Die HSV-Handballer scheitern in der Champions League zum vierten Mal an Ciudad Real und werden Dritter. Der Titel geht an den FC Barcelona.

Köln. Auf die kommende Woche freut sich Martin Schwalb sehr. Am Mittwoch bekommen seine HSV-Handballer anlässlich des Heimspiels gegen den TBV Lemgo (19 Uhr, O2 World) endlich die Trophäe des deutschen Meisters überreicht, geschlagene drei Wochen nachdem der Titelgewinn amtlich gemacht wurde. Am Sonnabend wird die Mannschaft dann nach ihrer Rückkehr aus Balingen vom letzten Saisonspiel im "East"-Hotel festlich empfangen. Und tags darauf darf sie die Schale den Fans vom Rathausbalkon aus präsentieren. "Da werden wir eine Riesenparty feiern und große Gefühle haben", sagte der Trainer am Sonnabend, "das ist für uns das Entscheidende."

Es mag der falsche Anlass gewesen sein, sich mit den anstehenden Feierlichkeiten zu beschäftigen. Seine Mannschaft hatte gerade im Halbfinale der Champions League gegen den Club Balonmano Ciudad Real mit 23:28 (10:12) die höchste Niederlage der Saison bezogen. Sie war damit im vierten Anlauf zur europäischen Spitze zum vierten Mal an den Spaniern gescheitert, zum dritten Mal in einem Halbfinale. Aber Schwalb schien es wichtig zu sein, die Prioritäten noch einmal klarzustellen: "Wenn man sagt, die Meisterschaft ist das Ziel, dann muss man sich auch treu bleiben." Mit anderen Worten: Man hätte diese zweite Trophäe gern mitgenommen. Aber wenn es nicht geklappt hat, darf auch keiner böse sein.

Tatsächlich schrieb sich bei dieser Endrunde eine Champions-League-Saison fort, in der sich der HSV recht launisch präsentierte. Nur sechs der zehn Vorrundenspiele wurden gewonnen. Mit dem Losglück als Verbündetem schaffte man es in die Endrunde nach Köln, dem mit 19 250 Zuschauern größten Handballevent der Welt. Doch dort legten am Sonnabend nur zwei Hamburger eine Leistung an den Tag, die dem Anlass angemessen war. Torwart Johannes Bitter, der 40 Prozent aller Würfe parieren konnte. Und der oft von Schwalb verschmähte Rechtsaußen Stefan Schröder. Seine Einläufer in die Kreismitte blieben der einzige taktische Kniff, mit dem der HSV die offensive Deckung der Spanier gelegentlich übertölpeln konnte. Der Rückraum aber wirkte, mit Ausnahme von Pascal Hens, seltsam gehemmt, so als habe er nie ernsthaft an die eigene Chance geglaubt. "Einige waren vielleicht ein bisschen blockiert", sagte Schwalb. Dazu bestand eigentlich kein Anlass. Die Abwehr stand so geordnet wie auf des Trainers Taktiktafel. Und Ciudad Real hatte bereits nach dreieinhalb Minuten seinen Ausnahmetorhüter Arpad Sterbik wegen einer Verletzung durch José Javier Hombrados ersetzen müssen. Doch dann warf der HSV derart oft leichtfertig den Ball weg, dass er sich anfangs der zweiten Halbzeit mit bis zu sechs Toren im Rückstand sah.

Trotzdem war sich Bitter "lange ganz sicher, dass wir das noch umbiegen würden, wie wir das schon so oft getan haben". Der Torhüter wurde in diesem Glauben von seinen Vorderleuten alleingelassen. Ihr Tempospiel, das sie so meisterlich beherrschen und das gestern beim 33:31-(15:13-)Sieg im Spiel um Platz drei gegen die Rhein-Neckar Löwen wieder aufblitzte, wurde von den Spaniern radikal heruntergebremst. "Die haben uns zum Stehen gebracht", klagte Kreisläufer Bertrand Gille. Gegen Ende versuchte sich Schwalb mit einem siebten Feldspieler zu helfen. Es ging zum wiederholten Mal schief. Aber davon, beharrte der Trainer fast trotzig, lasse man sich "die Saison nicht kaputt machen". Andere gingen mit dem phasenweise hilflosen Auftreten seiner Mannschaft härter ins Gericht. Der HSV, befand etwa der Eurosport-Experte und frühere Nationalmannschaftskapitän Frank von Behren, sei "seiner Verantwortung als Meister der stärksten Liga der Welt nicht gerecht geworden".

Und natürlich gab der HSV allen Kritikern reichlich Nahrung, die ihn verdächtigen, die Meisterschaft womöglich etwas zu ausgiebig vier Tage lang auf Mallorca gefeiert zu haben. "Wir dachten, dass die Mannschaft dort den Kopf freibekommt", rechtfertigte der scheidende Vizepräsident Dierk Schmäschke die Maßnahme. Und auch Kapitän Guillaume Gille mühte sich klarzustellen, "dass wir körperlich und geistig voll da waren".

Der Sieg gegen die Löwen, der dem HSV wenigstens 200 000 Euro an Prämien bescherte, könnte ihn darin bestärken. In diesem fast wertfreien Spiel hatte der HSV seinen Spaß wiedergefunden, ging die Arbeit plötzlich so leicht von der Hand, dass Linksaußen Torsten Jansen in den Konjunktiv verfiel: "Wenn wir gestern so gespielt hätten, wäre es anders gelaufen." Schwalb sprach von einem "Abschied von der europäischen Bühne, wie man ihn sich als Trainer nur wünschen kann". Er wechselt auf den Geschäftsführerposten. Sein Schlusswort klang wie ein Vermächtnis für seinen Nachfolger Per Carlén: "Der HSV wird noch viele Chancen bekommen, die Champions League zu gewinnen." Kiel, daran erinnerte Jansen gestern, habe Jahrzehnte dafür gebraucht. Damit dürfte das erste Saisonziel für 2012 bereits definiert sein.