Nach 21 Bundesliga-Siegen in Folge verlieren die Handballer des HSV in der Champions League mit 27:28 gegen Frankreichs Ligaprimus Montpellier

Hamburg. Bertrand Gille sah nicht aus wie einer, der unbedingt jemanden zum Reden brauchte. Sich in die Kabine flüchten und Ruhe haben, danach stand dem Kreisläufer der HSV-Handballer vermutlich eher der Sinn. Aber weil Gille Profi ist und die unter seinesgleichen seltene Gabe besitzt, die deutsche Sprache fast genauso gut zu beherrschen wie die heimatliche französische, stellte er sich für die Pressekonferenz nach der 27:28-(11:13-)-Niederlage im Champions-League-Spiel gegen Montpellier zur Verfügung. Er übersetzte Montpelliers Trainer Patrice Canayer ins Deutsche und HSV-Trainer Martin Schwalb ins Französische. Und als er am Schluss zu einer eigenen Stellungnahme gebeten wurde, sagte der Weltmeister: "Es gab Schlüsselszenen, die wir nicht zu unseren Gunsten drehen konnten. Deshalb haben wir verloren. Das tut sehr weh."

Das Gefühl der Niederlage war den Hamburgern ja nach 21 Siegen in der Bundesliga ziemlich fremd geworden. Letztmals waren sie Mitte Dezember in Berlin als Verlierer vom Feld gegangen. Gut, das war ein Pokalspiel, aber seit gestern muss man auch die Champions League zu den Wettbewerben zählen, die sich offenbar nicht in die Gesetzmäßigkeiten des Sports fügen. Anders ist kaum zu erklären, dass der souveräne Tabellenführer der wahrscheinlich stärksten Liga der Welt in Europas Meisterklasse auf den vierten Platz der Gruppe B zurückgefallen ist. Im besten Fall kann sich der HSV bei zwei ausstehenden Spielen noch auf Platz drei verbessern. Die Chance ist also gut, im Achtelfinale einen starken Gegner zugelost zu bekommen. Das Rückspiel findet in jedem Fall auswärts statt. "Aber in der K.-o.-Runde geht die Champions League sowieso von vorn los", sagte Schwalb, und seine Zuversicht klang glaubwürdig.

Verloren ist zunächst nicht mehr als das vage Gefühl, unbesiegbar zu sein. Es hatte sich gestern ohnehin als trügerisch erwiesen, wie Schwalb feststellen konnte: "Einige von uns mussten erst einmal in der Realität ankommen." Als der Prozess nach acht Minuten und ungezählten verlorenen Zweikämpfen beendet war, lag der HSV 1:6 zurück. Doch er arbeitete sich bis zur Pause auf zwei Tore heran, obwohl mehr Würfe daneben- (12) als ins Tor gingen (11). Und als Torsten Jansen nach vier Minuten der zweiten Halbzeit einen Tempogegenstoß zur ersten Führung von 14:13 abschloss, schien das Spiel eine ähnliche Wende zu nehmen, wie sie dem HSV beim 30:26-Sieg zum Saisonauftakt in Montpellier gelungen war.

Aber dann legte der französische Tabellenführer die vielleicht größte Schwäche des deutschen offen: die körperliche. "Am Ende konnten wir im Duell eins gegen eins oftmals nicht mehr dagegenhalten", hatte Johannes Bitter festgestellt. Das galt im Übrigen auch für den Fernvergleich des Hamburger Torhüters (10 Paraden) mit Montpelliers Richard Stochl (18).

Und noch eine Erkenntnis konnten die 4086 Zuschauer in der ausverkauften Sporthalle Hamburg auf den Heimweg nehmen: Montpellier hat mehr zu bieten als Nikola Karabatic. Der Star der WM fiel lange Zeit nur durch Fouls und Fehlwürfe auf. Der Star des Abends hieß Mladen Bojinovic, der alle seine zehn Würfe ins Ziel brachte. "Er war heute magisch", sagte Gille über den Serben.

Das ließ sich beim besten Willen von keinem Hamburger sagen. Die letzte Ausgleichschance verwarf Pascal Hens 17 Sekunden vor Schluss mit einem Pass ins Aus. In dieser, aber auch nur in dieser Szene erinnerte Hens an den unglücklichen Nationalmannschaftskapitän, den er bei der WM im Januar gegeben hatte. Ansonsten gelang es ihm leidlich, den Ausfall des an der Schulter verletzten Blazenko Lackovic vergessen zu lassen, weit besser jedenfalls als Marcin Lijewski den Ausfall seines Bruders Krzysztof. Der hatte sich nach seinem Comeback am Donnerstag einen Magen-Darm-Infekt eingefangen.

Vielleicht kann Schwalb schon morgen im Bundesligaspiel beim TuS N-Lübbecke (20.15 Uhr/Sport1) erstmals in dieser Saison seinen gesamten Kader einsetzen. Kapitän Guillaume Gille hat seine Wadenverletzung so weit kuriert, dass er gestern zumindest in der Abwehr spielte. Mehr gute Nachrichten gibt es von diesem Champions-League-Abend nicht zu verbreiten.

Tore, Hamburg: M. Lijewski 6, Hens 5, Schröder 4, Duvnjak 4, Lindberg 3 (2 Siebenmeter), Vori 2, B. Gille 1, Kraus 1, Jansen 1; Montpellier: Bojinovic 10 (6), Accambray 5, Guigou 5 (2), Kavticnik 3, N. Karabatic 2, Hammed 2, Juricek 1. Schiedsrichter: Nachevski/Nikolov (Mazedonien). Zuschauer: 4086 (ausverkauft). Zeitstrafen: 1; 4.