HSV-Handballer besiegen Flensburg-Handewitt mit der stärksten Saisonleistung 32:24

Hamburg. Über den Kampf um die deutsche Handballmeisterschaft der Männer kann derzeit vielleicht niemand so kompetent Auskunft geben wie Per Carlén. Der schwedische Trainer der SG Flensburg-Handewitt hatte gerade das zweifelhafte Vergnügen, mit seiner Mannschaft binnen weniger Wochen dem THW Kiel und dem HSV Hamburg und mithin den beiden Titelfavoriten zu begegnen. Jedenfalls ist Carlén fest überzeugt, dass es am Ende wieder auf diesen Zweikampf hinauslaufen wird, auch wenn die Rhein-Neckar-Löwen vorübergehend die Tabelle anführen und die Füchse Berlin eine erstaunliche Zähigkeit an den Tag legen.

Auf einen Meistertipp wollte sich Carlén am Sonnabend allerdings nicht einlassen. Aber wenn man ihn so frage - und man fragte ihn so -, dann werde der HSV wohl das erste Duell mit dem Titelverteidiger und Champions-League-Sieger am Dienstag kommender Woche für sich entscheiden. Carlén sagte: "Wenn Hamburg die gleiche Disziplin und das gleiche Tempo spielt wie gegen uns, dann werden sie ihr Heimspiel gewinnen. Das war sehr beeindruckend."

Was hätte er auch sonst sagen sollen? Seine Mannschaft hatte soeben mit 24:32 (12:18) beim HSV verloren. Statistisch ist das zunächst nicht weiter auffällig. Flensburg hatte sein Heimspiel gegen den THW im Oktober mit 31:37 verloren. Rechnet man den Heimvorteil heraus, sind beide Niederlagen in etwa gleich deprimierend. Die Kieler freilich hatten ihr Spiel erst in der Schlussphase entschieden, als die Flensburger die Kräfte verließen und ihr bester Werfer Oscar Carlén mit einem Nasenbeinbruch ausschied.

Der HSV hingegen ließ seinen Gegner nur 20 Minuten lang in dem Glauben, er sei Teil eines spannenden Derbys. Dann fegte er über die Flensburger hinweg, dass ihnen schwindelig wurde. Binnen fünf Minuten wurde so aus einem 11:11 ein 17:11. Zwei entscheidende Dinge waren passiert. Zum einen war Nationaltorhüter Johannes Bitter für den glücklosen Per Sandström ins Tor gekommen und lieferte im Laufe des Spiels zehn haltbare Argumente für die beschlossene Vertragsverlängerung nach. Zum anderen wurden die Schritte der Hamburger Abwehrspieler nun um jene zehn bis 15 Zentimeter länger, von denen Trainer Martin Schwalb in der Auszeit gesagt hatte, "dass sie im Handball über Wohl und Wehe entscheiden".

Es habe nur diesen "kleinen Schubs" des Trainers gebraucht, um ins Rollen zu kommen, erzählte Kapitän Guillaume Gille: "Wir sind zum Glück sehr gut drauf." Das ließ sich auch von den 13 171 Zuschauern in der O2 World sagen. Beides fügte sich zu einem großartigen Handballabend zusammen, der noch großartiger hätte werden können, hätte Schwalb nach einer Zwölftoreführung (29:17, 47. Minute) nicht schon an das morgige Spiel in Großwallstadt gedacht und seine geringer beschäftigten Arbeitskräfte ins Spiel gebracht.

Die Wechsel hätten wohl schon zur Halbzeit kommen können, denn die Gäste schienen sich der Übermacht des deutschen Pokalsiegers bereits gebeugt zu haben nach zehn traumatischen Minuten, die Schwalb als "fast perfekt" wahrnahm. "Der HSV hat uns zu einer Juniorenmannschaft gemacht", sagte Carlén. Es war nur eine gefühlte Verjüngung: Der Flensburger Kader ist mit 27,6 Jahren um durchschnittlich 0,3 Jahre älter als der des alten Rivalen. Die Differenz dürfte weiter anwachsen. Flensburgs bester Torschütze Oscar Carlén, 22, wird wohl zur kommenden Saison nach Hamburg wechseln und seinen Vater als Nachfolger des künftigen Geschäftsführers Schwalb gleich mitbringen. Per Carlén, 49, parierte entsprechende Nachfragen am Sonnabend mit den bekannten Argumenten: Er habe keinen Vertrag beim HSV unterschrieben, ein Verbleib bei der SG über 2011 bleibe für ihn die erste Option. Die Verhandlungen der Flensburger mit Åke Unger, dem Berater der Carléns, blieben bisher ohne Ergebnis. Ob sie überhaupt ergebnisoffen sind, wird auch an der Förde inzwischen bezweifelt, nachdem Per Carlén seine angeblichen Hamburger Ambitionen bisher eher halbherzig dementiert hat. Seine Entscheidung, erklärte er am Sonnabend, plane er noch im November bekannt zu geben. Möglicherweise werde es aber auch länger dauern.

Möglicherweise wird ihm die Entscheidung aber auch abgenommen. In Flensburg ist das Vertrauen in den Trainer offenbar nachhaltig erschüttert. Die demütigende Niederlage beim HSV wird den Graben eher vertieft haben.

Tore, Hamburg: Lindberg 8 (3 Siebenmeter), Kraus 5, M. Lijewski 5, Jansen 4, Lackovic 4, Duvnjak 3, Vori 3; Flensburg-Handewitt: Szilagyi 7, Mogensen 5, Carlén 4, Heinl 2, Eggert 2 (1), Karlsson 1, Fahlgren 1, Mocsai 1, Boesen 1. Schiedsrichter: Bernd und Reiner Methe (Vellmar). Zuschauer: 13 171 (ausverkauft). Zeitstrafen: 1; 1.