Das Nachwuchskonzept 10+4 hat Präsident Rudolph ad acta gelegt. Der HSV Handball soll Erfolge feiern - und das möglichst schnell.

Hamburg. Was Bundestrainer Heiner Brand von den Vereinen nicht müde wird zu fordern, gab es in Hamburg bereits schwarz auf weiß. Dem Bundesliga-Tabellenführer HSV hatte Sportchef Christian Fitzek, 49, vor eineinhalb Jahren ein Jugendkonzept geschrieben. Es sah vor, dass die erste Mannschaft in Teilen durch deutsche Nachwuchsspieler aufgefrischt wird. Die Formel hieß 10+4, ein Kader aus zehn Weltstars mit vier Talenten, und sie hätte den Klub nicht nur in die sportliche Zukunft geführt, sondern bei einem Gesamtetat von mehr als zehn Millionen Euro auch Gehaltskosten von bis zu 1,5 Millionen Euro sparen helfen. Das ist immerhin ein Großteil jener Summe, die HSV-Präsident Andreas Rudolph, 55, dem Verein Jahr für Jahr aus privaten Geldern zuführt - neben seinem nicht minder großzügigen Engagement als Sponsor seiner Firmen aus der Gesundheitsbranche (geschätzte 1,5 Millionen Euro pro Saison).

Fitzeks Anleitung zum Sparen bei hinreichender sportlicher Qualitätssicherung, ausgehändigt an Präsidium und Aufsichtsrat, verstaubt inzwischen im Archiv. Rudolph hat trotz seines bevorstehenden Abschieds als Vereinspräsident zum Spätsommer dieses Jahres noch einmal die Verträge der Stars über Jahre hinaus zu erhöhten Bezügen verlängert, neue wie Torhüter Dan Beutler und den Halbrechten Oscar Carlén von der SG Flensburg-Handewitt geholt - und Fitzek zum Saisonende herausgeschmissen. Bleiben noch die Franzosen Bertrand und Guillaume Gille in Hamburg, was längst nicht entschieden ist, wäre die nächste HSV-Mannschaft weit teurer als die jetzige.

Wie sie finanziert werden soll, darüber herrscht im Verein weiter Unklarheit. Rudolph hatte zuletzt wiederholt unmissverständlich angekündigt, sein finanzielles Füllhorn schließen zu wollen. Hielte er Wort, hätten die Handballer ein existenzielles Problem. Nicht nur die Bundesliga-Lizenz wäre dann wohl in Gefahr. So weit wird es jedoch nicht kommen. Im letzten Moment hat Rudolph immer noch eine Patronatserklärung unterschrieben. Die von Wirtschaftsprüfern testierten Lizenzunterlagen müssen im März der Handball-Bundesliga (HBL) vorliegen.

Rudolphs Motiv scheint klar, und es deckt sich mit dem der nationalen und internationalen Konkurrenz. Und genau das ist das Problem des Bundestrainers Heiner Brand. Seine Interessen sind nicht die der Spitzenvereine. Nachwuchsarbeit ist schön, aber viel zu langfristig angelegt, Stars sind besser. Rudolph und seine Kollegen aus Kiel, von den Rhein-Neckar Löwen, bei Ciudad Real oder dem FC Barcelona wollen Erfolge, und diese möglichst sofort. Die gibt es kurzfristig nur, wenn jede Position in den Teams doppelt gut besetzt ist. Dieses Konzept hat den HSV an die Tabellenspitze der Bundesliga geführt. Es zu ändern, mag Rudolph fürchten, hätte bei möglichem Misserfolg einen höheren Preis als die Millionen Euros, die er auch künftig zuschießen muss. Sponsoren und Zuschauer könnten sich vom Klub abwenden.

Paradox ist dabei, dass der neue HSV-Trainer Per Carlén, 50, ideal zum Konzept 10+4 gepasst hätte. Gerade seine zehnjährige Erfahrung an einem Handball-Internat in der Nähe Malmös schien im vergangenen Sommer ein Argument bei seiner Verpflichtung zu sein. Dass die Nachwuchsarbeit beim HSV eine geringere Rolle spielen wird als bei seinen Vertragsgesprächen geplant, hatte den Schweden bei seinem Besuch in Hamburg Ende Dezember genauso überrascht wie die Trennung des Vereins von Sportchef Fitzek. Dass Carlén dennoch Stars auf die Bank setzen und dem Nachwuchs eine Chance geben wird, gilt als unwahrscheinlich. Schon Martin Schwalb, 47, hatte sich Derartiges nicht getraut. Man erwarte beim HSV von ihm Titel und keine Talentfördermaßnahmen, hatte der aktuelle Coach immer auf Vorhalte geantwortet, er würde jungen Spielern zu wenig Vertrauen schenken.

Der HSV reduziert die Eintrittspreise im Oberrang auf 10 Euro (Kategorie 5) für seine nächsten beiden Bundesliga-Heimspiele in der Hamburger O2 World gegen die HSG Wetzlar (9. Februar) und den TSV Hannover-Burgdorf (16. Februar).