Der HSV Handball will den Meistertitel verteidigen, und der neue Trainer Per Carlén soll dafür sorgen. Im Interview sagt er, wie es klappen kann.

Hamburg. Jetzt hat er das Sagen. Per Carlén, neuer Trainer der HSV-Handballer, bereitet das Meisterteam in Herrsching am Ammersee derzeit auf die neue Saison vor. Seine Mission lautet Titelverteidigung. Mit dem Abendblatt sprach der Schwede über Teamstrafen, Harmonie und echte Luxusprobleme.

Hamburger Abendblatt: Herr Carlén, Ihre Spitznamen aus Spielertagen lauten "Grizzly" und "Holzhacker". Müssen die Hamburger Profis Angst vor Ihnen haben?

Per Carlén: (lacht) Und mein Idol ist Clint Eastwood, der als Schauspieler ja auch nicht ohne war. Aber Spaß beiseite: Natürlich muss sich keiner vor mir fürchten.

Dabei eilt Ihnen der Ruf des "harten Hundes" voraus.

Carlén: Was heißt hart? Die Jungs wissen, dass es nötig ist, in der Vorbereitung konzentriert zu arbeiten. Wir haben eine lange Saison vor uns.

Und? Zufrieden mit dem Zustand der Mannschaft?

Carlén: Meine Spieler machen einen hervorragenden Eindruck. Bereits in den ersten Trainingseinheiten haben sie 100 Prozent gegeben. Mir ist es wichtig, die Jungs jeden Tag individuell weiterzubringen. Und dabei setze ich auf drei Dinge: Einstellung, Disziplin und Spaß. Zufrieden bin ich aber sowieso nie.

Gibt es denn überhaupt noch Steigerungspotenzial bei einer Meistermannschaft wie dem HSV?

Carlén: Es geht mir vor allem darum, Details zu verbessern. Ich versuche auf die Spieler einzugehen. Wenn Torsten Jansen zum Beispiel zu mir sagt, er möchte speziell an seiner Sprungkraft arbeiten, nehme ich das sofort in meinen Plan auf. Ich besitze einen Ordner mit Informationen über jeden Einzelnen meiner Spieler.

Ohnehin beziehen Sie die Mannschaft viel mit ein. Sie legen zum Beispiel keine Strafen fest.

Carlén: Das stimmt. Den Strafenkatalog sollen die Jungs unter sich besprechen.

Aber Sie haben festgelegt, dass Guillaume Gille Kapitän bleibt?

Carlén: Nein, ich habe mich da rausgehalten. Die Mannschaft hat das gestern einstimmig entschieden.

Das klingt ja fast, als seien Sie harmoniesüchtig.

Carlén: Für mich ist Harmonie im Team enorm wichtig. Natürlich gehören auch mal deutliche Worte dazu. Aber ohne Harmonie kein Erfolg!

Unzufriedenheit kann Harmonie aber auch schnell bröckeln lassen. Der HSV ist fast auf jeder Position doppelt gut besetzt.

Carlén: Als Trainer ist man natürlich immer auch Pädagoge und Psychologe. Ich erkläre den Jungs, warum ich bestimmte Entscheidungen treffe. So kann ich Konflikte vermeiden.

Bei der Anzahl an Weltklassespielern dürften Sie sich ja sowieso wie im Paradies fühlen.

Carlén: Tja, das ist die Frage. Paradies oder Hölle? Vielleicht bin ich ja auch der Teufel. (lacht) Aber im Ernst: Wir haben auf fast allen Positionen ein Luxusproblem. Igor Vori und Bertrand Gille am Kreis. Hens und Lackovic im linken Rückraum. Duvnjak, Guillaume Gille und Mimi auf der Mitte ...

... und zwei Top-Keeper im Tor. Wer wird die Nummer eins sein - Jogi Bitter oder Dan Beutler?

Carlén: Warum können wir eigentlich nicht mit zwei Torhütern spielen? Es wird von der Tagesform und vom Gegner abhängen, wer ein Spiel beginnt. Mit Dan und Jogi haben wir das beste Torhüter-Duo der Liga.

Bei dem Kader ist es kein Wunder, dass die Erwartungen in der kommenden Saison extrem hoch sind. Setzt Sie das unter Druck?

Carlén: Ich finde Druck total positiv. Ich bin da vielleicht anders als andere Menschen. Ich sage ganz klar: Ein Gewinnertyp liebt den Druck. Ich brauche das. Dann funktioniert mein Kopf besser.

Mit Martin Schwalb haben Sie einen Gewinnertypen als Vorgesetzten. Haben Sie Angst, dass er Ihnen reinreden könnte?

Carlén: Überhaupt nicht. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Martin, und ich denke nicht, dass es da Probleme geben wird. Er hat als Geschäftsführer und Präsident genug zu tun.

In den vergangenen Jahren war es die Philosophie des Klubs, vor allem Stars zu verpflichten. Werden Sie daran etwas ändern?

Carlén: Es ist mein Ziel, Spieler aus der Jugend in unsere erste Mannschaft zu führen. Es wäre sehr wichtig, dass unsere U 23 in die Dritte Liga aufsteigt. Zudem habe ich drei Spieler aus der zweiten Mannschaft mit ins Trainingslager genommen.

Wenn Sie es sich aussuchen könnten: einen Titel holen oder einen jungen Spieler entwickeln und ins Team einbinden. Was würden Sie wähle n?

Carlén: Lassen Sie es mich so sagen: Ohne Entwicklung kein Titel. Das Umfeld in Hamburg erwartet natürlich Pokale. Aber ich bin mir sicher, dass wir auch das Thema Nachwuchsförderung angehen sollten, ohne das Tagesgeschäft zu vernachlässigen.

Vernachlässigen darf man sicherlich auch den anstehenden Generationenwechsel beim HSV nicht. Ihre Mannschaft ist im Schnitt 27,37 Jahre alt.

Carlén: Wir müssen das im Auge haben. Wenn man wenig Probleme mit Verletzungen hat, kann man auch mit 35 oder 36 Jahren noch problemlos in der Bundesliga bestehen. Außerdem haben wir mit meinem Sohn Oscar und Domagoj Duvnjak zwei junge Spieler mit großer Zukunft im Kader. Der Umbruch hat also schon begonnen.

Erst einmal steht die Titelverteidigung im Vordergrund. Hilft es dem Team, deutscher Meister zu sein?

Carlén: Auf jeden Fall. Die Brust der Spieler ist jetzt noch breiter. Allerdings dürfen wir nicht arrogant werden. Intern darf man selbstbewusst sein und sagen "Hey, wir sind der HSV. Wir sind der Meister", aber wir müssen an die Saison auch mit Demut rangehen.