Gegen die Füchse Berlin müssen die HSV-Handballer das Leistungsprinzip wiederbeleben

Hamburg. Spät am Donnerstagabend hatte Martin Schwalb plötzlich das Gefühl, er habe jetzt genug Fragen beantwortet. Seine HSV-Handballer hatten sich im Champions-League-Heimspiel gegen den schwedischen Meister Sävehof soeben zu einem 33:24-Sieg durchgerungen und den Trainer damit "sehr zufrieden" gestimmt. Und es lag nahe, dass das Gespräch irgendwann auf den nächsten Gegner Füchse Berlin kommen würde. Aber so weit ließ es Schwalb gar nicht kommen: "Die Füchse sind nicht mein Thema." Dann sagte er noch etwas davon, wie wichtig Respekt im Leben sei, und entschwand Richtung Mannschaftskabine.

Es reicht für gewöhnlich schon, dass die Rede auf Berlin kommt, um Schwalbs Laune in den freien Fall zu bringen. Doch diesmal sitzt die Verstimmung tiefer. Wie immer hat Bob Hanning seinen Anteil daran: Der Füchse-Manager und Schwalb-Intimfeind hatte im Abendblatt-Interview gestichelt, mit den Zuschüssen von HSV-Präsident Andreas Rudolph wäre der Überraschungstabellenführer längst deutscher Meister geworden. Zumindest Hamburgs sportlicher Leiter Christian Fitzek war zu einer Entgegnung bereit: "Eine Unverschämtheit."

Schwalbs Schweigen sagt in diesem Fall aber noch etwas aus: über die eigene Anspannung. An diesem Sonntag (17.30 Uhr, O2-World Hamburg/Sport1) muss seine Mannschaft den Beweis nachliefern, ob sie ihre nominelle Weltklasse gegen einen Gegner von gehobenen Ansprüchen ausspielen kann. Bisher ist sie ihn schuldig geblieben: Die Spiele in Göppingen, Veszprém und Kolding gingen verloren, in Montpellier hat nur Torhüter Johannes Bitter Schlimmeres verhindert. Noch immer hat der deutsche Pokalsieger, obschon mit Nationalspieler Michael Kraus noch einmal verstärkt, nicht das Niveau der Vorsaison erreichen können.

Die Parolen jedoch sind die alten geblieben. Schwalb appellierte nach der zum Teil trostlosen Darbietung von Kolding am vergangenen Wochenende an die Arbeitsmoral seiner Profis: "Wer den Schritt nicht macht, hat ein Problem beim HSV." An diese Konsequenz aber wollen die Kritiker im Verein nicht glauben. Das Leistungsprinzip sei bei den Hamburgern schon seit Jahren außer Kraft gesetzt. Der Gang über die Schmerzgrenze werde zwar goutiert, aber nicht vorausgesetzt. Nie werde er die Harmonie im Team gegen mehr Erfolg eintauschen, hat Rudolph einmal gesagt. Harmonie aber wirft keine Tore.

Womöglich ist so zu erklären, dass einige Spieler über Einstellungsprobleme klagen. Fitzek sieht dafür auch die steigenden Belastungen und den Reisestress verantwortlich, der offensichtlich auch anderen Spitzenmannschaften zu schaffen mache: "Den Spielern gelingt es vielleicht nicht mehr, sich alle drei Tage hundertprozentig zu konzentrieren. Deshalb glaube ich, dass solche Aussetzer wie in Kolding nicht nur uns immer häufiger passieren werden."

Dass die Mannschaft selbstzufrieden sei, mag Rudolph nicht erkennen. Der Präsident scheint trotz beißender Kritik noch auf die Selbstheilungskräfte im Team zu vertrauen. Bei einer Klausur auf Mallorca hat er kürzlich Spieler und Trainer ins Gebet genommen. Einige Profis mit auslaufenden Verträgen warten indes noch auf ein Gesprächsangebot Rudolphs. Die Vermutung liegt nahe, dass sich der Unmut in Teilen der Mannschaft unbemerkt zu einem Problem ausgewachsen haben könnte, das auch aufs sportliche Parkett ausstrahlt.

Zumal in den Personalplanungen keine klare Linie erkennbar ist. So sollen sich Rudolph, Schwalb und Fitzek angeblich darauf verständigt haben, Bitter nicht über die laufende Saison hinaus zu beschäftigen. Offenbar ist Rudolph nun auf eine Vertragsverlängerung umgeschwenkt. Auch Kraus' Verpflichtung, dessen Klasse nicht angezweifelt wird, und die Erneuerung von Pascal Hens' Vertrag bis 2015 sind im Verein, wie bei vielen Fans, umstritten.

In einem Punkt seiner Arbeitsplatzbeschreibung zumindest hat es Schwalb am Sonntag leicht: Für die Motivation hat sein Vorvorgänger Hanning bereits hinreichend gesorgt. "Ich gehe davon aus, dass diese Aussagen bei unseren Spielern die angemessenen Emotionen freisetzen", sagt Fitzek. Es sollten nur leistungsfördernde sein.