Talant Dujshebaev soll Trainer des HSV Hamburg werden. Annäherung an einen Handball-Besessenen

Hamburg. Was die Spieler des Handballklubs Atlético de Madrid schon immer über ihren Konkurrenten Valladolid wissen wollten, werden sie heute von 18 Uhr an erfahren. Die erste gemeinsame Trainingseinheit nach der EM-Pause steht an, und wie vor jedem Spiel wird Madrids Trainer Talant Dujshebaev seine Mannschaft auf das Topduell der spanischen Liga am Sonnabend akribisch vorbereiten. "Talant weiß immer alles über den Gegner", sagt der Berliner Kreisläufer Torsten Laen, der Dujshebaev in dessen ersten Trainerjahren beim Atlético-Vorgängerklub Ciudad Real erlebte, "und er ist taktisch unheimlich gut."

Laen, 32, zeichnet das Bild eines Perfektionisten, eines im besten Sinne vom Handball und vom Erfolg Besessenen. Nie habe er einen Trainer mit so viel Hingabe erlebt: "Ob morgens beim Frühstück oder spätabends, immer ging es nur um Handball, immer fand er noch eine Kleinigkeit, die man verbessern könnte." Wahrscheinlich muss man so gestrickt sein, um einen derartigen Berg an Erfolgen anzuhäufen: Olympiasieger und Weltmeister, zweimaliger Welthandballer, Champions-League-Sieger als Spieler und als Trainer, dazu unzählige nationale Meisterschaften und Pokale. Kurzum: Talant Dujshebaev Mukhanbetov, wie der Kirgise seit seiner Einbürgerung in Spanien geschrieben wird, ist bereits mit 43 Jahren zu dem geworden, was man im Sport eine Legende nennt. Und dieser könnte alsbald ein ganz neues Kapitel hinzugefügt werden: als Trainer des HSV Hamburg.

Mit dem Gedanken, ihn zum deutschen Meister zu holen, spielt Mehrheitseigner Andreas Rudolph bereits seit Jahren. Viermal hintereinander hat Dujshebaev mit Ciudad Real dank taktischer Meisterleistungen den HSV in der Champions League gestoppt. Es ist dieser große Titel, der Hamburg noch fehlt - und den Rudolph nur mit einem Mann vom Schlage Dujshebaevs gewinnen zu können glaubt. Nach Per Carlén, der Ende Dezember schon nach einer Halbserie beurlaubt wurde, muss ein Trainer her, dessen Eignung unzweifelhaft ist.

Mit dem Gedanken, wieder nach Deutschland zu gehen, spielt Dujshebaev bereits seit Jahren. 1997 bis 2001 spielte er für Nettelstedt und Minden. In dieser Zeit eignete er sich exzellente Deutschkenntnisse an - aber keinen Titel. "Er will in dem Land mit der größten Handballbegeisterung noch etwas gewinnen", sagt der frühere Nationalmannschaftskapitän Frank von Behren, 35, der in Minden drei Jahre neben ihm im Rückraum spielte. Am Wochenende traf sich Dujshebaev mit Rudolph und Präsident Martin Schwalb zu weiteren Gesprächen. Aber es scheint, als ginge ihm alles etwas zu schnell.

Man kann sich leicht ausmalen, dass sich Dujshebaev schwertut, das aufzugeben, was er sich in elf Jahren aufgebaut hat. Dem Klubmäzen Domingo Díaz de Mera, der den Weltstar 2001 in die Provinz La Mancha lockte, soll er sich verbunden fühlen wie einem Vater. Ins Ausland zu gehen hatte er zudem erst für die Zeit erwogen, wenn auch sein jüngerer Sohn aus dem Haus ist.

Die Zukunft des Klubs ist jedoch ungewiss. Noch trainiert die Mannschaft in Ciudad Real und pendelt nur für die Spiele nach Madrid. Einen kompletten Umzug in die Hauptstadt, wie er im Raum steht, würden laut Insidern einige Spieler nicht mitmachen. Zudem dreht Baulöwe Díaz den Geldhahn von Jahr zu Jahr weiter zu. Dass es nicht zum Ausverkauf kam, sei vor allem Dujshebaev zu verdanken, so ist zu hören. "Wenn er weggeht, werden es auch viele Spieler tun", glaubt Laen.

Anpassungsschwierigkeiten müsste der HSV nicht befürchten. "Talant ist unglaublich wandlungsfähig", sagt der frühere Hamburger Torwart Henning Wiechers, der mit Dujshebaev in Minden und Ciudad Real spielte. "Ob in Russland, Deutschland oder Spanien: Überall hat er die fremde Kultur aufgesogen und die Sprache schnell gelernt." Wiechers, 37, erinnert sich mit Vergnügen daran, wie Dujshebaev in Ciudad Real binnen Kurzem zum Weinkenner geworden sei, der die Mitspieler über die Vorzüge bestimmter Rebsorten aufklärte. Missverständnisse, wie sie Carlén zum Verhängnis wurden, gebe es bei einem wie ihm nicht: "Er hat schon als Spieler klar gesagt, wo es langgeht."

Beim Coachen seiner Nebenleute hat sich Dujshebaev nicht aufs Sportliche beschränkt. Von Behren riet er seinerzeit, seinen Kleinwagen abzuschaffen: "Er sagte mir: Du musst etwas investieren, damit dich die Leute wahrnehmen!" Dujshebaev sei damals eine Art Mentor gewesen, der ihn zum Führungsspieler der Nationalmannschaft machen wollte. Und wenn der Welthandballer nach dem Training noch an seiner Sprungkraft arbeitete, habe er damit auch der Mannschaft vorgelebt, dass man mit Einsatz etwas Großes aufbauen könne. So wie er, der 1,80-Meter-Mann aus kleinen Verhältnissen.

Nur mit seinem Temperament stand sich Dujshebaev mitunter im Weg. Es gehört zu ihm wie das nervöse Zucken der Augenbrauen. "Ich lebe die Spiele mit", sagt er, "weil ich das Beste für meine Mannschaft erreichen will." Manchmal, erzählt Laen, hätten sie schon Angst um seine Gesundheit gehabt, so aufgeregt wie er bei den Spielen immer war. Aber wenn es schieflief, habe Dujshebaev immer die Schuld auf sich genommen und die Spieler öffentlich in Schutz genommen. Laen: "Das zeugt von einem großen Charakter."