Der Bosnier Enid Tahirovic verlor beinahe ein Auge. Nun unterstützt er die HSV-Handballer

Hamburg. Die Sonnenbrille ist sein ständiger Begleiter. Gerade jetzt, wo es in Hamburg warm und der Himmel wolkenlos ist, geht Enid Tahirovic, 40, fast nie ohne sie vor die Tür. Er trägt sie nicht, weil er eitel ist oder besonders lässig wirken möchte. Für den bosnischen Nationalkeeper, den der HSV im Juli als befristeten Ersatz für den rekonvaleszenten Stammtorhüter Johannes Bitter (Kreuzbandriss) verpflichtete, sind die dunklen Gläser eine Notwendigkeit, weil sie sein rechtes Auge vor dem grellen Licht schützen.

Im Mai 2010 wäre Tahirovic fast erblindet. Damals stand er für den Bundesligaklub Frisch Auf Göppingen zwischen den Pfosten und hatte kein Spiel, kein Training verpasst - bis zu diesem einen Moment, in dem ein Ball mit hoher Geschwindigkeit gegen sein rechtes Auge prallte. "Es geschah im Training. Ich dachte mir zunächst nichts dabei, weil man als Torwart ständig Bälle ins Gesicht bekommt", sagt Tahirovic. Nach der Einheit wollte er nach Hause fahren, die Schmerzen vergessen, sich entspannen. Erst auf Drängen seines damaligen Teamkollegen Lars Kaufmann ging Tahirovic zum Arzt. Die Diagnose war niederschmetternd: Die Netzhaut war gerissen. "Hätte ich nicht am selben Tag den Doktor aufgesucht, wäre ich am nächsten Morgen auf einem Auge blind gewesen", sagt Tahirovic. Eine Notoperation rettete schließlich sein Augenlicht. Vergessen werde er diese Geschichte nie, "auch weil mein Auge seither sehr empfindlich ist". Aber sein Spiel habe die Verletzung nicht beeinträchtigt. "Torhüter sind eben ein bisschen verrückt", sagt er und lächelt.

Er ist ein ruhiger Typ, ein Mensch, der Sicherheit ausstrahlt und den Hamburgern nach ihrer zuletzt schwachen Bundesligasaison auch mental eine Stütze ist. Das ist es auch, was Martin Schwalb, 49, besonders an ihm schätzt. "Wir sind dankbar, dass er bei uns ist", sagte der HSV-Trainer, "ich habe gemerkt, dass in ihm noch Feuer brennt." Eigentlich wollte Tahirovic seine Karriere als Aktiver in diesem Jahr beenden und in seine Heimat zu Ehefrau Arijana und seinem Sohn Ismar, 13, zurückkehren. Er hatte das Angebot, beim bosnischen Handballverband einzusteigen und Co-Trainer der Nationalmannschaft zu werden. "Das ist jetzt erst einmal verschoben", sagt Tahirovic, der sich heute beim "Fan-Tag 2012" erstmals dem Hamburger Publikum präsentieren wird. In der Partie gegen den französischen Klub Chambéry Savoie (19.30 Uhr, Sporthalle Hamburg; Einlass ab 17.30 Uhr) wird es ein Wiedersehen mit den ehemaligen Hamburgern und zweimaligen Olympiasiegern Guillaume und Bertrand Gille geben. Tahirovic will auch bei diesem Freundschaftsspiel vollen Einsatz zeigen. Sein Sohn, sagt er, sei jetzt ein Held in der Schule, weil er beim "großen HSV" spiele. Dass er in nächster Zeit größtenteils auf seine Familie verzichten muss, trägt Tahirovic mit Fassung. Er weiß, dass er es überstehen wird. Er hat bereits ganz andere Dinge überstanden.

Der HSV gewann ein Testspiel beim Zweitligaklub VfL Bad Schwartau 30:24 (17:10). Beste Torschützen: Robert Schulze 7, Michael Kraus 6. Matthias Flohr (Hüftbeugereinblutung), Marcin Lijewski (verstauchter Knöchel), Hans Lindberg (Grippe) und Torsten Jansen (Knie) kamen nicht zum Einsatz.