HSV-Handballer feiern mit ihren Fans in der O2 World stundenlang die Übergabe der Meisterschale. Am Sonntag geht es auf den Rathausbalkon

Hamburg. Irgendwann flossen dann doch die Tränen. Unter größter Mühe presste Per Sandström vor der Fankurve ein "Danke" heraus, stieß danach erleichtert wegen des gelungenen Ein-Wort-Schwalls die Schale in die Höhe und wirkte wie so oft ein wenig beschämt, als ihm vieltausendfacher Jubel entgegenschallte. Später, als Kapitän Guillaume Gille ihm vor der Haupttribüne demonstrativ das Hallenmikrofon in die Hand drückte, traf der Torhüter aus Schweden, der den Verein verlassen muss, mit rauer Stimme sogar den richtigen Ton: "Wer ist deutscher Meister? Ha, Ha, Ha, Haesvau!"

Das ist nun seit Mittwochabend um 20.46 Uhr offiziell. Reiner Witte, Präsident der Handball-Bundesliga (HBL), hatte Guillaume Gille in der mit 13 296 Zuschauern ausverkauften O2 World den silberfarbenen Meisterteller in die Hände gedrückt, und Kreisläufer Igor Vori sprach hinterher aus, was alle dachten: "Das Ding geben wir nicht mehr her. Das wird nicht unser letzter Titel sein!" So schwer es den Handballern des HSV in den vergangenen neun Jahren seit ihrer Gründung 2002 auch fiel, die Meisterschale zu erobern, sie dem Dauer-Dominator THW Kiel zu entreißen, so leicht fühlte sie sich im endgültigen Moment des Triumphes an. "Ich hatte sie mir schwerer vorgestellt", meinte Pascal Hens, der auch gleich die Flugeigenschaften des neuen Vereinsmitglieds testete. Aber keine Sorge! Nichts ging zu Bruch, Handballer sind schließlich im Fangen geübt.

Wer sah, wie ausgelassen, mit welch beinahe kindlicher Freude die Mannschaft den Titel jetzt bereits in der dritten Woche nach dem Gewinn der Meisterschaft immer noch feierte, wie ihr zur Unterhaltung ihrer ausharrenden Anhänger in der Arena ständig neue Choreografien einfielen, der mag erahnen, wie sehnlich dieses Team, diese Ansammlung von Weltmeistern und Olympiasiegern, der Trainer, sein Assistent, ja der ganze Klub sich dieses Championat gewünscht hatten. "Es gibt nichts Schöneres, als mit den Kumpels, mit denen du das ganze Jahr zusammen bist, ein gemeinsames Ziel zu erreichen, auf das du lange vergeblich hingearbeitet hast", sagte Hens. Und Rechtsaußen Stefan Schröder fügte ergriffen hinzu: "Es ist etwas ganz Spezielles, diese Schale in den Händen zu halten, sie zu spüren und dann von unseren Fans so ausgiebig gefeiert zu werden. Ich habe selten derart Emotionales erlebt."

Mehr denn je waren dann auch Sätze voller Dankbarkeit und Glück zu hören, wie der scheidende Präsident Andreas Rudolph sie formulierte: "Es haben sehr viele mit ihrem Engagement dazu beigetragen, dass wir diesen Moment erleben durften. Das macht diesen Titel zu einem besonderen. In einer Fußballstadt wie Hamburg deutscher Handballmeister zu werden und dabei derart viele Menschen mitnehmen zu können, erfüllt uns alle mit Stolz."

Per Sandström war am Ende einer langen Nacht - die erst am frühen Donnerstagmorgen im Winterhuder Club du Nord ausklang - nicht der Einzige, der schlucken musste. Nachdem sich Martin Schwalb pflichtgemäß zur Pressekonferenz in die Katakomben verabschiedet hatte, holten ihn Sprechchöre alsbald aufs Feierfeld zurück. "So habe ich mir das immer erträumt", sagte der Meistertrainer gerührt. Die von seinen Spielern geforderte Tanzeinlage wirkte zwar ein wenig ungelenk, "doch wir wollen uns ja noch ein paar Dinge für den Rathausmarkt aufheben", krächzte der Übungsleiter.

Für Sonntag um 15 Uhr ist mit Bürgermeister Olaf Scholz der finale Festakt auf dem Balkon des Regierungssitzes geplant. Die Party davor beginnt zwei Stunden früher. "Wir halten durch", versprach Torhüter Johannes Bitter, "wir sind Leistungssportler." Das muss die Mannschaft ein letztes Mal in dieser Saison morgen bei HBW Balingen-Weilstetten beweisen. "Wir werden dieses Spiel seriös vorbereiten, wie es sich für einen Meister gehört", versprach Schwalb. Die Mannschaft fliegt schon heute Abend nach Stuttgart.