Der Job bei den HSV-Handballern ist lukrativ - der Kreis der Kandidaten für die Nachfolge von Per Carlén jedoch sehr überschaubar.

Hamburg. Am Tag nach der Entlassung Per Carléns, 51, herrschte bei den HSV-Handballern Sprachlosigkeit. Die Mobiltelefone der meisten Spieler und Offiziellen waren abgestellt, und diejenigen, die Anrufe entgegennahmen, durften nichts sagen. Den Rausschmiss des Trainers sollte niemand kommentieren, hatte die Geschäftsführung des deutschen Meisters verfügt. Der Verein, so ist zu hören, will keine Munition für eine mögliche arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung liefern, die Carlén offenbar anstrebt. Um die Auszahlung von dessen Gehältern und Prämien bis zum Vertragsende am 30. Juni 2014, rund 600 000 Euro, dürften die Hamburger allerdings kaum herumkommen.

Es waren in erster Linie Kommunikationsprobleme, die zur Trennung des HSV von seinem schwedischen Übungsleiter geführt hatten, ein halbes Jahr nach dessen Dienstantritt Ende Juni. Einige der ausländischen Profis verstanden die blumenreiche Sprache Carléns, oft eine Mischung aus Deutsch, Schwedisch und Englisch, wenn überhaupt, nur schwer, besonders in der Hektik der Spiele. "Wir wussten meist nicht, was er von uns wollte", sagten diese. Deshalb entbehrt es nicht einer gewissen Tragik, dass Carlén für den Januar einen weiteren Intensivkursus in Deutsch gebucht hatte. Der kommt für den HSV nun zu spät. Diejenigen, die Carlén mit seinen Worten erreichte, hätten sich vom Verein ein früheres Eingreifen gewünscht; in Form von Hilfen für den Trainer. Die Beziehungen Carléns zu Gesellschafter Andreas Rudolph und Präsident Martin Schwalb waren jedoch schon nach den ersten Misserfolgen in der Bundesliga im September abgekühlt. Jetzt, da für den Tabellendritten die Qualifikation für die nächste Champions-League-Saison (Plätze eins bis drei) in Gefahr ist, sahen sich Rudolph und Schwalb zum Handeln genötigt.

+++ Per Carlén: Ende eines Missverständnisses +++

+++ Per Carlén als HSV-Trainer entlassen - Nachfolge offen +++

Beide schienen - trotz zahlreicher schwacher Auftritte der Meistermannschaft - lange Zeit gewillt, mit Carlén zusammenarbeiten zu wollen. Dafür spricht, dass der HSV bislang keinen neuen Trainer präsentieren kann oder will. Dabei ist der Arbeitsplatz in einer attraktiven Stadt wie Hamburg begehrt wie kaum ein anderer in der Handballwelt. Neben überdurchschnittlicher Entlohnung gilt die Infrastruktur des HSV mit der räumlichen Nachbarschaft von Geschäftsstelle, Trainings- und Spielstätte als einmalig. Kein Wunder also, dass ein Toptrainer wie Talant Duischebajew sagt, "ein Angebot des HSV würde ich mir immer anhören". Der 43-Jährige steht in Diensten von Atlético Madrid, vor dem Umzug BM Ciudad Real, liebäugelt aber seit Langem mit einem Wechsel in die stärkere Bundesliga. Duischebajew, der von 1997 bis 2001 in Deutschland spielte, wäre erst im nächsten Sommer zu haben.

Ein weiterer Kandidat, Weltmeister Markus Baur, 40, der beim TuS N-Lübbecke zum Saisonende gekündigt hat, ist wohl keine Option. Baur will auf Bitten seiner Familie nach Süddeutschland zurückkehren und darf mit einer Anstellung beim Deutschen Handballbund rechnen. Zvonimir Serdarusic, 61, wiederum hat Interesse signalisiert, dessen mutmaßliche Verstrickung in die Manipulationsaffäre des THW Kiel hält Rudolph für höchst problematisch, selbst ein Freispruch Ende Januar vor dem Kieler Landgericht würde an dieser Einschätzung nichts ändern.

Ein Engagement eines der schwedischen Nationaltrainer, Staffan Olsson oder Ola Lindgren, beide 47, ließe sich dagegen spätestens nach der EM in Serbien (15.-29. Januar) realisieren. Lindgren, im September 2010 bei den Rhein-Neckar Löwen beurlaubt, löste vor einer Woche seinen Vertrag beim Mannheimer Klub auf. Er wäre (ablöse-)frei für den HSV. Ein denkbares Szenarium: Meistertrainer Schwalb bereitet das Team auf das nächste Heimspiel am 8. Februar gegen den Tabellenzweiten Füchse Berlin vor, danach übernimmt Lindgren. Vonseiten des HSV gibt es dazu, wie zu allen Vorgängen in diesen Tagen, keinen Kommentar.