Der heutige HSV-Gegner DHC Rheinland weiß noch nicht, ob er die Saison zu Ende spielen kann. 200.000 Euro beträgt der Finanzbedarf.

Hamburg. Auch am gestrigen ersten Geltungstag seiner Kündigung bestieg Trainer Kai Wandschneider wieder den Bus des Dormagener Handball-Clubs Rheinland. Man sei schließlich immer noch eine Profimannschaft, auch wenn viele seiner Bundesligaspieler den Sport nur nebenbei betreiben könnten. Und dazu gehöre auch, dass die Mannschaft nicht erst am Spieltag zum HSV Hamburg reist, auch wenn sich ein Tabellenletzter beim Tabellenersten keinen allzu großen Hoffnungen hingeben sollte (20.15 Uhr, O2 World). "Für die Spieler und für mich ist das wichtig", sagt Wandschneider.

Nur einmal, bei der Partie in Berlin im Februar, sei die kurzfristige Anreise unausweichlich gewesen. Eine Woche zuvor hatte der DHC ein Insolvenzverfahren beantragt, weil ein Hauptsponsor seiner Zahlungsverpflichtung von 350 000 Euro nicht mehr nachkam. Spieler, Trainer und Geschäftsstellenmitarbeiter erhielten die Kündigung, gemäß den Statuten steht der frühere Bayer-Werksklub als erster Absteiger fest. Weitere drei Leistungsträger haben den DHC kurzfristig verlassen.

Wandschneider, 51, muss also improvisieren, wieder einmal. 41 Spieler hat der gebürtige Hamburger in den vergangenen zweieinhalb Jahren aufgeboten, jeder zweite war 21 Jahre oder jünger. Für die meisten war es der erste Ballkontakt in der Bundesliga. Trotzdem blieb die Mannschaft erstklassig, auch weil die Nachwuchsabteilung des Stammvereins TSV Bayer zu den besten in Deutschland gehört.

Kurzum: Dormagen erfüllte, wenn auch finanznotgedrungen, viele der Forderungen, die Bundestrainer Heiner Brand seit Jahren predigt. Bekannte Spieler wie Christoph Schindler, Adrian Pfahl und Torge Johannsen konnten sich hier für höhere Aufgaben empfehlen. Nun ist dieses Projekt gescheitert. Nach mehr als zehn Jahren in Dormagen hat sich Wandschneider zum 1. Juli arbeitslos gemeldet.

Noch ist nicht einmal klar, ob der DHC die Saison zu Ende spielen kann. Auf 200 000 Euro beziffert der Insolvenzverwalter den Finanzbedarf. Eine vergleichsweise lächerliche Summe, aber doch zu hoch, als dass sie durch die vielen Spenden- und Rettungsaktionen im Umfeld aufgebracht werden könnte.

Ein vorzeitiger Rückzug aber würde den Imageschaden für die Bundesliga erheblich vergrößern, wenngleich deren Geschäftsführer Frank Bohmann den Fall anders bewertet als die Insolvenzen von Tusem Essen und der HSG Nordhorn vor zwei Jahren: "Er ist nicht auf jahrelange Misswirtschaft zurückzuführen. Der Ausfall eines Sponsors kann auch einen gut geführten Verein in Schieflage bringen."

Eine weitere Verschärfung des Lizenzierungsverfahrens hält Bohmann deshalb nicht für geboten. Um Wiederholungen zu vermeiden, trete er aber für eine stärkere Eigenkapitalreserve der Klubs ein: "Wir sind nur bedingt krisenresistent, der Handball lebt zu sehr von der Hand in den Mund." Ein entsprechender Vorstoß der Lizenzierungskommission sei jedoch von den Erstligisten abgelehnt worden.

Bohmann appelliert deshalb an die wirtschaftliche Vernunft der Manager: "Man darf nicht sportlichen Fantasien hinterherrennen." Die Spielergehälter müssten wieder auf ein reelles Maß zurückgeschraubt werden. Bei den kleineren Klubs machten sie mehr als 75 Prozent des Etats aus. Die HSG Ahlen-Hamm musste ihre Profis bereits zu einem Gehaltsverzicht bewegen, um die Insolvenz abzuwenden.

Die Mannschaft des DHC wird mittlerweile mit Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit bezahlt. "Wir müssen auf große Teile des Gehalts verzichten", berichtet Wandschneider. Seiner Motivation tue das aber keinen Abbruch: "Mich halten die Spieler mit ihrer vorbildlichen Einstellung aufrecht. 500 Euro mehr oder weniger spielen für sie keine Rolle." Aufgeben werde sich die Mannschaft jedenfalls auch heute Abend nicht.