Die HSV-Handballer gewannen im DHB-Pokal gegen die Rhein-Neckar Löwen knapp mit 33:32 nach Verlängerung. Kraus kommt auf neun Treffer.

Mannheim. Dan Beutler rappelte sich auf, der Ball, den er soeben nach einem Wurf von Karol Bielecki mit dem Fuß pariert hatte, lag ganz ruhig vor ihm. Genussvoll nahm ihn der Torwart der HSV-Handballer auf, ließ die letzten Sekunden der Verlängerung verstreichen und seine jubelnden Mitspieler auf sich zukommen. Mit 33:32 (28:28, 12:14) hatte der deutsche Meister dem DHB-Pokal-Achtelfinalspiel bei den Rhein-Neckar Löwen noch eine nicht mehr für möglich gehaltene Wende gegeben. "Nach den zwei Bundesliga-Niederlagen war dieser Sieg eminent wichtig", sagte Spielmacher Michael Kraus später, "auf den Pokal werden wir uns in dieser Saison notgedrungen mit konzentrieren."

Nur drei Tage waren Per Carlén Zeit geblieben, Lehren aus dem 25:30 in Kiel zu ziehen. Aber der Trainer ließ früh erkennen, dass er nicht einfach alles bei Alten zu belassen gedachte. Linksaußen Torsten Jansen nahm wie Stefan Schröder zunächst hinter der Bank Platz. Und als der HSV nach einem Foul an Domagoj Duvnjak in der siebten Minute einen Siebenmeter zugesprochen bekam, machte sich zur allgemeinen Überraschung Kraus auf den Weg von der Bank zur Linie. Der Spielmacher, gerade von einem Muskelfaserriss in der Wade genesen, war in dieser Saison erst zu zwei Kurzeinsätzen gekommen. Doch offenbar wollte Carlén seinen Rechtsaußen Hans Lindberg entlasten, der am Sonntag bei acht Strafwürfen viermal gescheitert war.

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Kraus traf und brachte den HSV mit 3:2 erstmals in Führung. In der Folge schien der Meister das Spiel allmählich unter Kontrolle zu bekommen. Zwar wurde Nationalspieler Uwe Gensheimer als Leibwächter für den Hamburger Rückraum abgestellt. Doch insbesondere halbrechts taten sich dadurch Lücken auf, die Marcin Lijewski zu nutzen wusste. Auch als Kraus infolge einer Zeitstrafe für Duvnjak nach 17 Minuten erstmals Regie führen durfte, kam kein Bruch ins Angriffsspiel, im Gegenteil: In Unterzahl traf Kraus zur 10:9-Führung, nachdem er sich an den Kreis gestohlen hatte. Lijewski konnte wenig später mit seinem vierten Treffer auf 11:9 erhöhen.

Doch kurz vor der Halbzeit brachte eine Zweiminutenstrafe gegen Matthias Flohr die Hamburger aus dem funktionierenden Abwehrkonzept. Flohr hatte bis dahin den Wirkungsradius von Michael Müller auf ein Minimum reduziert. Und Krzysztof Lijewski, der den HSV beim 33:29-Sieg im Punktspiel im September mit neun Toren gedemütigt hatte, war gegen seinen früheren Klub wegen einer Mandelentzündung erst gar nicht zur Arbeit erschienen. Der zweite schmerzhafte Ausfall für die Löwen nach Spielmacher Zarko Sesum, der am Sonnabend einen Bänderriss im Ellbogen erlitten hatte.

In Überzahl also traf Müller plötzlich, und nach 11:9 sah sich der HSV unversehens mit 11:13 im Hintertreffen (28.). Zur Halbzeit wurde bei 12:14 eine Wurfquote von lediglich 53 Prozent aus dem Feld für den Meister verzeichnet. Und Torwart Dan Beutler hatte nur drei Würfe entschärfen können - Goran Stojanovic auf der gegenüberliegenden Seite sechs. Hinzu kamen fünf vermeidbare Fehler im Spielaufbau, die zu Ballverlusten führten.

Nach dem Seitenwechsel schien sich der HSV gefangen zu haben. "Wir haben uns vorgenommen, den Kampf wieder aufzunehmen", sagte Kraus. Doch Flohrs Tor zum 15:14 sollte lange die letzte Führung bleiben (35.). Carlén wechselte Kapitän Guillaume Gille als Spielmacher ein, um dem Angriff mehr Struktur zu geben. Doch auch diese Maßnahme verpuffte alsbald, die Tempoentschärfung schien eher den Mannheimern zugutezukommen. Als Müller zum 26:21 traf, tobte die SAP-Arena, und Präsident Martin Schwalb, der Meistertrainer der vergangenen Saison, wandte sich in böser Vorahnung ab (53.). Sein Nachfolger Carlén verbrauchte nun auch seine letzten taktischen Mittel und stellte die Abwehr auf die riskante Drei-drei-Taktik um und brachte Rückraumspieler Pascal Hens als siebten Feldspieler. Und siehe da: Hans Lindberg hätte in der 58. Minute auf 27:28 verkürzen können, doch auch seinen freien Wurf machte Stojanovic noch einmal dingfest. Dann wurde es dramatisch: Blazenko Lackovic verkürzte 39 Sekunden vor Schluss. Und einen technischen Fehler der Löwen nutzte Lindberg zum unverhofften 28:28-Ausgleich, als nur noch 14 Sekunden verblieben. Den Gegenangriff setzte Cupic an den Pfosten.

Die Verlängerung sollte die Entscheidung bringen. Und in der verwandelte Kraus auch seinen achten Siebenmeter zum Siegtreffer. Eine Geschichte, wie sie nur der Handball schreibt.

Das Viertelfinale wird am 29. Februar ausgetragen. Bundesliga-Rekordspieler Jan Holpert nimmt am Sonnabend in der Halbzeitpause des Spiels seiner SG Flensburg-Handewitt gegen die Löwen die Auslosung vor.

Tore, HSV: Kraus 9 (8 Siebenmeter), Lijewski 5, Lindberg 5, Lackovic 3, Vugrinec 3, B. Gille 2, Hens 2, G. Gille 1, Flohr 1. Schiedsrichter: Fleisch/Rieber (Ostfildern/Nürtingen). Zuschauer: 6513. Zeitstrafen: 3; 3.