Die HSV-Handballer Bertrand und Guillaume Gille verabschieden sich beim 37:30 gegen Gummersbach von ihren Hamburger Zuschauern.

Hamburg. Spät am Abend, Bertrand Gille lehnte lässig an der Wand vor der Umkleidekabine, eine Bierflasche in der Hand, wurde ihm allmählich bewusst, dass er das alles gerade zum letzten Mal erlebt hatte: den gemeinsamen Kaffee im Platinum-Restaurant 90 Minuten vor dem Anpfiff, den Gang in die Kabine der O2 World, den Gesang der HSV-Handball-Fans, das Autogrammeschreiben, den Plausch mit den Hamburger Medien. "Dadurch, dass ich nicht spielen konnte, konnte ich diese Momente und die Atmosphäre umso intensiver erleben", sagte Gille, 34.

An der Wand gegenüber lehnte sein Bruder Guillaume, 35. Er hatte mitspielen können beim 37:30-(18:13-)Sieg über den VfL Gummersbach. 60 Minuten lang hatte er nichts anders gemacht als in den 258 Bundesligaspielen zuvor, die er in den vergangenen zehn Jahren für den HSV bestritten hatte. Erst danach ließ auch der Kapitän den Gedanken zu, dass dieses sein letztes Heimspiel für den scheidenden deutschen Meister gewesen war.

+++ HSV Hamburg verabschiedet sich von Gille-Brüdern +++

"Es war eine große Ehre, Teil dieser Gemeinschaft zu sein", rief Gille den mehr als 10 000 Zuschauern zu, und dass er die Momente in Hamburg nie vergessen werde. Dann mischten sich die beiden letzten verbliebenen Gründungsmitglieder zusammen mit Marcin Lijewski, Renato Vugrinec und Aushilfstorwart Zoran Djordjic unter die treuen Fans in Block U11, um gemeinsam Abschied zu feiern.

Die Zuneigung konnten die Gilles dort an vielen Spruchbändern ablesen: von schlichten wie "Danke für zehn geile Jahre!" bis hin zu liebevollen wie "Bobo und Gino - für immer in unseren Herzen". Es sei unglaublich zu sehen, wie toll die Hamburger Zuschauer die Handballer angenommen hätten, schwärmte Trainer und Präsident Martin Schwalb später: "Das zeigt, dass der HSV ein toller Verein geworden ist, den man auch lieben kann."

In dieser Saison fiel das etwas schwerer, weil die Leistung nicht mehr dem Standard der vorangegangenen fünf Jahre entsprach. An diesem Mittwochabend aber fügte sich vieles zusammen. Über 60 Minuten hielten die Hamburger Einsatz, Tempo und Spielfreude auf konstant hohem Niveau. "Die Mannschaft geht in die richtige Richtung", sagte Schwalb. Sollte sie den Kurs halten, könnte sie dank des Flensburger Sieges bei Verfolger Rhein-Neckar Löwen morgen beim vorletzten Saisonspiel in Wetzlar den vierten Platz sichern. Er berechtigt voraussichtlich zur Teilnahme an einem internationalen Qualifikationsturnier im September, bei dem der letzte Champions-League-Startplatz ausgespielt wird.

Mehr ist aus dieser ansonsten missratenen Saison wohl nicht mehr zu machen. "Es ist schwierig, all das zu genießen, weil unsere Situation kompliziert ist", sagte Guillaume Gille. Er spielte damit auch auf die Ungewissheit um das weitere Engagement von Andreas Rudolph an. Der Klubmäzen hatte die Abschiedszeremonie seinem Bruder Matthias und Hamburgs Handballlegende Fritz Bahrdt überlassen, die beide dem Aufsichtsrat angehören.

Ob Andreas Rudolph zum nächsten Heimspiel am 16. August in die Sporthalle Hamburg kommt, wusste beim HSV am Mittwoch niemand zu sagen. In jedem Fall wird es dann zu einem Wiedersehen mit den Gilles kommen. Sie treten mit Chambéry zu einem Freundschaftsspiel an. (leo)

Tore, HSV: Lindberg 8 (1 Siebenmeter), Kraus 6, Lijewski 4, Schröder 3, Lackovic 3, Hens 3, Vori 3, Jansen 2, Flohr 2, Vugrinec 2; Gummersbach: Pfahl 7 (2), Sprem 6 (1), Putics 5, Wiencek 5, Zrnic 3 (1), Mahé 2, Lützelberger 1, Dimitrijevic 1. Schiedsrichter: Baumgart/Wild (Neuried/Offenburg). Zuschauer: 10 209. Zeitstrafen: 4; 4.