HSV-Handballer geben beim 22:22 gegen Großwallstadt erstmals in dieser Saison in eigener Halle einen Punkt ab

Hamburg. Kurz nach dem Abpfiff sah Andreas Rudolph dringenden Handlungsbedarf. Der Präsident der HSV-Handballer eilte auf die gegenüberliegende Hallenseite, um den Schiedsrichtern Schutz zu geben. Robert Schulze und Tobias Tönnies hatten in den vorangegangenen 60 Spielminuten wiederholt den Unmut des Hamburger Publikums erregt, ihr Abgang in den Kabinentrakt wurde aber nur von Pfiffen, nicht von Bierbechern eskortiert. Als sich die allgemeine Aufregung gelegt hatte und Sachlichkeit in die Analysen einkehrte, war die Leistung der Unparteiischen zu Recht kein Thema. Vielmehr beschlich HSV-Trainer Martin Schwalb nach dem 22:22 (11:13) gegen den TV Großwallstadt das mulmige Gefühl: "Meister werden ist schon schwer."

Der Tabellenführer der Bundesliga hatte nach 14 Siegen in Folge in dieser Saison statistisch gesehen zwar seinen ersten Punkt in der heimischen O2 World verloren, nach dem Spielverlauf sollten die Hamburger den einen Zähler mehr auf der Habenseite jedoch als einen gewonnenen verbuchen. Sechs Punkte aus den restlichen sechs Begegnungen braucht der HSV nun noch zu seinem ersten Meistertitel. Dass der Mannschaft nach den Elogen der vergangenen Tage aber etwas die Leichtigkeit abhandengekommen zu sein schien, veranlasste den Trainer später zu einem Appell: "Lasst jetzt bitte alle die Spieler in Ruhe! Wenn wir die Schale irgendwann in den Händen halten, ist immer noch genug Zeit für Geschichten."

Dass sich eine andere wiederholen könnte, ein Sieg des Tabellenzehnten Großwallstadt bei einer Spitzenmannschaft wie vor zehn Tagen beim 28:25 in Kiel, war bis zur letzten Sekunde möglich. Dann fing HSV-Rechtsaußen Stefan Schröder einen Pass von Oliver Köhrmann ab und hielt mit dem Ball auch den Punkt in der linken Hand fest. "Ab der 20. Minute haben wir gekämpft wie die Löwen", befand Schwalb. Das war auch nötig, weil spielerisch diesmal erstaunlich wenig lief.

Hatte in Kiel noch Großwallstadts Mattias Andersson den überraschenden Sieg festgehalten, war der schwedische Torhüter in Hamburg kein entscheidender Faktor. Sieben von 29 Würfen parierte Andersson, eine für ihn eher unterdurchschnittliche Quote von 24 Prozent. Größere Probleme bereiteten dem HSV seine Vorderleute. "Sie haben die Schnelligkeit, die wir brauchen, aus unserem Spiel genommen", klagte Torhüter Johannes Bitter.

Entsprechend zäh wirkten die Bemühungen der Hamburger, Kombinationsfluss im Angriff zu entwickeln. Es gelang nur selten. Bis zur 40. Minute warf der HSV ständig einem Rückstand, bis zu drei Toren, hinterher, Bertrand Gille gelang zum 18:17 in der 44. Minute die erste Führung. Halten oder gar ausbauen konnte der HSV sie nicht, im Gegenteil. Beim Stand von 19:21 waren die Hamburger acht Minuten vor dem Ende der zweiten Saisonniederlage weit näher als dem 26. Sieg. "In der Mannschaft", sagte Bitter hinterher, "gibt es das Thema Meisterschaft nicht. Sollte sich doch ein kleiner Mann ins Ohr geschlichen haben, der etwas anderes erzählt, müssen wir ihn schnell wieder herauswerfen."

Zehn spielfreie Tage bleiben den HSV-Profis dafür Zeit. Einzig Michael Kraus ist dem Ruf von Bundestrainer Heiner Brand nach Schwerin gefolgt, wo sich die Nationalmannschaft auf zwei Testspiele am nächsten Wochenende gegen Norwegen einstimmt. Zeit vor allem für Guillaume Gille, bis zum Gipfeltreffen in Kiel seine Achillessehnenbeschwerden auszukurieren. Der Kapitän konnte gestern Abend die Zuschauer nur begeistern, als seine Vertragsverlängerung und die seines Bruders Bertrand offiziell bekannt gegeben wurden. Beide Gründungsmitglieder des Vereins haben bis zum 30. Juni 2013 unterschrieben.

Tore, HSV: Lindberg 5 (5 Siebenmeter), Hens 4, Lackovic 3, Vori 3, K. Lijewski 2, Jansen 1, Duvnjak 1, Kraus 1, B. Gille 1, M. Lijewski 1; Großwallstadt: Kneer 5, Larsson 5, Spatz 4 (1), Kunz 3 (1), Schäpsmeier 2, Weinhold 2, Köhrmann 1. Schiedsrichter: Schulze/Tönnies (Magdeburg). Zuschauer: 13 171 (ausverkauft). Zeitstrafen: 2; 7. Rot: Weinhold (41.), dritte Zeitstrafe.