Der Kroate Igor Vori ist der Beste seines Fachs. Mit dem HSV will er am kommenden Wochenende auch die Champions League gewinnen.

Hamburg. "Die Handbremse ist gelöst, der Druck weg. Wir freuen uns jetzt alle auf die Endrunde der Champions League", sagt Igor Vori, 30. Diese Aussagen können nicht überraschen. So oder ähnlich denken sie alle, die Handballer des HSV nach dem Gewinn ihrer ersten deutschen Meisterschaft und vor dem Final Four am Wochenende in Köln. Dass der kroatische Kreisläufer des HSV die Gefühlslage seines Teams in Deutsch beschreibt, lässt dagegen aufhorchen. Der schnelle Spracherwerb scheint ein Zeichen seines Wohlbefindens. "Ich fühle mich mit meiner Familie in Hamburg ausgesprochen gut", sagt Vori, der im Juli 2009 aus Zagreb zum HSV wechselte, "die Stadt ist perfekt, die Mannschaft auch, und dass wir endlich den ersehnten Titel geholt haben, rundet das Ganze ab." Mit 178 Toren in bislang 50 Pflichtspielen hat er einen großen Teil der laufenden Erfolgsgeschichte mitgeschrieben. Dass bei ihm fast jeder Wurf ein Treffer war, macht Vori besonders wertvoll.

"Er ist momentan der beste Kreisläufer der Welt", sagt einer, der es wissen muss, sein Mannschaftskollege Bertrand Gille, 33, Welthandballer des Jahres 2002. Mit dem Franzosen teilt sich Vori beim HSV den Job an der Sechs-Meter-Linie. Es ist das brutalste Aufgabengebiet des Handballs, das Schlachtfeld. Hier wird in Angriff und Abwehr geschoben, geschubst, geschlagen und getreten. Da kommt es einem gelegen, wenn man 2,03 Meter groß ist und 111 Kilo wiegt - wie Vori, der Bulle vom Kreis. "Diese Körpermaße brauchst du, um dich an der Front behaupten zu können. Igor ist dazu noch wendig und schnell in seinen Handlungen", sagt Athletiktrainer Oliver Voigt.

Und er ist vor allem konstant in seinen Leistungen. Diese Saison ist eine der besten in seiner Karriere. Diejenigen, die ihn lange kennen wie sein HSV- und Nationalmannschaftkollege Blazenko Lackovic, meinen sogar, es sei seine beste. "Entscheidend in diesem Jahr war, dass ich gesund geblieben und nicht völlig kaputt von der WM im Januar in Schweden zurückgekommen bin", sagt Vori. In der Vergangenheit wäre das oft anders gewesen, im Vorjahr zum Beispiel hätte die Europameisterschaft in Österreich extrem an seinen Kräften gezehrt. "Da musste ich in fast jeder Begegnung durchspielen. Das war eine extreme Belastung, von der ich mich nur schwer erholt habe."

Heute, am Ende einer erneut langen Saison, wirkt Vori frisch, froh gelaunt und tatendurstig. "Wir sind noch nicht fertig", sagt der Weltmeister (2003) und Olympiasieger (2004). "Wir haben eine Mannschaft, die jede andere der Welt bezwingen kann." Als Favoriten sieht er den HSV dennoch nicht im Final Four, das sind für ihn Ciudad Real, der Halbfinalgegner der Hamburger, und der neue spanische Meister FC Barcelona, der mögliche Kontrahent im Finale. Für die Katalanen hat Vori zwei Jahre lang gespielt, von 2005 bis 2007. "Der FC Barcelona ist ein großer Verein. Nur Handball rangiert dort hinter Fußball und Basketball erst an dritter Stelle." Über Barcelona will er jedoch nicht viel reden. Ciudad Real sei das Team, das es zunächst auszuschalten gelte. Und das ist dem HSV in der Champions League in bisher drei Versuchen seit 2008 nicht gelungen. "Ciudad Real hat kaum Schwächen", weiß Vori "sie warten auf deine Fehler und schlagen dann mit einer unglaublichen Konsequenz zu. Wenn wir 60 Minuten lang unsere Konzentration hoch halten, haben wir eine Chance." Er freue sich schon auf das Spiel. "Das wird ein Riesenspektakel in einer grandiosen Atmosphäre vor 19 000 Zuschauern."

Final Four in Köln, Halbfinale: Sa, 15.15 Uhr: Rhein-Neckar Löwen - FC Barcelona; 18 Uhr: HSV - BM Ciudad Real. So, 15.15 Uhr, Platz drei; 18 Uhr: Finale. Eurosport überträgt alle Spiele live.