HSV-Handballer besiegen die Rhein-Neckar Löwen mit 32:31 (13:16) und bleiben Tabellenführer vor dem THW Kiel

Hamburg. Martin Schwalb mochte es nicht mehr mit ansehen. Die Spieluhr war bereits abgelaufen, und Karol Bielecki, der einäugige Scharfschütze der Rhein-Neckar Löwen, hatte sich vor der zehnarmigen Hamburger Mauer aufgebaut. Mit 32:31 führten die HSV-Handballer, es war die letzte Chance der Rhein-Neckar Löwen, einen durchaus verdienten Punkt zu behalten. Eigentlich ein aussichtsloses Unterfangen, und als der Jubel unter den 11 076 Zuschauern losbrach, wusste auch der Trainer, dass der Wurf drüber und es vollbracht war: Nur acht Tage nach dem Last-Minute-Sieg über Titelverteidiger Kiel hatte Schwalbs Mannschaft auch den zweiten großen Meisterschaftsrivalen mit letzter Kraft noch bezwungen. Und wie im Spitzenspiel acht Tage zuvor waren es wieder Marcin Lijewski und Torhüter Johannes Bitter, die am Ende den Sieg und die Tabellenführung in der Bundesliga gesichert hatten.

"Eine unglaubliche Energieleistung der Jungs", lobte Schwalb, "aber über die erste Halbzeit wird noch zu reden sein." Später. Denn so viel Zeit muss bleiben, um hervorzuheben, dass der HSV als Spitzenreiter aus dem November geht, jenem Monat also, der als richtungweisend für die Meisterschaft gegolten hat. Doch das drohte gestern lange Zeit unmöglich zu sein. Nur Blazenko Lackovic und Bitter schienen ihre glänzende Form vom Kiel-Spiel konserviert zu haben. Von den ersten neun Würfen auf sein Tor konnte Bitter sechs teilweise spektakulär parieren.

Doch dann verließ ihn urplötzlich das Glück. Die ausbleibende Nationaltorhüterleistung schlug sich alsbald auf der Anzeigetafel nieder. Eine 5:4-Führung des HSV (13. Minute) schlug binnen drei Minuten in einen 5:8-Rückstand um. Schwalb nahm eine Auszeit, doch die schien für seine Spieler nach Wiederanpfiff noch ein wenig anzudauern. Nur die Fehlerquote blieb auf hohem Niveau. Zehn misslungene Würfe und sieben technische Unzulänglichkeiten führten zu Ballverlusten, die die Löwen und namentlich Nationallinksaußen Uwe Gensheimer in leichte Tore ummünzten. "Hans, halt den Ball fest!", tobte HSV-Präsident Andreas Rudolph am Spielfeldrand, als ein Pass von Rechtsaußen Hans Lindberg beim Gegner landete. Aber auch Marcin Lijewski und Spielmacher Michael Kraus schafften es bis zur Pause nur dank ihrer Fehler auf den Statistikbogen. Und so kam zur Halbzeit (13:16) erst Stimmung auf, als der 11:15-Zwischenstand vom Spiel Kiel gegen Magdeburg bekannt wurde.

Er dürfte sich auch in der HSV-Kabine herumgesprochen haben. Jedenfalls kehrte der Pokalsieger spürbar entschlossener aufs Parkett zurück. Schwalb stellte die Abwehr offensiver auf drei, zwei, eins ein. Bitter meldete sich mit einer Parade zurück, Marcin Lijewski mit dem ersten Tor an. Und als Torsten Jansen nach 37 Minuten mit einem Gegenstoß das 19:17 gelang, schien sich die Geschichte des Kiel-Spiels zu wiederholen: lange zurückgelegen, am Ende gewonnen.

Doch nun entdeckten auch die Löwen ihr (Ring-)Kämpferherz, das in diesem Fall einen Namen hat: Oliver Roggisch. Der Abwehrspezialist machte den HSV-Angreifern das Treffen schwer. Mehr noch schien Schwalb an Lars Geipel und Marcus Helbig zu verzweifeln, das namhafte Schiedsrichtergespann brachte Trainer und Publikum (Ihr seid Schiris, keiner weiß, warum!") mit jeder Entscheidung pro Löwen mehr gegen sich auf. Immer wieder legten die Gäste vor, immer wieder konnte der HSV ausgleichen. Und als Lijewski 93 Sekunden vor dem Ende zum 32:31 traf, schien es nur noch Stehplätze zu geben. Im Gegenzug warfen Grzegorz Tkaczyk und Gensheimer Bitter zum HSV-Spieler des Tages, aber auch Lackovic scheiterte an Slawomir Szmal. Dann wollte Schwalb nicht mehr hinsehen.

Tore, Hamburg: Lackovic 6, Vori 6, Duvnjak 6, Hens 3, Jansen 3, M. Lijewski 2, Kraus 2, B. Gille 2, G. Gille 1, Lindberg 1; Rhein-Neckar: Gensheimer 11 (6 Siebenmeter), Bielecki 6, Groetzki 4, Myrhol 3, Lund 3, Tkaczyk 2, Stefansson 2. SR.: Geipel/Helbig (Steuden/Landsberg). Zeitstrafen: 6; 3.