über Jahre mit der lokalen Wirtschaft verwoben und Sponsoren auch außerhalb der Medizinbranche angeworben, in denen die Rudolphs vernetzt sind.

Dass Schwalb den HSV weiterhin nach außen vertreten soll, scheint im Verein ausgemacht zu sein. Die Frage ist nur: in welcher Funktion? Er selbst gibt sich kämpferisch: "Es gilt jetzt für uns, sich bis zum Jahresende schadlos zu halten." Von den 15 verbleibenden Bundesligaspielen im neuen Jahr darf der HSV zehn zu Hause bestreiten, zudem könnten einige Verletzte wieder mitwirken. "Von denen, die in der Tabelle vor uns stehen, werden noch einige ins Rutschen kommen", sagt Schwalb. Den sicheren Stand allerdings muss er selbst erst wieder finden.

Igor Vori will offenbar doch an der WM im Januar in Spanien teilnehmen. Slavko Goluza hat den HSV-Kreisläufer in seinen erweiterten Kader aufgenommen. Von einem WM-Verzicht Voris war dem kroatischen Nationaltrainer offenbar nichts bekannt: "Er hat nie gesagt, er würde nicht spielen."