Die Bundesliga will mehr Kontrolle auf die Handballschiedsrichter ausüben. Kritiker und Verband fürchten um die Unabhängigkeit der Zunft

Hamburg. Den Kurzurlaub in Hamburg hat sich Lars Geipel nicht vermiesen lassen. Zwei Tage lang genoss der internationale Handballschiedsrichter die Schönheiten der Hansestadt, bevor er am Freitagnachmittag ins heimische Teutschenthal zurückkehrte. Man hätte Geipel nicht verdenken können, wenn er seine Reisepläne kurzfristig geändert und den Norden fluchtartig verlassen hätte. Beim 32:31-Sieg des HSV Hamburg über die Rhein-Neckar Löwen hatten sich er und sein Kollege Marcus Helbig (Landsberg) durch einige umstrittene Entscheidungen den Zorn der Hamburger Trainerbank und der Tribünen zugezogen. Christian Fitzek sah sich später sogar zu einer Generalkritik veranlasst: "Die Leistungen der Schiedsrichter", führte der HSV-Sportchef aus, "werden der Qualität des Spiels nicht gerecht. Darüber sollte man sich Gedanken machen."

Das haben sie in der Handball-Bundesliga (HBL) längst getan. Die nach eigenem Dafürhalten "beste Liga der Welt" möchte das Schiedsrichterwesen, das bisher in der Obhut des Deutschen Handball-Bundes (DHB) steht, am liebsten in die eigene Hand nehmen. Dies war ein zentraler Beweggrund, weshalb die Liga ihren Grundlagenvertrag mit dem DHB vorzeitig zum 30. September 2011 gekündigt hat. "Wir wollen mehr für Ausbildung und Entwicklung der Schiedsrichter tun", sagt HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann. Vor allem aber will die Liga ähnlich wie im Basketball bei der Nominierung der Schiedsrichter mitreden.

So sieht das Grundsatzpapier, das die HBL am 3. Januar in Hamburg in die Verhandlungen mit dem DHB über einen neuen Grundlagenvertrag einbringt, eine gemeinsame Schiedsrichterkommission vor. Sie soll Qualifizierungsmaßnahmen entwickeln und die Ansetzungen koordinieren.

Für Bohmann duldet die Sache keinen Aufschub. Der Handball habe in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten eine rasante Entwicklung genommen, mit der die Unparteiischen Schritt halten müssten: "Und die Qualität der Schiedsrichter ist entscheidend für die Qualität des Spiels insgesamt." Wobei mehr Professionalität nicht Profischiedsrichter bedeuten müsste. Die derzeitige Entlohnung von 500 Euro pro Spiel hält Bohmann zwar für dem Anlass angemessen: "Aber wir müssen darüber nachdenken, einen globalen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Schiedsrichter einen Großteil ihrer Freizeit und ihres Urlaubs opfern." Eine gute Bezahlung sei nicht zuletzt wichtig, damit die Unparteiischen ebendies blieben. Denn die Versuchungen, Einfluss zu nehmen, wachsen rasant. So konnte man auf das Spitzenspiel zwischen dem HSV und dem THW Kiel in der vergangenen Woche bei 146 Wettanbietern weltweit setzen. "Mit diesem Thema müssen wir uns auseinandersetzen", sagt Bohmann.

Im DHB kann man den Gedanken nur bedingt folgen. Für eine Qualitätsdebatte jedenfalls sieht Horst Bredemeier, Vizepräsident und Vorsitzender des Schiedsrichterausschusses, keinen Anlass: "In der Breite hat der DHB die besten Schiedsrichter weltweit." Namentlich Geipel/Helbig seien über jeden Zweifel erhaben. Das Gespann wurde vom Weltverband IHF kürzlich für die WM der Männer im Januar in Schweden nominiert. Im Übrigen seien es die Bundesligatrainer, die die Schiedsrichter bei Lehrgängen schulten. Für den Vollzeitschiedsrichter sieht Bredemeier keine Zukunft: "Gerade die guten Schiedsrichter sind auch im Job erfolgreich."

Geipel, 35, arbeitet hauptberuflich als Redakteur bei der "Mitteldeutschen Zeitung". Den Beruf für den Handball aufgeben würde er nicht: "Die Einführung von Profischiedsrichtern würde unsere Unabhängigkeit von der Liga und vom Handballbetrieb insgesamt gefährden." Die Verantwortung müsse daher weiter beim DHB bleiben: "Es kann nicht sein, dass sich die Vereine am Ende den Schiedsrichter selbst aussuchen." Die Ausbildung der Schiedsrichter habe im vergangenen Jahrzehnt einen großen Sprung gemacht. Vor allem die körperlichen Ansprüche an seine Zunft seien enorm gestiegen. Zusätzliche Unterstützung bei der mentalen Vor- und Nachbereitung der Spiele sei allerdings durchaus wünschenswert.

Fitzek hatte das nachträgliche Videostudium bereits am Freitag besänftigt: "Einiges hat sich beim zweiten Hinsehen relativiert." Dennoch unterstützt auch er die Forderung, dass die Bundesliga die Schiedsrichter selbst ausbildet. Eine engere Kommunikation mit den Vereinen würde viele Diskussionen erst gar nicht aufkommen lassen und die Fronten aufweichen.

Geipel will sich die strittigen Szenen vom Mittwoch am Wochenende noch einmal anschauen. Das Pfeifkonzert und die hämischen Sprechchöre der Zuschauer kann er dann ausblenden. Das war schon auf dem Feld ganz gut gelungen: "Unter dem Strich war es ein geiles Handballspiel."