Handballmeister verliert im Achtelfinale der Champions League mit 23:24 auch das Rückspiel - und Torwart Bitter

Hamburg. Die ersten Opfer der Verhältnisse waren die Reiterlichen Jagdhornbläser Wentorf. Geschlossen hatten sie Aufstellung genommen vor der Kabine der HSV-Handballer in der O2 World, bereit, ihre Fürst-Pless- und Parforcehörner zum Klingen zu bringen, so wie sie es schon vor dem Anpfiff im Innern der Arena getan hatten. Es hatte das Halali zur Aufholjagd gegen die Füchse Berlin sein sollen, nachdem diese das Achtelfinalhinspiel der Champions League mit 32:30 gewonnen hatten. Doch das im Protokoll vorgesehene Gratulationsständchen fiel aus. Der HSV hatte auch das Rückspiel gegen den Bundesligazweiten mit 23:24 (11:10) verloren und muss nach der Titelverteidigung in der Meisterschaft das zweite Saisonziel abschreiben.

Es sollte noch lange ruhig bleiben vor der Hamburger Kabine. Irgendwann trat Linksaußen Torsten Jansen heraus und sagte: "Ein Handballspiel dauert 40 und nicht 60 Minuten." Nach 40 Minuten hatte seine Mannschaft nämlich noch mit 17:12 geführt, nachdem sie dreimal hintereinander in Überzahl getroffen hatte. Eine bis dato ausgeglichene Partie wollte sich zugunsten des deutschen Meisters neigen, der zuvor schon aus einem 8:10-Rückstand (27. Minute) eine 14:10-Führung gezaubert hatte. Die 7843 Zuschauer tröteten und tobten, und Füchse-Torwart Silvio Heinevetter sollte später gestehen: "In dieser Phase hatten wir Angst vor einer Blamage."

Aber auch diese Angst schien nichts zu sein im Vergleich zu der, die den HSV der Saison 2011/12 umtreibt. Manchmal reicht schon ein Fehlwurf, ein unnötiger Ballverlust, ein verpasster Abpraller, ein zweifelhafter Schiedsrichterpfiff, um das Werk eines ganzen Spiels ins Wanken zu bringen. Binnen nur sechs Minuten war die schöne Führung beim 17:17 wieder verspielt.

"Diese Mannschaft kommt eben immer wieder", frohlockte Berlins Manager Bob Hanning später. Der frühere HSV-Trainer reichte nach dem größten Erfolg der Klubgeschichte schon einen Legendennamen herum: das Wunder von Berlin. "Wir haben nur 40 Prozent des HSV-Etats, das macht uns personell angreifbar", sagte Hanning, "aber wir können an jedem Tag jeden schlagen."

Und die Hamburger sich an jedem Tag selbst. Offenbar war die Angst des HSV vor Heinevetter viel größer als die Heinevetters vor dem HSV. Nahezu jeder zweite Hamburger Wurf landete in den Fängen des derzeit besten Bundesligatorhüters, 22 insgesamt. "Aber wenn man Selbstvertrauen hat, ist es egal, wer da im Tor steht", sagte Martin Schwalb. Dieses Selbstvertrauen konnte auch der Meistertrainer in den nur zwei Wochen seit seiner Rückkehr seiner Mannschaft nicht vermitteln.

Dabei gab es auch gestern genügend Begebenheiten, an denen sie sich hätte aufrichten können. Die Abwehr, diesmal geschlossen am Kreis postiert, machte den gefürchteten Berliner Rückraum weitgehend unschädlich. Dahinter stand Torhüter Dan Beutler oft richtig, insgesamt 13-mal. Ein Spiel zu verlieren, in dem man nur 24 Gegentore bekommen hat, ist im modernen Tempohandball selten geworden.

Aber vielleicht ist gerade dies das Problem: dass der HSV den Tempohandball derzeit nicht in seinem Angriffsrepertoire hat. Und mit jedem Spiel wird offenkundiger, dass das auch an körperlichen Defiziten liegt. Schon im Hinspiel hatten die Hamburger den Sieg in der Schlussphase noch aus der Hand gegeben.

In der Vorsaison waren die letzten Minuten oft die besten gewesen. Diesmal ließ sich auch nicht alles mit den vielen Verletzten erklären. Gestern gaben Bertrand Gille (Muskelfaserriss) und Pascal Hens (Bauchmuskelzerrung) ihr Comeback, auch Renato Vugrinec wäre nach seinem Innenbandanriss im Knie wieder einsetzbar gewesen. "Aber natürlich ist man nach vier Wochen ohne Training nicht auf der Höhe seines Schaffens", sagte Schwalb.

Womöglich muss er in den kommenden Partien Johannes Bitter ersetzen. Der HSV-Torhüter, erst drei Minuten im Spiel, verdrehte sich kurz vor Schluss bei einem Zusammenprall mit Sven-Sören Christophersen das rechte Knie. Sollte sich der Verdacht auf Kreuzbandriss bei der heutigen Untersuchung bestätigen, drohen Bitter mindestens sechs Monate Pause.

In der Partie am Mittwoch in Balingen könnte Florian Meier aus der zweiten Mannschaft seinen Platz einnehmen. Er war bereits in der vergangenen Saison für ein Spiel, in dem Bitter gesperrt war, in den Kader gerutscht. Mittelfristig aber käme der HSV nicht um die Verpflichtung eines Ersatzmanns herum, andernfalls drohen auch die verbleibenden Ziele, Platz drei in der Liga und der Gewinn des DHB-Pokals, verloren zu gehen. "So einen Mann aus dem Hut zu zaubern wird nicht einfach", fürchtet Schwalb. Aber einfach ist beim HSV derzeit ohnehin nichts.

Tore: HSV Hamburg: Lindberg 5, Duvnjak 4, Lijewski 4, Hens 3, Kraus 3, Lackovic 2, Vori 1, B. Gille 1; Füchse Berlin: Christophersen 4, Richwien 4, Petersson 4, Pewnow 4, Bult 4 (4 Siebenmeter), Jaszka 2, Nincevic 2. Schiedsrichter: Dentz/Reibel (Frankreich). Zuschauer: 7843. Zeitstrafen: 4; 3.