Talente im Alter von 15 bis 23 sollen auch ohne Wechsel zum HSV professionell gefördert werden

Hamburg. Andreas Tourneau ahnt, was er von den anderen zu hören bekommen wird: "Ihr wollt ja doch nur unsere Talente wegnehmen." Er kann die Bedenken sogar verstehen. Sie speisen sich aus den Erfahrungen, die viele Handballvereine in den vergangenen Jahren mit dem HSV Hamburg machen mussten. Für den neuen deutschen Meister hat Tourneau einst selbst ein Jugendkonzept entwickelt. Inzwischen engagiert sich der Kaufmann beim Oberligisten HG Hamburg-Barmbek, aber er legt Wert darauf, dass sein neues Projekt allen zugute kommen soll: Hamburgs erste Handball-Akademie.

15 bis 23 Jahre alte Talente vornehmlich aus kleineren Klubs sollen die Chance erhalten, drei zusätzliche Trainingseinheiten zu absolvieren: montags Athletik-, mittwochs Kraft-, freitags Balltraining. Ein Vereinswechsel ist ausdrücklich nicht gewollt. "Wir wollen keine Spieler abwerben", sagt Tourneau, "sondern eine Angebotslücke schließen." Er und seine Mitinitiatoren Jürgen Hitsch und Andreas Brinckmann haben beobachtet, dass der Nachwuchs in Hamburgs Auswahlteams bis zum Alter von 16 Jahren gefördert wird.

Wer nicht das Glück habe, einem großen Klub anzugehören und fünf Trainingseinheiten pro Woche bei hoch qualifiziertem Personal angeboten zu bekommen, dessen Talent drohe anschließend zu verkümmern. Viele Vereine würden vornehmlich in den Erwachsenenbereich investieren. "Den Nachwuchstrainern fehlt oft die moderne Handballschule - und vielen Talenten damit das Einmaleins ihres Sports", sagt Tourneau. Die Akademie setzt auf Fachkräfte. So werden die Krafteinheiten in einem Fitnessklub stattfinden, für die Arbeit mit Ball stehen unter anderem der Barmbeker Oberligatrainer Harald Bockelmann sowie Michael Bollhöfer, früherer Assistenzcoach der HSV-Profis, zur Verfügung.

Auch Landestrainer Erik Wudtke hat seine Unterstützung zugesichert. Die Finanzierung ist dank Sponsoren fürs Erste gesichert. Als gemeinnützige Unternehmensgesellschaft ist die Akademie steuerlich begünstigt, darf allerdings keine Gewinne ausschütten. Als erster Jahrgang werden im Sommer 15 Spieler aufgenommen. "Wir werden aber nicht nur die sportlichen, sondern auch die schulischen Leistungen berücksichtigen", versichert Hitsch.

Kosten entstehen weder für die Spieler noch für ihre Vereine. Ein Sportartikelhersteller stellt Bälle und weitere Ausrüstungsgegenstände zur Verfügung. Auch einen prominenten Paten hat die Akademie bereits gefunden: Adrian Wagner, 33. Den früheren Hamburger Nationalspieler und HSV-Profi, der noch bis 2012 beim VfL Gummersbach unter Vertrag steht, würde Tourneau am liebsten schon zur neuen Saison als hauptamtlichen Jugendkoordinator einstellen. Ein Sponsor wird noch gesucht. Dass Wagner als Spielmacher zum VfL Bad Schwartau zurückkehrt und seine aktive Karriere in der Zweiten Liga ausklingen lässt, darüber wird bereits seit Längerem spekuliert.

In Hamburg könnte ihm derzeit kein Verein ein angemessenes Angebot machen. In der Zweiten und Dritten Liga ist die Hansestadt nicht vertreten. Dieses Vakuum wollen die Barmbeker, obgleich gerade aus der Oberliga abgestiegen, langfristig am liebsten selbst füllen. Befähigtes Personal hofft man in der Akademie zu finden. Ein weiterer Ausbau der Akademie ist auch eine Platzfrage. Die Dreifelderhalle am Langenfort ist hoffnungslos ausgelastet. Der Entwurf für einen Anbau liegt bereits vor. Kosten: 3,5 Millionen Euro.