Die HSV-Handballer gewinnen in Flensburg mit 34:30 und haben nach Kiels Patzer nun acht Punkte Vorsprung. Der Titel ist so gut wie sicher.

Flensburg. Kurz nach 21 Uhr hatte Frank Spillner, Präsidiumsmitglied der HSV-Handballer, für einen Moment das Interesse am Geschehen zwischen den Toren verloren. Immer wieder schaute er auf sein Smartphone, denn die Nachrichten aus Kiel verhießen Gutes. Drei Finger streckte er dann in die Höhe und signalisierte Präsident Andreas Rudolph, der unten am Spielfeldrand der Flensburger Campushalle stand, die Dreitoreführung der Rhein-Neckar Löwen beim deutschen Rekordmeister. Drei für ihn bange Minuten später ballte Spillner die Hand zur Faust, klatschte sich mit seinen Kollegen aus Präsidium und Aufsichtsrat ab. Der THW hatte 31:33 verloren.

Rudolph verstand die frohe Kunde, Martin Schwalb vernahm diese umgehend aus dessen Mund. Der Trainer drehte sich sofort wieder zum Spielfeld um und feuerte seine Mannschaft, die bei der SG Flensburg-Handewitt mit 11:9 führte, noch ein Stück leidenschaftlicher an als zuvor. Doch 75 Minuten später sollte sich Schwalbs Anspannung in pures Glück auflösen. Der 34:30-(15:13-)Sieg im Nordderby hatte aus dem Fragezeichen hinter der ersten deutschen Meisterschaft des HSV ein Ausrufezeichen gemacht. Wie seine Spieler klatschte sich Schwalb mit den 150 mitgereisten HSV-Fans ab. Dass diese Mannschaft in sieben Partien noch acht Punkte Vorsprung auf Kiel verspielen könnte, ist spätestens nach dem Eindruck von gestern undenkbar.

Selbst Schwalb verzichtete auf die sonst üblichen Mahnungen zur Besonnenheit und wurde schwärmerisch: "Das ist eine geile Mannschaft. Auch wenn heute nicht alle in Bestform waren, so waren wir doch gemeinsam nicht zu schlagen." Dass Schwalb noch daran erinnerte, dass es in dieser Saison "noch weitere Ziele zu erreichen" gebe, darf so verstanden werden, dass auch er das Restrisiko für beherrschbar hält. "Wir müssten uns schon sehr blöd anstellen, wenn das noch schiefgehen sollte", sagte der scheidende Vizepräsident Dierk Schmäschke, der nach Saisonende nach Flensburg zurückkehren wird.

Man erinnert sich an Spiele, in denen sich der HSV tatsächlich blöd anstellte. Aber sie liegen eine gefühlte Ewigkeit zurück. Der HSV von gestern Abend trat mit dem Selbstbewusstsein und der Leichtigkeit eines künftigen deutschen Meisters auf. Er konnte sich wieder einmal auf Torhüter Johannes Bitter verlassen, der 16 Flensburger Würfe parieren konnte, darunter einen Siebenmeter von Anders Eggert. Sein Gegenüber Dan Beutler, der in der nächsten Saison in Hamburg sein Kollege wird, konnte sich erst in der zwölften Minute für eine Parade feiern lassen. Im zweiten Durchgang wurde er ausgewechselt. Sören Rasmussen nahm seinen Arbeitsplatz ein. Aber auch er bekam seine Hände und Füße zu selten an den Ball, um den Hamburger Erfolg zu gefährden.

Das lag auch daran, dass der HSV die schnellen Gegenstöße konsequent abschloss und Rasmussens Vorderleute den überragenden HSV-Spielmacher Domagoj Duvnjak nie in den Griff bekamen. Schon beim Champions-League-Spiel in Valladolid hatte der 22 Jahre alte Kroate keine Zweifel an seiner großen Klasse aufkommen lassen, erzielte bei sechs Versuchen sechs Tore. Drei Tage später hatten seine Geschosse nichts von ihrer Genauigkeit eingebüßt und seine Anspiele an Kreisläufer Igor Vori, der wie sein Landsmann aus acht Versuchen acht Tore machte, nichts von ihrer Präzision. "Was dabei immer wieder vergessen wird, er ist auch ein hervorragender Abwehrspieler im Mittelblock geworden", lobte Schwalb den Jüngsten und Besten seines Teams.

Dennoch hatte das Spiel lange Zeit die Tendenz, keine zu haben. Der HSV führte zwar ständig mit einem, zwei, gelegentlich mit drei Toren Vorsprung, doch absetzen konnte er sich nie. Die HSV-Deckung, zunächst offensiv, später zurückgezogen agierend, brachte nicht immer die von Schwalb geforderte Konsequenz auf. Schwierigkeiten bereitete besonders SG-Kreisläufer Michael Knudsen, der nach langer Verletzungspause zeigte, warum die Flensburger ihn schmerzlich vermisst hatten.

Das alles war die Bestandsaufnahme bis zur 44. Minute, eines bis zu diesem Moment spannenden Spiels. Es stand 24:23 für den HSV - acht Minuten danach 29:23. Das war die Entscheidung. "Die Qualität des HSV ist es, dass er sein Niveau über die gesamte Zeit hochhalten kann", analysierte Flensburgs Trainer Ljubomir Vranjes hinterher. Diese Qualität, das darf man jetzt wohl sagen, ist meisterlich.

Tore, Flensburg: Eggert 11 (7 Siebenmeter), Fahlgren 5, Knudsen 4, Svan Hansen 4, Szilagyi 3, Heinl 2, Boesen 1; HSV: Duvnjak 8, Vori 8, Lindberg 8 (2), M. Lijewski 5, Hens 3, Flohr 1, Jansen 1. Schiedsrichter: Fleisch/Rieber (Ostfildern/Nürtingen). Zuschauer: 6500. Zeitstrafen: 3; 2.